Professioneller Drill

Mehr als tausend touristisch interessierte Junge pilgern jährlich in die Schweiz. Nicht wegen der Landschaft oder auf der Suche nach Abenteuer, sondern für eine Ausbildung im Hotelfach.
Die Schweiz gilt nicht nur als Urlaubs-Destination, sondern auch als Reiseziel für Leute, die sich in der Tourismus- und Hotel-Branche ausbilden wollen.
Soeben hat der Verein schweizerischer Hotel- und Restaurantfachschulen (VSHR) seine jüngsten Zahlen veröffentlicht. 1136 junge Leute studierten im Herbst 2001 an der «Ecole Hôtelière de Lausanne». 535 besuchten die «Glion Hotel School» und 547 die «Swiss Hotel Association Hotel Management School ‹Les Roches'» – um nur die grössten Ausbildungsstätten zu nennen.
Zentraler Punkt in vielen der Schulen: «Nur etwa ein Viertel der Schüler und Studenten stammen aus der Schweiz», sagt Martin Kisseleff, Präsident des VSHR und ebenfalls Leiter einer Hotelfachausbildung.
Die Liste der Herkunftsländer reicht um den ganzen Globus. Auffällig zahlreich sind – neben Leuten aus Europa – vor allem Studierende aus China. Daneben scheint die Schweiz auch attraktiv zu sein für Nordafrikaner, Koreanerinnen, Inder und Indonesierinnen – und selbst für Personen aus den USA. Alles Länder, die selbst bedeutende Tourismusumsätze aufbauen wollen.
Tradition seit über 100 Jahren
Das grosse Interesse habe Tradition, erklärt Kisseleff. «Die erste Hotelfachschule der Welt wurde vor über 100 Jahren in der Schweiz gegründet.» Zudem konzentrierten sich diese Schulen heute – grösstenteils mit Unterricht in englischer Sprache – auf internationale Kundschaft.
Insgesamt nehmen die Schülerzahlen an den Schweizer Ausbildungsstätten zu. Zurückzuführen ist dies ausschliesslich auf mehr Ausländerinnen und Ausländer. Obgleich die Schweizer Spitzen-Hotellerie nicht nur gute Schlagzeilen hat – Stichwort Preise und Qualität – scheint der Run auf die hiesigen Ausbildungen ungebrochen.
Eiserne Disziplin
Dabei geht es bei weitem nicht nur locker zu und her – gelernt werden müssen in den Schulen nicht bloss das Managen von Unternehmen. Abwaschmaschine füllen, Böden und Zimmer putzen – all dies gehört für viele auch zur Ausbildung.
In den Internats-ähnlichen Ausbildungen wird häufig sogar 24-Stunden am Tag Disziplin und Ordnung verlangt. «Professionalität» nennt das Martin Kisseleff: Gerade die jungen Schüler hätten mit dem freien Leben und der Eigenverantwortung noch Mühe. «Auch in unserer eigenen Schule geht es vor allem im ersten Jahr mit relativ viel Drill zu und her», erzählt er.
Auf der Internetseite des Verbandes erinnern sich verschiedene Ehemalige an eine «harte» Ausbildung. Allerdings kommen sie – rückblickend aus der Sicht von Managern – zum Schluss, dass sie dafür einen vollständigen Einblick in die Berufsfelder der Gastronomie bekommen hätten.
Kampf gegen schwarze Schafe
«Wolken über dem Tourismusland Schweiz: Studenten aus China klagen über Hotelfachschulen» – so allerdings der Titel im Herbst 2000 beispielsweise in der «Neuen Zürcher Zeitung».
Nicht nur schweizerische und chinesische, sondern auch verschiedene ausländische Medien griffen die Reklamation auf: Sie seien mit verheissungsvollen Prospekten angelockt worden, für viel Geld werde aber wenig Unterricht und schlechte Unterkunft geboten, so die Kritik der Studierenden.
Pfiffige Geschäftemacher hatten seit Jahren eine Marktlücke entdeckt: Privatschulen unterstehen in der Schweiz keiner Kontrolle, jeder kann sich in den Traditions-Orten am Genfer- oder am Vierwaldstättersee ein Haus mieten, schöne Prospekte drucken und den Absolventinnen und Absolventen der Ausbildung ein Diplom anbieten, das nur das Papier wert ist, auf das es gedruckt ist.
Der VSHR kämpft gegen diese Praxis an – so sind beispielsweise auf der Homepage Kriterien aufgeführt, die gute Ausbildungsstätten erfüllen müssen. Zudem gibt es eine Zusammenarbeit mit den Botschaften in verschiedenen Ländern. «Dort sind wir präsent, die Botschafts-Angestellten wissen, was sie rausgeben müssen, damit sich Interessierte richtig informieren können.»
Eva Herrmann

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