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“Die Regierung hinterlässt einen schwachen Eindruck”

Keystone

Im Bundesrat fehle eine Persönlichkeit, die dem Druck auf den Finanzplatz Schweiz standhalten könne, kritisiert Christoph Blocher, Chefstratege der SVP im Interview mit swissinfo.ch. Deshalb müsse ein Finanzexperte Nachfolger von Pascal Couchepin werden.

swissinfo.ch: Welches Anforderungs-Profil sollte ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin von Bundesrat Pascal Couchepin haben?

Christoph Blocher: Er muss zur Schweiz stehen. Zur Zeit wird gegen die Schweiz ein unglaublicher Druck aufgebaut. Deshalb wäre es wichtig, dass wir jemanden hätten im Bundesrat, der von der Wirtschaft und von der Weltfinanzwirtschaft etwas verstehen würde. Damit man nicht überall nachgibt. Das fehlt zur Zeit.

swissinfo.ch: Kandidaten, welche die im Land übliche Karriere von der Gemeinde über den Kanton bis ins nationale Parlament absolviert haben, sind also nicht geeignet?

C. B.: Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber in dieser Ausnahmesituation empfehlen wir den Freisinnigen, jemanden von aussen zu bringen. Zum Beispiel den Präsidenten der Nationalbank, Jean-Pierre Roth. Er ist Romand, parteilos, könnte aber von den Freisinnigen aufgestellt werden. Hätte Chancen im Parlament. Man müsste aber auch die Departementsverteilung entsprechend vornehmen.

Ich bin ausserordentlich besorgt über das kriecherische Vorgehen des Bundesrates gegenüber dem Ausland. Ob Steuergesetze oder Bankkundengeheimnis, die Schweiz gibt ihre Position preis, bevor die Andern etwas fordern.

swissinfo.ch: Wenn die Freisinnigen nicht Herrn Roth nominieren, kommt die SVP dann mit einem eigenen Kandidaten?

C.B.: Wir lassen diese Frage offen. Die SVP wird selbstverständlich nicht jeden Kandidaten unterstützen, zumal unser Anspruch auf einen zweiten Sitz aufgrund unseres Wähleranteils ganz klar besteht.

Wenn die Freisinnigen mit einem Kandidaten kommen, der dem genannten Anforderungsprofil entspricht, setze ich mich dafür ein, dass die SVP auf einen Kandidaten verzichtet. Wenn es aber bei den üblichen Spielen bleibt, dann müssten wir mit einem eigenen Kandidaten kommen.

swissinfo.ch: Haben Sie denn in der Romandie überhaupt valable Kandidaten?

C.B.: Selbstverständlich. Aber wir könnten ja auch Herrn Roth als überparteilichen Kandidaten aufstellen. Wenn die Freisinnigen ihn nicht wollen, könnten wir ihn fragen. Zudem haben wir hervorragende eigene Kandidaten, wie den Genfer Nationalrat Yves Nidegger, den Waadtländer Nationalrat Guy Parmelin oder Nationalrat Jean François Rime, ein Unternehmer aus dem Kanton Freiburg.

Natürlich hätten Sie nicht vollumfänglich das ausserordentliche Profil des Nationalbankpräsidenten, aber Herr Nidegger könnte sich als international tätiger Anwalt kompetent und unverzüglich einarbeiten.

swissinfo.ch: Die SVP verhält sich seit dem Rücktritt von Bundesrat Couchepin zurückhaltender, als auch schon. Wieso sind Sie diesmal nicht so stark im Agenda-Setting?

C.B.: Alles zu seiner Zeit: Man muss nicht immer Agenda-Setting betreiben, es gibt auch Zeiten, in denen Abwarten das Richtige ist.

Es ist klar, dass die CVP, die ja nie mit offenen Karten spielt, bereits ein Päckli gemacht hat mit den Sozialdemokraten und den Grünen für eine Mitte-Links-Regierung. Alles deutet darauf hin.

Wir wissen, dass wenn wir einen Kandidaten aufstellen und die Freisinnigen auch einen Kandidaten aufstellen, dann wird mit Sicherheit ein linker Christdemokrat gewählt. Die CVP am Gängelband der Linken!

swissinfo.ch: Was ist, wenn die Freisinnigen diesmal mit dem Tessiner Fulvio Pelli kommen?

C.B.: Ich will mich nicht über Personen äussern, aber die Frage ist, wer das Profil hat, und dafür sorgen kann, dass der Bundesrat endlich wieder zur Schweiz steht.

swissinfo.ch: Würden Sie auch einen CVP-Kandidaten wählen?

C.B.: Die CVP könnte ja ebenfalls Herrn Roth anfragen. – Im Ernst: Wir müssen jetzt mal ausbrechen aus diesem Regierungsspielchen. Es geht um die Schweiz und es geht darum, dass die Schweiz ihre Position verteidigt. Hier hinterlässt der Bundesrat zurzeit einen sehr schwachen Eindruck.
Wichtig ist nur, dass wer jemanden zur Wahl portiert, diesen dann auch trägt als seinen Bundesrat!

swissinfo.ch: Die UBS hat sich in den USA mindestens am Rande der Illegalität verhalten. Was hätte der Bundesrat denn anders machen sollen in der Problematik der Klagen gegen die UBS?

C.B. Wer illegale Sachen macht, der muss bestraft werden, da gibt es nichts zu rütteln. Das wäre aber Sache der UBS und nicht der Schweiz. Im weiteren müssen wir eine Strategie anbieten, die es der Schweiz ermöglicht, weiterhin ausländische Bankkunden zu bedienen, ohne kriminalisiert zu werden.

Dies könnte z. B. eine umfassende Quellensteuer für ausländische Anleger sein. Das muss man durchsetzten, denn das wollen die Amerikaner nicht, weil viel Schwarzgeld in Amerika liegen soll. Man muss die doppelzüngigen Argumente aufdecken, aber die Schweiz muss mit glaubwürdigen Argumenten kämpfen.

swissinfo.ch: Wie hätten Sie denn reagiert, als die Schweiz im April auf die graue Liste der OECD kam?

C.B. Erstens: Ob die Schweiz auf einer weissen, einer roten oder einer grauen Liste steht, ist nicht massgebend. Zweites ist nie eine graue Liste von der OECD beschlossen worden. Die G20, also andere Staaten, haben die Liste beschlossen.

Wir waren Gründungsmitglied der OECD. Mitglied sind wir unter der Bedingung, dass es nur einstimmige Beschlüsse geben kann. Solche Beschlüsse gibt es nicht.
Gleichzeitig wäre das Bankkundengeheimnis zu erklären und zu verteidigen. Heute geschieht nicht einmal das. Man sagt einfach, das Ausland verstehe das nicht. Wie soll das Ausland das verstehen, wenn man es nicht einmal erklärt?

Andreas Keiser, swissinfo.ch

SVP: 65 Sitze (28,9% Wählerstimmen 2007)
SP: 51 Sitze (19,5 %)
FDP: 47 Sitze (17,7 %)
CVP: 47 Sitze (14,5 %)/52 Sitze in der Fraktion dank zwei Kleinstparteien
Grüne: 24 Sitze (9,8 %)
BDP: 6 Sitze

1959-2003
Das Zeitalter der Zauberformel: 2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 SVP

2003
Am 10. Dezember wählt das Parlament SVP-Nationalrat Christoph Blocher anstelle der bisherigen CVP-Vertreterin Ruth Metzler in den Bundesrat.

2004-2007
Neue “Zauberformel”: 2 SVP, 2 FDP, 2 PS, 1 CVP

2007
Am 12. Dezember wird Christoph Blocher nicht im Amt bestätigt. An seiner Stelle wird Eveline Widmer-Schlumpf (SVP) gewählt.

2008
Die SVP geht daraufhin in die Opposition und anerkennt Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf nicht als Bundesräte der eigenen Partei. Beide Bundesräte treten aus der SVP aus und werden Mitglieder der neugegründeten Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP).

Bundesrat: 2 SP, 2 FDP, 2 BDP, 1 CVP

Am 10. Dezember Dezember wird Ueli Maurer (SVP) anstelle des zurückgetretenen Samuel Schmid (BDP) gewählt.

2009
Bundesrat: 2 SP, 2 FDP, 1 CVP, 1 SVP, 1 BDP

Am 16. September muss das Parlament einen Ersatz für den zurückgetretenen Bundesrat Pascal Couchepin (FDP) wählen.

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