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Alphorn-Queen zwischen Pop und Funk

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Eliana Burki vertritt die Schweiz musikalisch auf unübliche Art: Ihr Alphorn ist aus Carbon, ihr Alpsegen Pop und mit der Tracht hat sie nichts am Hut.

Mutig geht sie im Juli auf eine Tournee nach Baschkortostan, wo die DEZA einen kulturellen Freundschaftsbesuch organisiert.

Früh entwickelter Eigensinn führt offenbar direkt zum Schweizer Nationalinstrument: “Als ich 6 Jahre alt war, wollte meine Mutter, eine Pianolehrerin, dass ich mit Klavierstunden beginne”, erzählt Eliana Burki, 21. “Doch ich stellte mich quer. Denn Alphorn wollte ich spielen, nicht Klavier – zum Entsetzen meiner musikalischen Eltern, die uns Kinder mit klassischer Musik aufwachsen liessen!”

Der zweite wichtige Entscheid in Elianas jungem Musikerleben fiel, als sie gerade einmal 9 Jahre alt war: “Am Nordwestschweizerischen Jodlerfest in Schönenwerd musste ich im Trachten-Look vor einer Riege alter Männer den Alpsegen spielen – das war mir dann doch des Guten zuviel!”

Der Motivation zuliebe

Elianas Alphorn-Lehrer Jürg Sommer schwenkte darauf ein. Er spürte, dass seiner einzigen Alphorn-Schülerin bald die Motivations-Puste ausgehen würde, sollte er sie weiter auf dem konventionellen Pfad der Schweizer Volksmusik unterrichten.

So driftete der Alphorn-Sound von Eliana schon bald in Richtung Blues und Jazz – zum Entsetzen einiger Musik-Fundamentalisten, die den Eltern böse Briefe schrieben, ihr Kind “verhunze” das Schweizer Nationalinstrument. “Doch viele andere fanden das toll, sogar Folklore-Liebhaber”, sagt sie rückblickend.

Schon bald folgten zahlreiche Reisen durch Europa, immer begleitet von Mutter am Piano. “Wir wirkten damals äusserst modern mit unserem Alphorn-Klavier-Duo”, so Eliana. Nach einem Auftritt am Basler Blues und Jazz Festival fielen die Würfel endgültig: Die 18-Jährige entschied sich, professionell ins Musik-Business einzusteigen.

Kein Publikumskontakt ohne Stimme

“Um mit jeder Art von Publikum in Kontakt treten zu können, genügt das Alphorn allein nicht”, weiss Eliana. “Alphorn allein kann mit der Zeit eintönig wirken.” Also mussten Gesangseinlagen her.

Gesungen hatte Eliana immer schon, in Schülerbands. Aber Singen in Kombination mit dem Alphorn-Spielen ist um einiges komplizierter: “Beim Singen muss ich die gegenteiligen Muskeln anstrengen als beim Horn blasen. Die Töne beim Horn presst man mit den Lippen und dem Luftdruck raus.”

Das Alphorn hat ja keine Fingertasten wie andere Blasinstrumente. So muss Eliana alle Töne im Voraus im Kopf speichern – während sie noch singt sozusagen.

“Folding Alphorn light”

Das neue Alphorn von heute ist nicht mehr aus Holz, sondern besteht aus vielen federleichten und teleskopartig zusammenschiebbaren Carbon-Teilen (Kunststoff), die in einem Sportsack Platz haben. “Das macht mich zwar mobil, aber dafür muss das Horn vor jedem Auftritt neu gestimmt werden, eine sehr heikle Angelegenheit”, so Eliane.

Ein Alphorn hat fünf Oktaven – je höher eine Oktave, desto mehr Töne gibt es. Deshalb und aufgrund der schwierigen Naturtonleiter müssen die Jazz-, Blues- und Funk-Arrangements fürs Alphorn umgeschrieben werden.

“Jazzige Alphorn-Improvisationen sind noch das einfachste”, weiss Eliana. “Viel schwieriger ist es, bestehende Jazz- und Latin-Standards exakt wiederzugeben.”

Chinesen und Amerikaner

“Die Chinesen sind zusammen mit den Amerikanern das dankbarste Publikum”, schwärmt Eliana. Deshalb spiele sie gerne vor chinesischem Publikum.

Mit 16 Jahren hat sie 1999 erstmals die Schweiz musikalisch an einem Weltkongress vertreten, in Paris. Seither dient sie ihrem Land oft als musikalische Botschafterin. Oft handelt es sich um offizielle Anlässe – “die sind oft etwas ‘stier’, da kann ich dann etwas auflockern”.

Hat sie noch nie daran gedacht, ihr Land auch an Anlässen wie Eurovision zu vertreten? “Das Risiko beim Grand Prix de l’Eurovision ist zu gross.” Falle man durch, sei man für immer erledigt, und die Boulevardpresse haue dann noch eins drauf.

Dasselbe gelte auch für Sendungen wie Musicstar. “Eine Musikkarriere muss langsam und konstant aufgebaut werden, möglichst mit Familiensupport”, findet Eliana. “Gerade mit 15 oder 16 Jahren beginnen viele Junge, die das Potenzial hätten, ihr Instrument zu vernachlässigen. Damit verbauen sie sich oft eine musikalische Karriere.”

Baschkortostan-Tournee mit dem EDA

Das neueste Projekt von Eliana ist im Juli eine Tournee im russischen Baschkortostan zusammen mit anderen jungen Musikern, die alle ein traditionelles Schweizer Instrument spielen.

Organisiert wird die Reise von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA. “Die DEZA ist seit 1999 in dieser Region aktiv, also schon vor dem Flugzeug-Drama bei Überlingen,” sagt Thomas Jenatsch, DEZA-Sprecher für Osteuropa.

Diese russische Region wurde in der Schweiz nach dem schrecklichen Flugzeug-Unfall im Juli 2002 bekannt, als bei Überlingen beim Zusammenstoss zweier Flugzeuge über dem Bodensee mehr als 70 Menschen umkamen.

2003 besuchten baschkirische Musiker die Schweiz. Die DEZA organisiert in Baschkortostan auch ein Projekt, das vertriebene Deportierte aus der Stalin- und Sowjetzeit unterstützt. Und in der Hauptstadt Ufa engagiert sich die DEZA seit Jahren für ein Jugendzentrum.

Eliana freut sich auf die nicht nur musikalische Herausforderung. Trockene, formelle Anlässe wie in London und Paris wird es zwischen Ufa und Moskau wohl kaum geben. Das zeigt schon der Umstand, dass Bodyguards auf die Schweizer Musiker aufpassen werden.

swissinfo, Alexander Künzle

1983 erblickt Eliana Burki das Licht der Musikwelt.

1988 äussert Eliana den Wunsch, Alphorn zu blasen.

1992 Eidgenössisches Jodlerfest: Eliana entscheidet, nie mehr eine Tracht zu tragen.

1997 “The Spirit of Alphorn”. Eliana in der Sendung “Muuh” bei SR DRS.

1998 Solistin mit dem Kammerorchester Solothurn an der Feier des Nationalrats-Präsidenten.

2000 Produktion der ersten CD.

2002 Auftritte am Blues Festival in Basel, am Solothurner Kantonaltag der Expo 02, in Paris etc.

2003 Auftritte bei SF DRS, Zürcher Kammerorchester, Hamburg, Gstaad etc.

2004 Botschafterin für die Schweizer Musik mit Bundesrat Pascal Couchepin in Spanien.

2005 im Mai in Warschau zur Buchmesse-Eröffnung.

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