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Frauen verlieren bei Scheidung 38 Prozent ihres Einkommens

Scheidung symbolbild
Im Durchschnitt sinkt das Einkommen von Müttern mit minderjährigen Kindern in den zwei Jahren nach der Trennung um 38 Prozent, bei Vätern dagegen nur um 3 Prozent. KEYSTONE/DPA/Karl-Josef Hildenbrand

In der Schweiz lassen sich 40 Prozent der verheirateten Paare scheiden, das ist doppelt so viel wie in den 1970er-Jahren. Scheidungen sind damit nichts Aussergewöhnliches mehr – eine gerechte Verteilung der wirtschaftlichen Folgen auf Mann und Frau hingegen schon.

Eine Scheidung ist oft nicht nur emotional ein belastendes Thema für die Betroffenen, es hat teils auch starke wirtschaftliche Auswirkungen. Vor allem auf die Frauen, wie jetzt eine Studie der Berner Fachhochschule belegt. Im Durchschnitt sinkt das Einkommen von Müttern mit minderjährigen Kindern in den zwei Jahren nach der Trennung um 38 Prozent, bei Vätern dagegen nur um 3 Prozent.

RTS-Reportage zu den finanziellen Folgen einer Scheidung

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Diese Diskrepanz lässt sich laut der Studie durch drei Hauptfaktoren erklären: den Verlust des Haupteinkommens, das oft vom Mann stammt, die Kinderbetreuung, die mehrheitlich bei den Frauen liegt und deren finanzielle Bedürfnisse erhöht, sowie die Tatsache, dass Männer sich schneller wieder in einer Partnerschaft befinden und somit von einem neuen gemeinsamen Einkommen profitieren. Die Folge: Eine von zehn geschiedenen Müttern ist auf Sozialhilfe angewiesen, bei Männern ist es einer von dreissig.

«Das System begünstigt die Ungleichheit»

Sabrina Burgat, Anwältin und Professorin für Familienrecht an der Universität Neuenburg, stellt in ihrer Kanzlei fest, dass die Rollenverteilung hierzulande noch immer sehr traditionell ist. «Das klassischste Szenario ist ein Mann, der zu 100 oder 90 Prozent arbeitet, und eine Frau, die Teilzeit arbeitet, maximal 50 Prozent.» Diese Konstellation, die während der Ehe funktionieren könne, werde bei einer Trennung problematisch: «Man kommt gut zurecht, man kann sich Ferien leisten, aber am Ende des Monats bleiben nie 2000 Franken auf dem Konto übrig.» Doch im Moment der Scheidung brauche man genau diese 2000 Franken zusätzlich, um Dinge wie die Miete zu bezahlen.

Für Burgat manifestiert das System selbst diese Ungleichheit. Sie setzt sich für gesellschaftliche Lösungen ein, um dieser Verarmung vorzubeugen. Darunter fallen ein Vaterschaftsurlaub, der dem Mutterschaftsurlaub gleichwertig ist, sowie bezahlbare und ausreichende Kinderbetreuungseinrichtungen.

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Die gegenteiligen Beispiele

Doch nicht alle Geschiedenen passen in dieses Schema. So wie Julien Dura, 56 Jahre alt, vierfacher Vater und Pflegeassistent. Er hat ein monatliches Minus von bis zu 500 Franken. Dazu kommen Schulden von rund 121’000 Franken, die den Waadtländer verzweifeln lassen: «Ich glaube nicht, dass ich das je werde zurückzahlen können.»

Im Gegensatz dazu ist Pauline de Haas, 40, Mutter eines fünfjährigen Kindes, ein Beispiel für eine finanziell unabhängige Frau. Bereits vor der Scheidung verdiente sie mit ihrer Vollzeitstelle im humanitären Bereich mehr als ihr Mann. Nach der Trennung erhöhten sich ihre Ausgaben um 39 Prozent. Wie sie selbst sagt, könne sie das bewältigen, aber nur durch strikte Budgetplanung.

Um die wirtschaftlichen Folgen einer Scheidung abzumildern, sollten laut der Professorin für Familienrecht, Sabrina Burgat, grundsätzlich beide Eheleute ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahren.

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