Kühler Fendant, gebratene Heuschrecken

Auch nach sechs Jahren auslandschweizerischer Herausforderung zieht es den Luxushotelier Marc Aeberhard in keiner Weise in die Heimat zurück.
Wenn es im Hotel nicht klappt und vieles fehlt, was eigentlich vorhanden sein sollte, fühlt er sich erst so richtig im Element.
«Alles, was einen früher, als man noch in der Schweiz lebte, jeweils derart geärgert hat, freut einen jetzt», gibt Marc Aeberhard nach sechs Jahren Dasein als Auslandschweizer zu. «Du machst Frieden mit der Schweiz», sagt er halb scherzend, halb im Ernst.
Schweizbild: zu verklärt
«Eine Reise zur Schweizer Botschaft wird zur Pilgerfahrt in Richtung Schweizer Fahne», erinnert er sich an seine Zeit in Thailand.
«Und wenn dann der Chargé d’affaires noch eine gekühlte Flasche Fendant öffnet, ist die Welt wieder in Ordnung», so Aeberhard. «Besonders in Bangkok, wo es derweil unten auf der Gasse nach frisch gebratenen Heuschrecken
riecht…» Der Berner Marc Aeberhard, Betriebswirt der Uni Bern und diplomierter Hotelier der bekannten Lausanner Hotelfachschule, hat schon seine ersten zehn Jahre als Kind in Teheran verbracht, da schon sein Vater Auslandschweizer war. «Aus dieser Zeit blieb mir ein etwas verklärtes Bild der Heimat», sagt er.
Die Eröffnung als Kick
In der Tourismus- und Hotelbranche hat sich Aeberhard inzwischen den Namen eines Hotel-Lancierers, eines so genannten Opening-Spezialisten gemacht.
«Die Eröffnungsphase beim Hotel ist mein Kick!», sagt er. «Zu diesem Zeitpunkt sind die Prozeduren noch nicht eingefahren. Nach einem Jahr
laufenden Betriebs breitet sich dann Routine aus, und für mich wird es oft langweilig.» Zur Eröffnungsphase gehören auch Risiken. In Thailand wollte er, um die Qualität der Bedienung zu fördern, das Servicepersonal durch eine Haus-Degustation mit der internationalen Weinkarte bekannt machen.
«Es war ein totales Fiasko. Bereits nach drei Schlücken Wein kicherten alle nur noch vor sich hin», erinnert er sich. «Wir mussten die Weinprobe sofort abbrechen, sonst hätten wir das Hotel für den Rest des Tages gleich schliessen können.»
Auf den Malediven dann fand sich der Auslandschweizer vor anderen kniffligen Aufgabenstellungen: «Das Ferien-Ressort erstreckte sich über
1,5 Kilometer – eine Reihenfolge von luxuriösen Pfahlhütten, mit nur einer zentralen Küche auf der Hauptinsel.
In diesem Klima macht auch der frischeste Salat, über eine solche Entfernung transportiert, schlapp. Und jedes Schnitzel wird gummig, besonders zur Monsunzeit, wenn es warm regnet», musste Aeberhard erst selbst erfahren.
Schwimmende Küche
Als kreativer Schweizer funktionierte er darauf ein altes Alu-Boot zur schwimmenden Küche um.
Nur: «Das Boot durfte wegen der Ebbe keinen Tiefgang haben. Dies fanden wir allerdings erst
nachträglich heraus, als wir beim Kochen auf Sand aufliefen und fast kippten.»
Letzten Frühling übernahm Aeberhard nach dem Tsunami den Wiederaufbau des Island Hideaways in Dhonakulhi, ebenfalls auf den Malediven. «Nicht nur war das Hotelkader davon gelaufen. Es gab auch viel böses Blut wegen der Hilfsorganisationen und der Regierung», ärgert er sich heute noch.
So sei ein ganzer Jumbo voller Gummistiefel, Wolldecken und Anoraks angeliefert worden – bei konstanten 30 Grad-Temperaturen nicht das Wahre. Dafür fehle es, bis heute an Baumaterial, Holz, Wellblech, Werkzeug, Zement und dergleichen.
«Ich möchte mit der Schweizer Qualitäts-Hotellerie dort anknüpfen, wo sie vor 50 Jahren aufhörte», sagt Aeberhard.
Kein Swiss Chalet im Wüstensand
Seine Swissness bestehe deshalb gewiss nicht aus einem Swiss Chalet, das man in Dubai in den Sand stelle.
Es gehe bei seiner Swissness vielmehr um gewisse Schweizer Tugenden im Bereich Fachwissen, Geschäftssinn und Organisation.
Besonders spannend sei die Kreation von Luxus-Service in der Dritten Welt. Laut Aeberhard ist es ein Privileg, als Schweizer an diesen aufstrebenden Volkswirtschaften mit zu partizipieren.
Doch im Service und der Organisation gebe es in Drittweltländern noch Lücken.
Da ergänze sich der Schweizer Sinn mit der lokalen Dienstbereitschaft.
swissinfo, Alexander Künzle
Marc Aeberhards Schweizer Definition von Luxus:
Luxus wird nicht mehr durch eine ausgezeichnete Ausstattung erreicht.
Luxus besteht in speziellen Dienstleistungen, die der Kundschaft das Leben bequemer machen und Zeit und Mühe einsparen.
Luxus ist die Kombination von persönlich gehaltener Dienstleistung, Vor-Organisation und lokaler Gastfreundlichkeit.
Etappen des Hoteleröffnungs-Spezialisten Aeberhard im Luxussegment:
Eröffnung und Markteinführung des kleinsten 5-Stern-Hotels der Schweiz: Stadthaus in Burgdorf (durchschnittlicher Zimmerpreis: 250 Fr.)
Ein Jahr Thailand, Amari Hotels (120 Fr.).
Zwei Jahre Malediven, Insel-Resort Soneva-Gili (800 Fr.).
Ein Jahr Thalassa Bade-Hotel, Zypern (600 Fr.)
Wiederaufbau des vom Tsunami zerstörten Island Hideaway, Dhonakulhi, Malediven.

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