
Sterbehilfe: In den Niederlanden legal – bald auch in der Schweiz?

Das niederländische Parlament hat am Dienstag (11.04.) die aktive Sterbehilfe gesetzlich erlaubt. Tausende demonstrierten gegen den Entscheid, der eine Praxis legalisiert, die seit Jahren Sterbehilfe toleriert. In der Schweiz wird der Beschluss wenig Auswirkung haben.
Der Entscheid des Senats in Den Haag fiel 46 zu 28 Stimmen, während vor dem Parlamentsgebäude rund zehntausend Personen erfolglos gegen die Legalisierung der Sterbehilfe demonstrierten. Der Ausgang der Abstimmung war vorhersehbar, denn seit 1990 wurde aktive Sterbehilfe in den Niederlanden toleriert, und für Ärzte galt Straffreiheit.
Wenn sich auch in der Handhabung wenig ändert, wurde die bisherige Praxis jetzt aber im Gesetz verankert. Bedingung ist allerdings, dass die Patientin oder der Patient aktive Sterbehilfe ausdrücklich wünscht und dadurch kein unerträgliches Leiden ohne Aussicht auf Besserung erdulden muss. Zudem muss jeder Fall der Sterbehilfe nachträglich den Behörden gemeldet werden. Dort wird jeder Fall von einer Dreier-Kommission aus Arzt, Ethikexperten und Juristen abschliessend beurteilt.
Reaktionen in der Schweiz
Der Entscheid des niederländischen Parlamentes hat auch in der Schweiz Reaktionen ausgelöst. «Niemand sollte absichtlich ein Leben beenden», sagte Marc Aellen, Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) gegenüber swissinfo. Die SBK würde lieber auf eine Behandlung setzen, bei der Schmerzen Schwerstkranker mit starken Schmerzmitteln besänftigt werden sollen.
Die Sterbehilfeorganisation Exit begrüsst den Entscheid: «Es ist gut, dass die Sterbehilfe gesetzlich klar geregelt wurde. Allerdings bemängeln wir, dass allein der Arzt entscheiden muss», sagte Exit-Sprecher Michael Brücker gegenüber swissinfo.
«Der Entscheid hat keine grosse Signalwirkung für die Schweiz, ähnliche Modelle sind bereits in Diskussion», erläutert Ewald Weibel, ehemaliger Präsident der «Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften» (SAMW). Diese erachtet die niederländische Lösung als nicht opportun für die Schweiz. Stattdessen fordert die SAMW ein Moratorium, in dem Grundlagen für eine Gesetzesänderung erarbeitet werden sollen.
Kommissions-Lösung schwierig
Exit wie auch die SAMW kritisieren, dass eine Kommission die Sterbehilfe im Nachhinein absegnen muss. «Zwei Wochen nach dem Tod nützt ein negativer Entscheid nichts mehr», kommentiert Exit-Sprecher Brücker. «Diese Regelung bringt mehr Belastung für die Ärzte», meint Weibel.
Beide Organisationen verweisen dabei auf die Motion Ruffy aus dem Jahr 1994, welche die aktive Sterbehilfe fordert. Diese wurde vom Bundesrat vor einem Jahr abgelehnt und zwar im Widerspruch zur vorberatenden Kommission. Franco Cavalli, Krebsspezialist und SP-Fraktionschef, warf dem Bundesrat damals vor, er versuche eine vertiefte nationale Debatte zu verhindern. Bevor diese anläuft, wird sich nichts ändern.
Die Sterbehelfer von Exit sehen zwar Handlungsbedarf, sind aber mit der gegenwärtigen Schweizer Praxis nicht allzu unglücklich. Brücker: «Heute braucht es ein Arztzeugnis und eine Arztrezept, der Rest ist Sache von Laien. Das ist gut so, denn die Aufgabe der Ärzte soll die Erhaltung von Leben bleiben.»
Philippe Kropf

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