Biedermann und Elmiger schreiben ungewöhnliche Bestseller
Nelio Biedermann übertrumpft alle: Sein Roman "Lázár" ist 2025 der meistverkaufte Roman im Deutschschweizer Buchhandel. Auf Platz fünf folgt mit Dorothee Elmiger die Trägerin des Schweizer Buchpreises. Erfolge, die aus unterschiedlichen Gründen ungewöhnlich sind.
(Keystone-SDA) Die Nummer eins ist eine Familiensaga, eine Reise durchs 20. Jahrhundert – verfasst von einem Autor mit Jahrgang 2003: Mit «Lázár» verweist Nelio Biedermann gestandene Bestsellerautoren wie Martin Suter und Dan Brown auf die Plätze. Das zeigt die Jahresbestsellerliste des Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verbands (SBVV) der Kategorie Belletristik Hardcover.
Bemerkenswert daran ist zudem, dass «Lázár» erst Anfang September erschienen ist, sich seinen Spitzenplatz also innert vier Monaten erobert hat. Am Ende des Jahres stand Biedermann sieben Wochen lang ganz vorne in der Bestsellerliste.
Auf Platz fünf reiht sich ein abenteuerliches Buch ein, thematisch düster und formal ein Wagnis: In «Die Holländerinnen» spürt Dorothee Elmiger dem Verschwinden von zwei Touristinnen im tropischen Regenwald nach und verpackt dies in eine Nacherzählung in indirekter Rede. Zudem ist der Roman voller einzelner Erzählungen, die sich in die Rahmenhandlung einfügen. Erschienen ist er Mitte August.
Elmiger kann auf fünf Wochen zurückblicken, in denen «Die Holländerinnen» das meistverkaufte Buch seiner Kategorie war. Als erste Schweizer Autorin überhaupt hat sie im letzten Herbst vor dem Schweizer auch den Deutschen und den Bayrischen Buchpreis gewonnen. Von da an begannen «Die Holländerinnen» die Bestsellerliste hochzuklettern.
«Erfolg lässt sich nicht planen»
Nachdem Biedermanns «Lázár» am 1. September erschienen ist, waren die Medien wochenlang voll mit Porträts und Besprechungen. Auch im nahen Ausland herrschte reges Interesse am Zürcher Jungautor, der erstmals einen Roman beim prestigeträchtigen Rowohlt-Verlag in Berlin veröffentlicht. Zudem erschien «Lázár» beinahe zeitgleich in 20 Ländern.
Ist der Erfolg des Romans letztlich bloss das Ergebnis von cleverem Marketing? «Ich würde mich davor hüten, so was zu behaupten», sagt Tanja Messerli, Geschäftsführerin des SBVV, zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Biedermann habe jenes Buch geschrieben, das er schreiben wollte, und dies sei beim Publikum gut angekommen.
Nach über 30 Jahren im Buchhandel wisse sie: «Erfolg lässt sich nicht planen.» Man könne ein «Gespür» haben, aber «es ist auch sehr viel Glück dabei».
«Ein kleines Wunder»
Bei Dorothee Elmigers jüngstem Buch war ein Verkaufsschlager wohl noch schwerer abzusehen. Wie schon ihre zuvor erschienen Werke, ist «Die Holländerinnen» ein forschender Text, der Fragen offen lässt und mit Leseerwartungen bricht. Aber das Werk der 40-jährigen gebürtigen Appenzellerin, die in New York lebt, wurde von der Kritik positiv besprochen – und, wie die drei Buchpreise zeigen, auch von den Jurys geschätzt.
«Für mich ist dieses Buch ein kleines Wunder», sagt Tanja Messerli vom SBVV. «Dass so ein komprimiertes, vielschichtiges Werk weite Kreise zieht, ist ungewöhnlich.» Die Buchpreise ganz dafür verantwortlich zu machen, hält sie für zu kurz gegriffen.
«Das Buch holt viele Leserinnen und Leser ab, die es im Gespräch halten.» Während des Weihnachtsverkaufs stand «Die Holländerinnen» drei Wochen lang auf Platz 1 der Bestsellerliste.
Hohe Schweizer Vertretung
Andere Bücher, wie jene des in der Top 10 doppelt vertretenen Bündner Autors Philipp Gurt («Engadiner Teufel» und «Todesengel»), sorgen für weniger Begeisterung in der Presse, finden jedoch zuverlässig ihr Publikum. Gurt ist wie der zweitplatzierte Martin Suter («Wut und Liebe») oder die sechstplatzierte Christine Brand («Vermisst – der Fall Emily») Stammgast auf der Deutschschweizer Jahresbestsellerliste.
Wie jedes Jahr sind darauf Krimis, gerne auch mit regionalem Flair, besonders oft vertreten. Auf den vordersten zehn Plätzen finden sich insgesamt sechs Schweizer Autorinnen und Autoren und damit gleich viele wie 2024.
Mit Diogenes, Kampa und Dörlemann sind auch drei Schweizer Verlage in den Top 10 vertreten. Alle drei sind in Zürich ansässig, wobei Kampa im Jahr 2024 Dörlemann übernahm, aber weiterhin als eigene Firma führt.
«Inhaltlich sehr gutes Jahr»
Für Tanja Messerli war 2025 ein «inhaltlich sehr gutes Jahr». Das Geschäftsjahr im Buchhandel ist noch nicht ganz abgeschlossen, Messerli prognostiziert «eine schwarze Null». Angesichts der grossen Konkurrenz durch verschiedene Unterhaltungsangebote sei dies kein schlechtes Ergebnis.
Das Buch behaupte sich in der digitalisierten Gesellschaft. «Sich auszudrücken, zu schreiben, zu dichten, das ist ein Grundbedürfnis der Menschen, überall auf der Welt», so Messerli. «Gerade ihren jungen Fans können Leute wie Dorothee Elmiger und Nelio Biedermann darin Vorbilder sein.»*
*Dieser Text von Ramon Juchli, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.