
Commerzbank zieht wegen Marktturbulenzen Ziele in Zweifel (2. AF)
(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz, Eurohypo, HGB)
FRANKFURT (awp international) – Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen haben der Commerzbank im zweiten Quartal einen herben Gewinneinbruch eingebrockt. Der Überschuss sank von 352 Millionen Euro vor einem Jahr auf 24 Millionen Euro, wie die Bank am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Nach wie vor hat die zweitgrösste deutsche Privatbank Milliarden in den Euro-Krisenstaaten im Feuer, und angesichts der Markt-Turbulenzen zieht das teilverstaatlichte Institut seine Gewinnprognose für 2011 in Zweifel. Ausgerechnet jetzt kündigt Finanzvorstand Eric Strutz an, im kommenden Frühjahr von Bord zu gehen.
Die Bank schrieb 760 Millionen Euro auf seine gesamten griechischen Staatsanleihen ab. Das entspricht einer Wertberichtigung von 25 Prozent, wie der Finanzchef erläuterte. Damit trifft die Bank eine grössere Vorsorge als eigentlich laut Griechenland-Rettungspaket nötig. Die europäische Finanzbranche will dazu nach eigenen Angaben bis zu 135 Milliarden Euro beitragen, in dem sie griechische Staatsanleihen mit einer Fälligkeit bis Ende 2020 in neue Papiere mit längeren Laufzeiten tauscht und dafür Abschläge in Kauf nimmt, die sich auf 21 Prozent belaufen sollen. Das Problem der Commerzbank ist, dass ihre Anleihen länger laufen. Sie stehen nun noch mit 2,2 Milliarden Euro in den Büchern.
ENGAGEMENT IN KRISENLÄNDERN NUR LEICHT ABGEBAUT
Insgesamt baute die Bank zwischen Ende März und Ende Juni ihr Engagement in den Euro-Krisenländern nur leicht ab, wie aus der Halbjahresbilanz hervorgeht. Demnach hat sie allein 8,7 Milliarden Euro in italienischen Staatsanleihen angelegt. Das Institut ist damit noch wesentlich stärker in den Schuldenstaaten engagiert als die Deutsche Bank . Der Branchenprimus hatte sein Engagement im ersten Halbjahr um 70 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro heruntergefahren. Insbesondere bei der Commerzbank-Tochter Eurohypo geht der Abbau langsamer voran, weil die Anleihen längerfristig gebunden sind.
Die Commerzbank hat auch kaum Hoffnung, ihre verlustreiche Immobilienfinanzierungstochter schnell verkaufen zu können. «Es ist im derzeitigen Umfeld ein schwer verkäufliches Asset», sagte Finanzvorstand Strutz. Es werde nur wenige Bieter geben, die die nötigen finanziellen Mittel mitbrächten, um die Risiken der Eurohypo schultern zu können. Auf Geheiss der EU muss sich der Konzern eigentlich bis Ende 2014 von der Tochter trennen.
GESCHÄFT DER KERNBANK LÄUFT ‚SUPER‘
Das Geschäft der Kernbank – dazu zählt das Management das Privatkundengeschäft, die Mittelstandsbank, die Osteuropa-Sparte und das Investmentbanking – entwickelte sich im zweiten Quartal positiv. Die Mittelstandsbank erzielte mit einem operativen Ergebnis von 501 Millionen Euro (plus 29 Prozent) erneut den grössten Ergebnisbeitrag im Konzern. Ihre Rückstellungen für faule Kredite konnte die Bank weiter reduzieren. Im Gesamtjahr rechnet sie jetzt nur noch mit einer Risikovorsorge von 1,8 Milliarden Euro nach ursprünglich erwarteten 2,3 Milliarden Euro.
Angesichts der heftigen Marktturbulenzen sieht das Geldinstitut allerdings seine Gewinnprognose für den Konzern in Gefahr. Zwar sei die Kernbank «super unterwegs». Die Ergebnisentwicklung des Gesamtkonzerns – zu dem neben der Eurohypo etwa eine hauseigene Bad Bank gehört – werde aber entscheidend davon abhängen, dass die europäischen Staatsschuldenkrise gelöst werde.
HGB-GEWINNZIEL STEHT
Trotz der Unsicherheiten rechnet Strutz weiter damit, dass die Commerzbank im Einzelabschluss nach Handelsgesetzbuch (HGB) 2011 schwarze Zahlen ausweist. Damit kann der Bund auf Zinszahlungen auf den Rest der geliehenen Steuergelder hoffen. Nach einer Mega-Kapitalerhöhung hat die Bank bereits 14,3 Milliarden der noch 16,2 Milliarden Euro direkten Staatshilfen zurückgezahlt.
Mitten in diesen turbulenten Zeiten muss sich die Commerzbank einen neuen Finanzchef suchen. Strutz, der sich an den Kapitalmärkten als Finanzexperte einen guten Ruf erworben hatte, wird seinen im März 2012 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Der 46-Jährige will mehr Zeit für seine Familie haben und «eine Art Sabbatical» einlegen. «Wie die Strategie für die zweite Halbzeit aussieht, legt man erst in der Kabine fest», sagte Strutz auf die Frage, was er nach dem Ende der Auszeit plant. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.
AKTIE LEGT ZU
An der Börse legte die Commerzbank-Aktie in einem freundlichen Umfeld zu. Kurz nach Handelsbeginn gehörte sie mit einem Plus von knapp sieben Prozent auf 2,274 Euro zu den besten Werten im Dax , musste dann aber wieder etwas abgeben. Das Papier gehört im bisherigen Jahresverlauf unter anderem wegen der Kapitalerhöhung zu den grössten Verlierern im deutschen Leitindex./enl/mar/stw/wiz