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«Das ‚Läckerli Huus‘ steht nicht zum Verkauf»

Eine Frau im Freien, mit einer grünen Wiese im Hintergrund
Miriam Baumann-Blocher auf der Terrasse des Hauptsitzes des Läckerli Huus in Frenkendorf. Sie ist seit 2007 Inhaberin, Präsidentin und Geschäftsführerin des Unternehmens. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Miriam Baumann-Blocher ist Inhaberin, Verwaltungsratspräsidentin und Geschäftsführerin des «Läckerli Huus», das die berühmten Basler Läckerli herstellt. Im Interview mit Swissinfo weist sie darauf hin, dass ihr Unternehmen mit neuen Vorschriften zu kämpfen hat.

2007 übernahm Miriam Baumann-Blocher das Läckerli Huus, wo das traditionelle Lebkuchen-Honiggebäck hergestellt wird.

Seither ist sie alleinige Eigentümerin, Präsidentin und Geschäftsführerin des Unternehmens mit rund 150 Angestellten.

Baumann-Blocher hat das «Läckerli Huus» grundlegend umgebaut und das Angebot deutlich erweitert. Gleichzeitig wurden die internationalen Märkte, namentlich Deutschland und Japan, weiter bedient.

Swissinfo traf die Tochter von Alt-Bundesrat Christoph Blocher am Hauptsitz des Unternehmens in der Gewerbezone von Frenkendorf im Kanton Baselland.

Swissinfo: Sie haben das «Läckerli Huus» im Jahr 2007 übernommen. Welches sind die drei wichtigsten Veränderungen, die Sie seither im Unternehmen vorgenommen haben?

Miriam Baumann-Blocher: Als erstes haben wir die rechtliche Struktur vereinfacht. Das «Läckerli Huus» war Teil einer Gruppe von fünf Unternehmen, die wir in ein einziges Unternehmen überführt haben.

Zweitens waren unsere beiden Produktionsstandorte im Jahr 2007 ineffizient. So waren beispielsweise die Fenster nicht richtig isoliert, die Bodenbelastbarkeit war unzureichend und die Decken waren nicht hoch genug. Ein Standort lag ausserdem in Stadtnähe, was für unsere Branche unpraktisch war.

Glücklicherweise konnte ich ein Grundstück im Kanton Basel-Landschaft erwerben. Dort haben wir nun unseren Hauptsitz und eine einzige moderne Produktionsstätte.

Drittens haben wir unser Logo, unsere Produktpalette und unsere Verpackungen angepasst.

Läckerli-Biscuits bei der Herstellung
Das berühmte Läckerli-Gebäck während der Produktion. Stefan Bohrer / Keystone

Ihre Produktpalette ist mit rund 150 Produkten stark gewachsen. Haben Sie jetzt das optimale Sortiment?

Es ist immer ein schwieriger Balanceakt. Je breiter das Angebot, desto komplexer und kostenintensiver ist die gesamte Wertschöpfungskette. Wir verkaufen aber direkt an Endkonsumierende, und unsere Produkte dienen oft als Geschenk.

Wir können es uns also nicht leisten, einfach massenweise Läckerli in langweiligen Läden zu verkaufen. Im Gegenteil: Wir müssen dafür sorgen, dass regelmässig genügend Kund:innen in unsere Läden kommen – und das klappt nur mit einem breiten Sortiment und regelmässigen Neuheiten. Deshalb bieten wir seit einigen Jahren auch Schokolade an.

Eine unserer Spezialitäten sind die schön dekorierten Blechdosen, in denen man idealerweise viele verschiedene Produkte präsentieren kann.

Unser Heimatmarkt wächst, aber nicht auf die traditionelle Art. Das Bevölkerungswachstum wird eher von Immigrant:innen als von Schweizer Kindern getragen. Sie haben geschmacklich andere Vorlieben, also müssen wir unsere Produktpalette entsprechend anpassen.

Schliesslich möchte ich betonen, dass unsere Stärke darin liegt, ein so komplexes Portfolio an Produkten einschliesslich edler Verpackungen zu verwalten.

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Sie nutzen mehrere Vertriebskanäle für Ihre Produkte: Ihre eigenen Läden, einen Online-Shop und grosse Detailhändler wie Coop oder Migros. Welche Strategie verfolgen Sie dabei?

Traditionell verkaufen wir direkt an die Endkundschaft und betreiben deshalb zehn Läden, 30 Shops-in-Shop (meist in Möbelgeschäften oder Gartencentern) und einige Popup-Stores.

Mit diesen Direktverkäufen erwirtschaften wir den Hauptanteil unseres Umsatzes. Um die Marktabdeckung zu erweitern, verkaufen wir unsere Produkte nun auch über grosse Detailhandelsketten.

Dabei achten wir darauf, dass die Detailhändler preislich nicht deutlich unter unsere unverbindliche Preisempfehlung gehen – damit die Preisgestaltung über alle Kanäle hinweg einheitlich bleibt.

Beim Ladenverkauf nutzen wir den Vorteil, dass wir unser Verkaufspersonal schulen können und die vollständige Kontrolle über das Merchandising haben. Ausserdem erhalten wir von unseren Kund:innen direkt wertvolle Rückmeldungen.

Für den Detailhandel gibt es natürlich Umsatzzahlen, die wir kaufen können – die allerdings auch teuer sind. Schliesslich kann man unsere Produkte auch noch über unseren Online-Shop kaufen und sich in alle Welt liefern lassen.

Welche Bedeutung hat der internationale Markt für das «Läckerli Huus»?

Etwa 10% unseres Umsatzes erzielen wir ausserhalb der Schweiz. Unsere beiden wichtigsten Exportmärkte sind Deutschland und Japan, wo wir auf Handelspartner zählen können.

In Deutschland sind viele unserer Kundinnen und Kunden Schweizer Bürger:innen. Daher ist unsere Marktpositionierung in Deutschland gleich wie in der Schweiz: «Premium mit einem freundlichen Touch.»

In Japan werden unsere Produkte hauptsächlich als Geschenke verkauft und sind 2,5 Mal teurer als in der Schweiz. So können wir den Transport, die Einfuhrzölle in Höhe von 25%, die Mehrwertsteuer, die Bearbeitungsgebühren und die japanspezifischen Anforderungen, etwa speziell angefertigte, aufwendige Verpackungen, finanzieren.

Eine Frau
«Die Schweiz steht im internationalen Vergleich gut da. Meine Hauptsorge gilt der zunehmenden Zahl von Vorschriften in der Schweiz und anderswo, besonders im Lebensmittelbereich.» Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Sie betonen oft die Stärke Ihrer Marke durch Ihre kunstvoll gestalteten Verpackungen. Mit diesem Ansatz haben Sie nur wenige Konkurrenten. Was steckt dahinter?

Die Verpackung ist wichtig, weil viele unserer Produkte verschenkt werden. Wir haben uns auf kunstvolle Blechdosen spezialisiert, was viel Zeit, Mühe, besondere Fähigkeiten und Handarbeit erfordert.

Von der Entwicklung bis zur endgültigen Verpackung braucht es manchmal zahlreiche Prototypen.

Ihre Produkte und Verkäufe sind stark saisonabhängig. Wie gehen Sie mit Nachfrageschwankungen um?

Von Oktober bis Dezember verbuchen wir 40% unseres Umsatzes. Wir haben 150 Angestellte, wobei wir für die Weihnachtszeit zusätzlich 60 Mitarbeitende anstellen. Um diese Weihnachtsspitze abzufedern, haben wir diverse Massnahmen eingeleitet.

Der Verkauf im Detailhandel glättet die Nachfrage etwas, da dort Läckerli häufig für den Eigenbedarf und nicht als Geschenk gekauft werden. Zudem haben wir auch Sommerprodukte wie Zitronen-Läckerli und Läckerli-Osterhasen lanciert.

In Japan verzeichnen wir die Verkaufsspitze nicht an Weihnachten, sondern am Valentinstag und am White Day, einer japanische Tradition, bei der Männer die Frauen beschenken, die sie am Valentinstag beschenkt haben.

Schliesslich bieten wir auch Halbfertigprodukte an, die wir das ganze Jahr über vor allem an Glacéhersteller verkaufen.

Sie erfüllen die Anforderungen der «Swissness-Regeln», die es Ihnen erlauben, dass die Landesflagge Ihre Verpackungen ziert. Warum verwenden Sie sie oft nicht?

Wir verwenden lieber den Bischofstab, ein typisches Symbol für Basel, denn unsere Produkte sind traditionell mit der Stadt verbunden.

Auch bei der Farbharmonie passt das rote Schweizerkreuz nicht zu unseren traditionellen Farben Schwarz, Weiss und Gold. Für den japanischen Markt versehen wir unsere Verpackungen jedoch mit einen «Swiss-Made»-Aufkleber.

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Innovation ist im Kampf gegen die Konkurrenz zentral. Dazu gehören unter anderem der Biskuithersteller Kambly und der Chocolatier Läderach. Wie sorgen Sie dafür, dass das «Läckerli Huus» innovativ bleibt?

Wir haben ein Innovationsteam, dessen Zusammensetzung sich regelmässig ändert. Innovation wird von vielen als impulsiver Prozess gesehen. In Wirklichkeit aber ist es harte Arbeit, die einem strukturierten Ablauf folgt.

Wir beobachten unsere Märkte und die Innovationen in anderen Ländern und anderen Produktkategorien wie Glacé, Getränke und Joghurt. Wir befassen uns mit Studien zu neuen Trends und hören auf unsere Kundschaft, die in der Regel eher schrittweise Verbesserungen als grundlegende Neuerungen vorschlägt.

Wir arbeiten auch mit Fachhochschulen zusammen, die Workshops durchführen. Auch ich selbst lasse meine Meinung einfliessen, aber meine Stimme ist nicht ausschlaggebend. Und schliesslich müssen sich Innovationen verkaufen lassen und rentieren.

Eine Frau sitzt an einem Tisch und gestikuliert
«Etwa 10 % unseres Umsatzes erzielen wir ausserhalb der Schweiz. Unsere beiden wichtigsten Auslandmärkte sind Deutschland und Japan, wo wir Handelspartner haben.» Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

In vielen Ländern steigt die Besorgnis über den übermässigen Zuckerkonsum. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?

[Zur Einordnung: 100 gr. Läckerli-Biscuits enthalten 45 gr. Zucker. Die empfohlene Tagesmenge an freiem Zucker – verarbeiteter Zucker, Sirup, Honig usw. – beträgt 25 gr.]

Wir halten den Zuckergehalt in unseren Produkten für unproblematisch, da sie kaum in Massen genossen werden. Ausserdem enthalten unsere Produkte keinen versteckten Zucker. Unsere Läckerli werden hauptsächlich mit Honig gesüsst.

Dennoch haben wir letztes Jahr ein Läckerli auf den Markt gebracht, das keinen zugesetzten Kristallzucker enthält und unsere vollständig zuckerfreien Produkte ergänzt.

Sie enthalten Süssstoffe und werden vor allem von Diabetikerinnen und Diabetikern konsumiert. Sollte sich der Geschmack der Konsumentinnen und Konsumenten jedoch zu deutlich weniger Zucker entwickeln, werden wir unsere Hauptprodukte natürlich anpassen.

Zudem hoffe ich, dass die Regulierungsbehörden gesunden Menschenverstand walten lassen: Ich möchte wirklich nicht gezwungen werden, unsere schönen Verpackungen mit grossen Warnhinweisen wie auf Zigarettenschachteln zu versehen.

Es wäre ein gesellschaftlicher Widerspruch, wenn vom Schokoladegenuss abgeraten würde, während gleichzeitig gewisse Drogen legalisiert werden.

Die Schweiz hat 35 Freihandelsabkommen abgeschlossen, unter anderem mit der Europäischen Union und Japan. Welchen Einfluss haben diese auf Ihr Geschäft?

Das Abkommen mit der EU ist wichtig, weil wir so ohne Einfuhrzölle nach Deutschland exportieren können.

In Japan sind unsere Produkte vom Freihandelsabkommen ausgeschlossen, so dass wir trotzdem 25% Einfuhrzölle zahlen müssen.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftlichen Bedingungen in der Schweiz?

Die Schweiz steht im internationalen Vergleich gut da. Meine Hauptsorge gilt den immer zahlreicheren Vorschriften in der Schweiz und anderswo, besonders im Lebensmittelbereich.

Dazu gehören Deklarationen, u.a. für den Zoll, sowie andere Vorschriften zur Vermeidung von Food Waste und zur Förderung von Recycling, Verpackungsrichtlinien und so weiter.

Diese schweizerischen Vorschriften sind sicherlich von der Gesetzgebung in den Nachbarländern inspiriert. Für ein KMU wie das «Läckerli Huus» ist das sehr mühsam, weil wir kein grosses Team für den administrativen Aufwand haben.

Auch in Sachen Arbeitsrecht sehe ich ein paar Wolken am Horizont, da wir unvernünftigerweise auf eine internationale Harmonisierung hinarbeiten.

Als KMU nehmen wir unsere soziale Verantwortung ernst, und unsere Interessen decken sich eng mit denen aller unserer Angestellten.

Verschiedene Schachteln und Taschen auf einem dekorierten Tisch
Teil der diesjährigen Weihnachtskollektion. Dazu gehören auch verschiedene dekorierte Blechdosen, auf die sich das «Läckerli Huus» spezialisiert hat. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

Erhalten Sie viele Übernahmeangebote, zum Beispiel von grossen internationalen Konzernen?

Ja, die kommen normalerweise über Vermittler. Das «Läckerli Huus» steht aber nicht zum Verkauf, zumindest nicht in absehbarer Zeit.

Dennoch schliessen wir eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen nicht aus – zum Beispiel, um einem ausländischen Konzern den Einstieg in den Schweizer Markt zu erleichtern oder um gemeinsam die immer komplexeren Vorschriften zu bewältigen. Wir wären auch selbst in der Lage, ein Unternehmen zu übernehmen.

Fühlen Sie sich manchmal einsam an der Spitze in Ihrer Mehrfachrolle als Verwaltungsratspräsidentin, Geschäftsführerin und Alleininhaberin?

An der Spitze ist man immer einsam. Ich halte aber unsere jetzige Konstellation in unserem kleinen Unternehmen für angemessen. Natürlich könnten wir jemand Externen für die Geschäftsführung holen, aber ich kann diesen Job auch selbst machen – und ich mache ihn gerne!

Ich könnte auch einen externen Verwaltungsratspräsidenten einstellen, aber als Alleininhaberin wäre das eher etwas künstlich. Jedenfalls empfinde ich mich nicht als Alleinherrscherin. Ausserdem sitzen in meinem Verwaltungsrat auch zwei externe Mitglieder, die sich glücklicherweise nicht scheuen, mir zu widersprechen.

Das führt zu lebhaften und bereichernden Diskussionen. Aber meiner Verantwortung gegenüber allen Beteiligten – Kundschaft, Angestellte, Medien und andere – bin ich mir natürlich voll bewusst.

Editiert von Virginie Mangin/ts, Übertragung aus dem Englischen: Lorenz Mohler

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