Der Menschenrechtsrat in Genf tagt inmitten einer Budgetkrise – und kürzt die Redezeiten
Vor dem Hintergrund starker geopolitischer Spannungen beginnt das wichtigste UNO-Gremium für Menschenrechte in Genf seine letzte Sitzung des Jahres. Der Spardruck der Vereinten Nationen verändert die Regeln der Debatte und – so die Befürchtungen – spielt autoritären Staaten in die Hände.
Am Montag hat der Menschenrechtsrat seine letzte Sitzung des Jahres begonnen. Noch bis zum 8. Oktober befassen sich die 47 Mitgliedstaaten des UNO-Gremiums, das weltweit für die Förderung und Verteidigung der Menschenrechte zuständig ist, in Genf mit einer langen Liste von Themen.
Die Sitzung findet in einem angespannten geopolitischen Kontext statt, der von Kriegen geprägt ist, namentlich in Gaza, der Ukraine und im Sudan. Hinzu kommen die Finanzkrise der UNO und die Reformvorhaben, welche die Arbeit des Rats beeinträchtigen.
«Wir werden das gesamte Programm abdecken, aber effizienter und schneller», kündigte der Schweizer Botschafter Jürg Lauber an, der in diesem Jahr den Vorsitz im Menschenrechtsrat innehat.
Um die Dauer der Sitzung zu verkürzen und somit Kosten zu sparen, werden wie schon bei der letzten Sitzung im Juni die Redezeiten und die Anzahl der Delegationen reduziert, die sich zu Wort melden können.
Die Liquiditätskrise der UNO
Bis Anfang September hatten erst 124 der 193 UNO-Mitgliedstaaten ihren jährlichen Beitrag zum regulären Haushalt der Organisation vollständig geleistet. Dazu gehören weder die Vereinigten Staaten noch China, die beiden grössten Geberländer. Einige befürchten, dass Washington seinen Anteil schlicht nicht leisten wird.
Wie auch in anderen Bereichen des UNO-Systems, dessen Ausgaben um etwa 20% gekürzt werden sollen, muss der Menschenrechtsrat Einsparungen vornehmen. Dies hat Auswirkungen auf die Organisation seiner Sitzungen sowie auf die Erfüllung seiner Mandate.
So konnte beispielsweise eine zu Beginn des Jahres beschlossene Untersuchungskommission betreffend die Demokratische Republik Kongo aufgrund fehlender Mittel bis jetzt noch nicht eingesetzt werden.
Auf die Frage nach den Auswirkungen der Kürzungen sagte Lauber, er habe «gemischte Gefühle». Zwar begrüsse er die Bemühungen der Delegationen, «die Effizienz des Rats zu verbessern».
Er betonte jedoch, dass «die Massnahmen zur Einschränkung des Zugangs zum Rat im Widerspruch zu dem stehen, was ich mir wünschen würde, nämlich mehr Diplomatie».
Er fügte hinzu: «Die Zahl der Aktivitäten und Mandate des Menschenrechtsrats hat stetig zugenommen, aber dafür gibt es einen Grund: Die Menschenrechtslage weltweit erfordert dies.»
Angesichts der Haushaltsprobleme hat UNO-Generalsekretär António Guterres im März ein umfangreiches Reformprojekt mit dem Namen «UN 80» ins Leben gerufen. Dieses sieht unter anderem die Verlagerung von derzeit in Genf und New York angesiedelten Stellen sowie die Zusammenlegung von Agenturen mit ähnlichen Mandaten vor.
Auch das Hochkommissariat für Menschenrechte, das die Arbeit des Rats unterstützt, ist von diesen Reformen betroffen. Welche Auswirkungen diese auf den Rat haben könnten, ist noch unklar.
Einige Staaten befürchten jedoch, dass die Eile, mit der die Reformen durchgeführt werden sollen, keine echte strategische Reflexion über die langfristig wünschenswerten Veränderungen zulässt.
Untersuchungsmechanismen unter Druck
Während die Staaten über die Wirksamkeit des Menschenrechtsrats nachdenken, befürchten einige Diplomatinnen und Diplomaten, dass autoritäre Länder die Situation ausnutzen könnten, um sich gegen die Einrichtung neuer Untersuchungskommissionen zu stellen.
Obwohl sich die meisten Staaten über die Notwendigkeit einig sind, die Bemühungen des Menschenrechtsrats zu bündeln, sind sie sich weiterhin uneinig darüber, wie dies geschehen soll.
Die ohne Zustimmung der betroffenen Länder durchgeführten Untersuchungen des Rats sind Gegenstand heftiger Debatten zwischen denjenigen, die deren invasiven Charakter und die als zu hoch empfundenen Kosten kritisieren, und denjenigen, welche die Bedeutung der dabei gesammelten Beweise hervorheben.
Dass sich der Druck auf die Untersuchungen erhöhe, sei eine Befürchtung, bestätigt eine Diplomatin aus einem europäischen Land. Sie ist jedoch der Meinung, dass eine Reihe von Ländern dies ablehnt.
«Diese Untersuchungen führen zu Ergebnissen. Es handelt sich um Mechanismen, die sich als wirksam erwiesen haben», fügt sie hinzu.
Weitere Informationen über die Untersuchungstätigkeit des Menschenrechtsrats finden Sie in unserem Artikel über den Mechanismus für Myanmar:
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Die Gräuel von Myanmar: Handyvideos liefern der UNO Beweise
Lauber erinnert daran, dass das Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen mit etwa 5% des Gesamtbudgets (für 2025 sind 3,72 Milliarden Dollar veranschlagt) deutlich weniger ausmacht als die Ausgaben für Frieden und Sicherheit sowie Entwicklung.
«Ein Untersuchungsmechanismus kostet auf der Grundlage der bestehenden Mandate etwa drei bis vier Millionen Dollar pro Jahr. Darin enthalten sind die Gehälter der Forschungsassistierenden, die administrative Unterstützung, Reisekosten usw. Die Mandatsträgerinnen und -träger arbeiten ehrenamtlich. Das sind keine riesigen Summen, aber wir sind dennoch mit Kürzungen konfrontiert.»
Erneuter Rückzug der USA
Ende August gaben die Vereinigten Staaten bekannt, dass sie nicht an der allgemeinen regelmässigen Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) des Menschenrechtsrats teilnehmen werden, der für das Land für November vorgesehen war.
Dieser Prozess der Bewertung durch Gleichrangige und die Zivilgesellschaft gilt als einer der wichtigsten Vorteile des im Jahr 2006 gegründeten Menschenrechtsrats. Denn er stellt sicher, dass sich jedes Land irgendwann verantworten muss.
Es wäre das erste Mal, dass sich ein Staat dieser Überprüfung entzieht. Washington hatte bereits Anfang Jahr seinen Rückzug aus dem Rat angekündigt.
Dieser neue Entscheid hat Reaktionen von NGOs wie Human Rights Watch hervorgerufen. Für diese legt die Regierung von Donald Trump eine «unentschuldbare Missachtung der Menschenrechte sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene» an den Tag.
Die Genfer NGO International Service for Human Rights (ISHR) hat die Mitglieder des Rats aufgefordert, den US-Entscheid zu verurteilen, vor allem, um einen «Dominoeffekt» zu vermeiden.
Auf die Frage nach den möglichen Auswirkungen des Entscheids auf die Glaubwürdigkeit des Menschenrechtsrats betont eine in Genf ansässige Diplomatin, dass es Kritik schon immer gegeben habe. Ihrer Meinung nach muss die «Effizienz» des Systems verbessert werden, um seine Legitimität zu wahren.
Sie erinnert daran, dass der Rat bereits konkrete Ergebnisse vorweisen konnte. Als Beispiel nennt sie die Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, die zur Freilassung von Inhaftierten geführt hat.
Das Programm ist dicht gedrängt. Fast fünf Wochen lang wird sich der Menschenrechtsrat mit über 60 Berichten befassen und Dutzende von Diskussionen zu zahlreichen Themen und über rund 40 Staaten führen.
Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Menschenrechtslage in Myanmar, Afghanistan, der Ukraine, Russland, Belarus, Nicaragua, Venezuela, dem Sudan, Syrien und der Demokratischen Republik Kongo.
Auch die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen wird voraussichtlich vom Hohen Kommissar für Menschenrechte und zahlreichen Ländern angesprochen werden.
Der Rat wird vor allem darüber entscheiden, ob das Mandat der Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Russland verlängert wird. Es werden mindestens 34 Resolutionsentwürfe erwartet.
Das vollständige Programm ist auf der Website der Vereinten Nationen verfügbarExterner Link.
Editiert von Virginie Mangin/sj, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
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