The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Mehr Respekt für die Genfer Konventionen

Israelische Soldaten auf Patrouille in der Altstadt von Jerusalem. Keystone Archive

Delegationen aus 114 Staaten haben in Genf die Anwendung des humanitären Völkerrechts in den besetzten Gebieten bekräftigt. Die Schweiz sprach von einem "wichtigen politischen Signal".

Zum Abschluss der Konferenz vom Mittwoch wurden Israel und die Palästinenser aufgerufen, umgehend auf Brutalität und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu verzichten.

Die Konferenz-Teilnehmer appellierten an Israel, auf vorsätzliche Tötungen, Folter sowie auf die extensive Zerstörung von Eigentum zu verzichten. Auch Kollektiv-Strafen seien ein Verstoss gegen den in der vierten Genfer Konvention geregelten Schutz der Zivilbevölkerung.

In der im Konsens-Verfahren angenommenen Abschluss-Erklärung wird Israel als Besatzungsmacht und die jüdischen Siedlungen in den Palästinenser-Gebieten als illegal bezeichnet.

«Besetzte» oder «umstrittene» Gebiete

Trotz der jüngsten Eskalation der Gewalt im Nahen Osten und obschon Israel und die USA (sowie Australien) die Konferenz boykottierten, hatte die Schweiz auf der Durchführung des Treffens beharrt. Im Zentrum der Konferenz stand die vierte Genfer Konvention, die den Schutz der Zivil-Bevölkerung in besetzten Gebieten regelt.

Die Konvention verbietet vor allem die Besiedlung von besetztem Land, Deportationen, Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und Kollektiv-Strafen.

Israel hatte die Konferenz boykottiert, weil es sich auf den Standpunkt stellt, dass die palästinensischen Gebiete nicht «besetzt» sondern «umstritten» seien. Daher sei die vierte Konvention in diesem Fall auch nicht anwendbar. Für diese Einstellung hatte die Konferenz kein Gehör, wie aus Kreisen der Delegationen verlautete.

Der palästinensische Vertreter bei der UNO in Genf, Nabil Ramlawi, bekräftigte das Recht der Palästinenser, gegen die israelische Besatzung auch gewaltsam Widerstand zu leisten.

Auch gegen Terrorismus

Der Schweizer Konferenzleiter, Botschafter Peter Maurer, sprach nach der Konferenz von einem wichtigen politischen Signal, das längerfristig nicht ignoriert werden könne. «Es handelt sich um eine ausgeglichene Erklärung. Sie ruft nur das Recht in Erinnerung, das zur Anwendung kommen muss, nichts als das Recht.»

Der Schweizer Diplomat unterstrich zudem, dass alle zivilen Personen geschützt werden müssten. Egal ob Israeli, Palästinenser oder andere. Denn: die vierte Genfer Konvention verbiete unterschiedslose Gewaltanwendung. «Einen Laden in Jerusalem in die Luft zu sprengen» sei ein schwerwiegender Verstoss gegen die Konvention, betonte er. Anders als von Israel interpretiert «verbietet die Konvention auch Terror-Akte».

Politischer Druck

Die Erklärung sieht vor, dass die Vertrags-Staaten Umsetzung und Einhaltung der Konvention gewährleisten; Details werden offen gelassen. «Ich kann mir vorstellen, dass der politische Druck zur Anwendung der vierten Genfer Konvention in den besetzten Gebieten nun stärker wird», erklärte Peter Maurer.

Die USA und Israel hätten mit ihrem Boykott der Konferenz eine Chance verpasst. «Ich finde es schade, dass sie sich diesem Prozess nicht angeschlossen haben», erklärte Peter Maurer. Der Schweiz war sehr daran gelegen, dass das Treffen nicht zu einem anti-israelischen Forum verkam. Mit dazu beigetragen hat, dass es hinter verschlossenen Türen stattfand, nur gerade zweieinhalb Stunden dauerte und es auch keine Debatte gab.

Israels Botschafter Jaakov Levy bezeichnete die Konferenz als sinnlose Übung und sprach von Missbrauch eines humanitären Instruments. Die einseitige Abschlusserklärung enthalte unbegründete Vorwürfe gegen Israel. Sein Land müsse sich gegen als Zivilisten maskierte Terroristen verteidigen. Mitunter seien auch einige Zivilisten betroffen.

«Besetzung Katalysator für Gewalt»

Die Menschenrechts-Kommissarin der UNO, Mary Robinson», sagte, sowohl Israels Politik der gezielten Tötungen als auch die Anschläge von Palästinensern auf Israelis verstiessen gegen das humanitäre Völkerrecht. Die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten bezeichnete Mary Robinson als «Katalysator für die Gewalt».

Zudem sprach sich Mary Robinson erneut für internationale Beobachter in den Palästinenser-Gebieten aus. Sie rief in Erinnerung, dass seit September 2000 mehr als 830 Palästinenser – darunter immer mehr auch Kinder – getötet und 16’500 verletzt worden seien. Im selben Zeitraum seien 230 Israeli getötet worden. Auf beiden Seiten seien die Opfer vor allem Zivilpersonen gewesen.

Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und das UNO-Hilfswerk für Palästina (UNWRA) zeichneten ein Bild der Krise in den Palästinenser-Gebieten. Ausgangssperren und die Abriegelung von Städten und Dörfern wurden als Desaster für die palästinensische Bevölkerung bezeichnet.

Die Konferenz war von der UNO-Generalversammlung verlangt und von der Schweiz als Depositärstaat der Genfer Konventionen organisiert worden. Eine ähnliche Konferenz hatte schon im Juli 1999 stattgefunden – und damals nur wenige Minuten gedauert.

Dass das Treffen vom Mittwoch nun trotz der neuen Gewalt-Eskalation durchgeführt werden konnte, darf als Erfolg für die Schweizer Diplomatie bezeichnet werden. Ob das Treffen zum Präzedenz-Fall für ähnliche Treffen zu Verstössen gegen die Genfer Konventionen in andern Teilen der Welt wird, scheint jedoch vorerst eher fragwürdig.

Rita Emch und Roy Probert

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft