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Wissenschafter entschlüsseln Schlafgeheimnisse

Kinder brauchen mehr Schlaf als Erwachsene, Neugeborene bis zu 18 Stunden. carofoto

Warum braucht der Mensch Schlaf? Der Beantwortung dieser Frage, welche die Wissenschaft seit Jahrhunderten beschäftigt, sind Forscher der Universität Lausanne einen Schritt näher gekommen.

Durch Untersuchungen von Schlafentzug bei Mäusen konnte das Team nachweisen, was während des Schlafs auf der molekularen Ebene im Hirn geschieht. Zudem fanden sie ein Gen zur Schlafregulierung.

«Es hat mich immer erstaunt, dass niemand weiss, warum wir schlafen», sagt Mehdi Tafti, Projektleiter am Zentrum für Integrative Genomforschung an der Universität Lausanne, gegenüber swissinfo.

Tafti ist ein Spezialist von Schlafstörungen und hat die letzten 20 Jahre damit verbracht, herauszufinden, warum die Menschen einen Drittel ihres Lebens im Bett verbringen.

Kürzlich publizierte sein Forschungsteam seine Ergebnisse in der Zeitschrift «Proceedings of the National Academy of Science». Es hatte ein Gen entdeckt (Homer1a), das die Menge von Calcium in den Neuronen des Hirns kontrolliert.

Alarmglocke im Kopf

Mäuse brauchen wie Menschen im Wachzustand Kalzium, um zu funktionieren. Aber je länger sie wach sind, desto mehr Kalzium bildet sich. Wenn die Menge zu gross ist, werden die Neuronen überstimuliert.

Schlaf ist daher der Weg, wie die Natur die exzessiven Kalzium-Anhäufungen im Hirn reduziert. Homer1a spielt dabei eine Schlüsselrolle.

«Dieses Gen reguliert die Kalzium-Mengen, und dadurch wird das Hirn vor Hyperaktivität geschützt», erklärt Tafti. «Je länger man aufbleibt, desto stärker wird es aktiviert.»

Es wirke wie eine Alarmglocke im Kopf und versuche, auszubalancieren und zu warnen: «Pass auf, der Kalzium-Spiegel erhöht sich, du musst ihn regulieren, sonst wird er giftig» ergänzt der Forscher.

Schlafentzug

«Bei Tierversuchen ist Schlafentzug tödlich. Ratten oder Mäuse, die am Schlafen gehindert werden, sterben nach zwei oder drei Wochen – wir wissen nicht, warum», sagt Tafti. «Bei Menschen wurde es nie getestet, aber langfristiger Schlafentzug würde wohl zum Tod führen.»

Ob man bis am Mittag schlafen kann oder bei Tagesanbruch aufwacht, liege in den Genen, sagen die Forscher. Doch wo liegt das Minimum an Schlaf, das wir pro Nacht brauchen?

«Wir gehen davon aus, dass es einen Mittelwert an notwendiger Schlafzeit gibt, der bei fünf bis sechs Stunden liegt», meint Tafti und fügt hinzu: «Es ist etwa wie mit dem Essen. Eine bestimmte Menge Nahrung braucht man, aber in der Regel essen wir mehr als wir brauchen. Mit dem Schlaf ist das ähnlich.»

Mögliche Anwendungen

Die Tatsache, dass Menschen das Gen Homer1a ebenfalls besitzen, eröffnet daher ein weites Feld möglicher medizinischer Anwendungen.

Es könnte dafür eingesetzt werden, den Leuten zu helfen, ihre Müdigkeit zu kontrollieren und länger wach zu bleiben, oder umgekehrt den Erholungsprozess während des Schlafs verbessern.

Tafti kann sich auch vorstellen, Menschen bei Depression und Schizophrenie damit zu behandeln. Die Forscher glauben, dass das entdeckte Gen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wichtigen Einfluss auf Schlafstörungen bei depressiven Menschen hat.

swissinfo, Simon Bradley, Lausanne
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)

Der Schlaf ist zwar überlebenswichtig, doch ist sein Zweck nur teilweise klar und Gegenstand intensiver Forschung.

Schlafmangel hat ernsthafte Folgen auf die Funktionsfähigkeit unseres Hirns. Durch fortgesetzten Schlafmangel wird der Teil des Hirns, der Sprache, Erinnerung, Planen und Zeitgefühl steuert, schwer beeinträchtigt, fast stillgelegt.

Die Forschung zeigt ebenfalls, dass Leute mit Schlafmangel Mühe haben, auf schnell sich verändernde Situationen zu reagieren oder rationale Urteile zu fällen. Die Folgen sind schwerwiegend. Schlafmangel gilt als mit verursachend bei einer Anzahl internationaler Katastrophen wie Exxon Valdez, Tschernobyl, Three Mile Island und die Challenger-Explosion.

Schlafmangel hat auch einen grossen Einfluss auf die emotionale und körperliche Gesundheit. Störungen wie die Schlafapnoe, eine extreme Schläfrigkeit während des Tages, werden mit Stress und hohem Blutdruck in Verbindung gebracht.

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