The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Podcast «Ade merci, Schweiz»: Integration beginnt beim Zuhören

Die Journalistinnen Claire Micallef (links) und Camille Kündig (Mitte) im Gespräch mit Heike Geiling (rechts).
Heike Geiling (rechts) im Gespräch mit den beiden Hosts Claire Micallef (links) und Camille Kündig. Swissinfo

Ein Umzug ins Ausland ist eine kulturelle Herausforderung. In der vierten Episode von «Ade merci, Schweiz» diskutieren Auslandschweizer Roger Brugger und die interkulturelle Trainerin Heike Geiling darüber, mit welchen Tricks Integration gelingt.

Der Busfahrplan scheint lediglich der Dekoration zu dienen, körperliche Nähe im Gespräch sowie häufige Berührungen sind freundlich gemeint, und Nicken bedeutet nicht automatisch «Ja»: Was in den Ferien als charmante Eigenheit durchgeht oder schlimmstenfalls als kurzfristiges Übel empfunden wird, kann für Ausgewanderte zur täglichen Herausforderung werden.

Eine Herausforderung, die auch Roger Brugger kennt. Vor sieben Jahren wanderten er, seine Frau und ihre beiden Kinder im Alter von drei und fünf Jahren nach Ruanda aus. In ein Land, das als Heimatland von Bruggers Frau der Familie bereits vertraut war. Der grosse Kulturschock blieb daher aus, doch lernen musste Brugger noch einiges. Zum Beispiel in der Kommunikation.

Hören Sie sich die vierte Folge des Podcasts «Ade merci, Schweiz» an:

«Vor allem, was man sagt und was nicht», sagt Brugger. In Ruanda wird seiner Erfahrung nach weniger offen kommuniziert als in der Schweiz, was wohl auch mit der Geschichte des Landes zusammenhängt. Brugger lernte also, zurückhaltender zu sein. «Es ist eine Form von Respekt, bei gewissen Themen nicht nachzufragen.»

Im Audio- und Video-Podcast «Ade merci, Schweiz» erhalten Sie authentische Einblicke in das Leben und die Erfahrungen von Auslandschweizer:innen. Gemeinsam mit Fachleuten geben wir Ihnen praktische Ratschläge rund ums Auswandern und Leben im Ausland, vom Auswandern mit Kindern bis hin zum Ankommen in einer neuen Sprache und Kultur. 

Den Podcast «Ade merci, Schweiz» gibt es auch auf Französisch

«Unabhängig davon, wohin man auswandert, es kommt letztlich immer auf die Kommunikation an. Darauf, wie direkt oder indirekt wir sind», sagt dazu Heike Geiling. Geiling ist Coach und interkulturelle Trainerin und hat selbst bereits in Japan, Frankreich und Belgien gelebt. In der Kommunikation gehe es darum, den Spagat zu schaffen: sich selbst treu zu bleiben und trotzdem kulturgerecht zu kommunizieren. Dazu zähle, Ungesagtes wahrzunehmen. Eine Erkenntnis, die auch Brugger in Ruanda gemacht hat.

«Hier habe ich gelernt, feinfühliger zu kommunizieren. Zum einen geht es darum, wie man etwas sagt, was man sagt, welche Fragen man stellt; zum anderen darum, was die andere Person sagt, was sie sagen will und nicht direkt sagt», sagt der Wirtschaftsprüfer.

Kulturschock in vier Phasen

Trotz guter Vorbereitung kann es nach der Ankunft im neuen Land zu einem Kulturschock kommen – einer emotionalen Reaktion auf das Leben in einer neuen, unbekannten Kultur. Dabei lassen sich laut Geiling vier Phasen unterscheiden.

«In der Honeymoon-Phase (1) ist alles aufregend und neu», sagt sie. Mit der Zeit stellt sich Normalität ein. Diese werde zwar positiv wahrgenommen, doch mit ihr komme auch Frustration (2): «Warum machen sie das hier so? Bei uns ist das besser.»

Diese Frustration hänge mit Wertvorstellungen zusammen. Und mit dem Gefühl, nicht wirklich im neuen Land angekommen zu sein. «Es fehlt die echte Verbindung. Man stellt fest, dass man keine guten Freunde, keine engen Verbindungen vor Ort hat», sagt Geiling. In dieser Phase empfiehlt die interkulturelle Trainerin, bewusst Erlebnisse zu suchen, die nur im neuen Wohnland möglich sind. In der Schweiz etwa: schnell hoch aufs Jungfraujoch. Dies helfe, das Land wieder lieben zu lernen.

Mehr

Auf die Frustrationsphase folgen die Anpassungsphase (3) und danach der Beginn der Integration (4). «Freundeskreise und Verbindungen werden aufgebaut, die Vorteile der neuen Heimat werden geschätzt», sagt Geiling.

Auch Brugger hat diese Phasen in Ruanda durchlebt. Dabei hätten ihm seine Hobbys geholfen: «Ich treibe sehr viel Sport, jogge und fahre Mountainbike. Ruanda ist das Land der tausend Hügel, ideal dafür. Und es gibt sehr gute Kräutersaunas, die mich entspannen.»

Die vierte Folge von «Ade merci, Schweiz» über kulturelle Veränderungen und Integration gibt es auch als Video-Podcast:

Die eigenen Werte kennen

Eine aufmerksame Kommunikation und gute Kenntnisse der Landessprache helfen, sich in einem neuen Land zu integrieren. Für Geiling kommt ein weiterer Punkt hinzu: die eigenen Werte zu kennen. «Wenn ich mich integrieren möchte, muss ich mich selbst finden, mich kennen und das machen, was für mich wichtig ist», sagt sie.

Wer weiss, was ihm oder ihr wichtig sei, finde leichter Menschen mit ähnlichen Interessen. Das passiere aber nicht automatisch, man müsse aktiv auf Menschen zugehen, sich verabreden. Geiling betont: «Ich muss mich nicht mit Menschen treffen, die sich mit mir zusammen ausheulen, wie schlimm es doch ist. Das zieht runter. Ich brauche Menschen, die mich ermutigen.»

Auch für Brugger war es zu Beginn nicht einfach, Anschluss in der neuen Heimat zu finden. «Es war ein wenig wie in der Schweiz, die ruandischen Freundeskreise sind bereits etabliert. Man ist gemeinsam aufgewachsen, zur Schule gegangen», erinnert er sich. Heute scheint die Integration gelungen, der Freundeskreis von ihm und seiner Frau vereine Zugezogene und Familien aus Ruanda.

Welche Songs verbinden Sie mit der Schweiz? Diese Frage stellten wir unseren Gästen und kreierten mit all den genannten «Heimweh-SongsExterner Link» folgende Playlist. Viel Vergnügen beim Reinhören! 

Externer Inhalt

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft