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Ausgewanderte: auffallend tiefes Vertrauen in die Schweizer Politik

Leute geniessen die Aussicht auf den Zürichsee und die Stadt bei bestem Wetter
Schweizer:innen im Ausland blicken vor allem mit positiven, teils idealisierenden Gefühlen auf ihr Heimatland. Doch es gibt auch Kritik. Keystone / Christian Beutler

Wie geht es den Schweizer:innen im Ausland? Sie stehen zwischen Leistungsdruck und Lebensabend. Eine grosse SRG-Umfrage zeigt: Die Zufriedenheit ist hoch, doch es gibt Kritik an Politik und Sozialstaat.

Schweiz, wie geht es dir? Zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren hat das Forschungsinstitut GFS Bern im Auftrag der SRG eine umfassende MeinungsumfrageExterner Link unter der Schweizer Bevölkerung sowie Schweizer:innen im Ausland durchgeführt. Das Ergebnis: Die Gemütslage des Schweizer Volks, ob im Ausland oder im Inland, ist bemerkenswert stabil.

Mit Blick auf die Schweizer:innen im Ausland heisst das: 84% der Befragten gaben an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Zum Vergleich, 2024 waren es 82%.

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«Die Daten zeigen, Auslandschweizer:innen, die hier teilnahmen, wurden fast immer in der Schweiz sozialisiert und nehmen Grundwerte sowie die Lebenszufriedenheit ins Ausland mit», sagt Urs Bieri von GFS Bern, der die Umfrage mitgestaltet hat.

Globale Unsicherheiten wie Kriege oder die Neuformatierung in der internationalen Politik würden ähnlich wahrgenommen werden, «unabhängig davon, ob man in der Schweiz, im Nachbarland oder weit weg lebt. Die Gewitterwolken sind zwar noch in der Ferne, doch man spürt, dass sie näherkommen».

Dies verunsichere – weniger im Hinblick auf die eigene Situation, sondern mit Blick auf Kinder und jüngere Generationen.

Unterteilung in zwei Gruppen

Auslandschweizer:innen lassen sich – wie bereits die Daten der letzten SRG-Umfrage vor einem Jahr gezeigt haben – in zwei übergeordnete Gruppen einteilen:

Die erste besteht aus jenen, die für die Arbeit ausgewandert sind. Dabei fällt auf, dass diese Gruppe einen grösseren Leistungsdruck als Arbeitstätige in der Schweiz verspürt.

«Menschen, die aus Arbeitsgründen die Schweiz verlassen, zeigen oft eine höhere Leistungsbereitschaft. Sie wollen mehr Gas geben», sagt Bieri. So erstaunt es wenig, dass Auslandschweizer:innen sich bei der Wahl ihrer Ausbildung häufiger an Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten orientieren.

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Gleichzeitig sind für diese Gruppe Materielle Werte wichtiger – als Belohnung für die geleistete Arbeit. «Menschen in der Schweiz schätzen dagegen Zeit, Natur und Freundschaft stärker», sagt Bieri.

Die zweite Gruppe unter den Schweizer:innen im Ausland setzt sich aus jenen zusammen, die dort Ihren Ruhestand verbringen. «Sie sind über 65 und blicken – wie ihre Altersgenossen in der Schweiz – wesentlich entspannter auf das Leben.»

Kritischer im Vergleich zu Pensionär:innen hierzulande ist dagegen der Blick aufs Geld. «Es sind zum Teil Menschen, die aus finanziellen Gründen den Ruhestand im Ausland antreten. Dies zeigt sich in ihren Antworten», sagt Bieri.

Auch zeigen sich Auslandschweizer:innen kritischer gegenüber Sozialwerken im Inland. Während knapp 60% der Befragten in der Schweiz der Aussage «Dank den Sozialwerken muss in der Schweiz niemand verhungern oder an Obdachlosigkeit leiden» voll oder eher zustimmten, fand sie bei den Schweizer:innen im Ausland gerade mal 45% Zustimmung.

«Ich kann mir vorstellen, dass darunter Menschen sind, die gemerkt haben, wie hart es mit wenig Geld in der Schweiz sein kann», sagt der Politologe.

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Apropos Geld: Schweizer:innen im Ausland scheinen diskreter zu sein, was das eigene Vermögen angeht. So verfügen sie häufiger über Ersparnisse, von denen nicht einmal die engen Angehörige Bescheid wissen.

Kritischer gegenüber der Politik

Schweizer:innen im Ausland blicken vor allem mit positiven, teils idealisierenden Gefühlen in ihr Heimatland – ausser es geht um das politische System.

Dies erstaunt, hat etwa die erste Umfrage 2023 noch ein anderes Bild ergeben. Doch während 2023 77% der Auslandschweizer:innen das Milizsystem als Erfolgsrezept bezeichnet hatten, sank ihr Anteil 2025 auf 59% und liegt damit wesentlich unter jenem der inländischen Bevölkerung (74%).

Zudem fällt das Vertrauen in die einzelnen Politiker:innen geringer aus: Aus Sicht vieler Auslandschweizer:innen haben sich politische Vertreter:innen zunehmend von der Bevölkerung entfremdet.

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Über die Gründe könne nur spekuliert werden, sagt Bieri. Eine mögliche Erklärung sieht der Politologe in den Erfahrungen, die einige Auslandschweizer:innen im neuen Wohnland machen.

«Wenn man in einem Land lebt, das stärker von Korruption geprägt ist, wird man vielleicht allgemein kritischer gegenüber der Politik.» Dies sei aber wohl nur einer von mehreren Gründen.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen unter anderem, dass die von Donald Trump ausgelösten geopolitischen und wirtschaftlichen Umwälzungen Spuren in der öffentlichen Meinung hinterlassen haben. Lesen Sie dazu den folgenden Artikel:

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Die Erfahrung im Wohnland könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass Schweizer:innen, die im Ausland leben, in Fragen der Geschlechterrollen besonders sensibilisiert sind.

Sie sprechen sich unter anderem vermehrt dafür aus, dass Frauen und Männer in Führungspositionen gleichermassen vertreten sein sollen (62% verglichen mit 49% bei den Befragten im Inland) und stehen der Aussage, dass Männer durch veränderte Geschlechterrollen stärker belastet sind, kritischer gegenüber.

«Hier könnte das Element ‘Minderheit’ eine Rolle spielen. Das kann man allgemein beobachten: Wer sich in der Minderheit wiederfindet, ist sensibilisierter für Ungerechtigkeiten», sagt Bieri.

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Die Resultate der Umfrage «Wie geht’s, Schweiz?» basieren auf einer repräsentativen Befragung von 55’006 Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz sowie Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern. Insgesamt haben 1196 Auslandschweizer:innen an der Umfrage teilgenommen.

Die Befragung fand vom 12. Mai bis zum 15. Juni 2025 statt. Sie wurde vom Forschungsinstitut GFS Bern im Auftrag der SRG zum dritten Mal innert drei Jahren durchgeführt. Gegenüber den Versionen der Vorjahre sind manche Fragen neu gestellt worden, ein Grossteil ist aber unverändert geblieben.

3000 der Befragten wurden aus einem Online-Panel von GFS Bern ausgewählt, und zwar so, dass ein repräsentatives Abbild der Schweizer Bevölkerung entstand (16 Jahre und älter). Die Stichprobe wurde entlang der Sprachregion geschichtet und entlang von Alter und Geschlecht quotiert.

Die übrigen Befragten füllten den Fragebogen online aus. Sie wurden über die Kanäle der SRG dazu aufgerufen, entschieden aber selbst, ob sie mitmachen wollten oder nicht. Diese Befragungsmethode ist nicht repräsentativ. Die Repräsentativität entsteht hier mittels spezifischer Verfahren der Datengewichtung und Datenvalidierung.

Der Stichprobenfehler beträgt +/- 1.8 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit.

Editiert von Balz Rigendinger

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