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«Hallo, da bin ich wieder»

Schuluniform muss sein. Lisa trägt sie mit Fassung. (Bild: Lisa Christen) Lisa Christen

Weihnachten im australischen Sommer in einer neuen Familie: Lisa Christen (17) meldet sich zurück. Die Schweizer Austauschschülerin hat nach ihrer unglücklichen Anfangszeit in Australien erneut viel erlebt.

Doch diesmal ist alles anders. (Teil 12)

Ich weiss gar nicht, womit ich beginnen soll. Seit dem 29. November wohne ich bei meiner neuen Gastfamilie in Hornsby Hights. Die 7-köpfige Familie Macri machte mir gleich am ersten Tag einen guten Eindruck. Mit meinen neuen, sehr jungen Gasteltern verstehe ich mich sehr gut. Sie sind für mich nicht wie Eltern, sondern wie Freunde. Und doch fühle ich mich wie ein Familienmitglied.

Meine neue Gastmutter Kylie ist Australierin (31) und mein Gastvater Rob (34) Italiener, aber in Australien geboren. Kylie schmeisst den Haushalt und malt tagsüber Kundinnen schicke Nägel. Ab und zu stylt sie auch Leute für besondere Anlässe. Einen Tag pro Woche arbeitet sie bei meinem Gastvater.

Rob führt mit seinen Brüdern eine grosse Gärtnerei und baut Häuser. Vor ein paar Jahren führten sie auch eine Pizzeria, die sie dann aber aufgaben, da sie kaum noch zum Schlafen gekommen waren.

Meine neuen Gastgeschwister heissen Tahlia (3), Ryan (4), Dylan (7), Luke (9) und Corey (11). Sie sind einfach amok-süss, ein Kind süsser als das andere! Ich dachte, dass fünf Kinder sehr viel Arbeit machen. Dies ist hier aber gar kein Problem, denn meine Gastmutter hat die Kleinen im Griff.

Grosses Haus und viele Partys

Das Haus, in dem ich wohne, ist sehr gross. Mein Zimmer befindet sich im unteren Stock. Dort hat es auch ein Badezimmer, ein Wohnzimmer, eine Bar, eine Küche, eine Waschküche und zwei weitere Schlafzimmer, in denen aber niemand schläft. Ich bewohne den unteren Stock praktisch alleine.

Kylie und Rob haben unglaublich viele Verwandte und Bekannte. Ich weiss nicht, wann ich zuvor so viele Leute kennen gelernt habe. Meine Gastfamilie ist mindestens ein bis zwei Mal pro Woche zum Abendessen eingeladen; sei es zu einem Geburtstagsfest oder einfach für ein Zusammensein mit Verwandten.

In den drei Wochen, seit ich hier bin, feierte meine Gastfamilie bereits drei Partys bei sich zu Hause. Da es hier immer so viel Leckeres zu Essen gibt, gehen Kylie und ich jeden zweiten Morgen um fünf Uhr früh mit den Hunden laufen. Einige Male bin ich auch baden gegangen; entweder am Strand oder im öffentlichen Bad unter der Harbour Bridge.

Schuluniform und keine hohen Absätze

Ich gehe weiterhin nach Turramurra zur Schule. Diese Schule ist ein wenig strenger als die erste Schule in Lithgow, aber sie ist längst nicht mit unseren Schulen in der Schweiz zu vergleichen. Mit der Uniform nehmen sie es allerdings ganz genau. Jeden Morgen werden unsere Uniformen überprüft. Bei den Jungs sind es der Krawattenknopf und das Hemd, bei den Mädchen die Höhe der Schuhabsätze. Auch darf unser Schmuck nicht zu protzig sein. Andere Länder, andere Sitten!

Ich startete zuerst mit Fächern wie Englisch, Mathe, Musik, Biologie und Visual Design. Nicht schlecht, doch zum Teil habe ich die Fächer gewechselt. Nebst den obligatorischen Fächern Englisch und Mathe besuche ich jetzt Food Tech (ähnlich wie Hauswirtschaft), PDHPE (etwas zwischen Körperlehre und Sport) und Family and Community Studies.

Viel Spass bereitete die Harbour Kreuzfahrt. Die Schule hatte einen Kreuzer gemietet, der uns den ganzen Abend umher fuhr. Alle kamen schick angezogen. Meine Gastmutter borgte mir einige Kleider und stylte mich. Auf dem Kreuzer sorgte ein DJ für Stimmung. Wir tanzten und genossen die schöne Aussicht auf das beleuchtete Opernhaus und die Harbour Bridge. Es war ein guter Abend, um die Leute meiner Schule etwas besser kennen zu lernen.

Canberra und Cairns: Auf den Spuren der Aborigines

Unter den Austauschschülern entwickelt sich eine gute Freundschaft. In der Freizeit gehe ich mit ihnen an den Strand. Kürzlich waren wir in Canberra, der Hauptstadt Australiens. Auf die Safari Tour quer durch Australien mit Rotary wollten sie mich auch mitnehmen, doch leider erlaubt dies meine Organisation nicht.

Ende November unternahm ich mit meiner Organisation, 86 Austauschschülern und vier Leitern, einen Trip nach Cairns. Eine geniale Woche! Ich habe drei Freunde, die mit mir in der Schweiz zur Schule gehen, wieder getroffen und viele neue nette Leute aus verschiedenen Ländern kennen gelernt.

Wir sahen den Regenwald und mächtige Wasserfälle. Was mich am meisten beeindrucke, war das Great Barrier Reef. Wir gingen dort einen ganzen Nachmittag schnorcheln und sahen unzählige Fische in allen Variationen und Farben.

Die Nacht davor übernachteten wir auf der Fitzroy Insel. Das Meer war hellblau und am Abend konnten wir unzählige Sterne sehen. Wir erhielten sogar die Gelegenheit, mit Aborigines zu sprechen und ihre Kultur etwas besser kennen zu lernen.

Abrupter Wechsel in die neue Familie

Als ich nach Hause kam, blieb mir nur ein Tag, um meine Gastfamilie zu wechseln. Obwohl die Familie Messina mich gerne bei sich behalten hätte, entschloss ich mich nochmals für einen Wechsel. Ich wusste, dass sich meine damalige Gastmutter Lisa Messina als lokale Koordinatorin bereit halten musste, bei Problemen andere Schüler aufzunehmen. Lisa Messina beherbergte zudem jeden Monat drei bis vier Nächte lang Schüler aus Japan. Während dieser Tage musste ich jeweils mein Zimmer komplett ausräumen und im Zimmer meiner Gastschwester schlafen. Ich packte daher meinen Koffer gar nie richtig aus.

Mit der Familie Messina kam ich im Grossen und Ganzen gut zurecht. Ich konnte aber die Situation nie so richtig einschätzen, denn die Familie Messina war ursprünglich als Übergangslösung gedacht. Ich wollte endlich wissen, wo ich nun Weihnachten und Silvester verbringen würde, wo ich mich endlich richtig einleben konnte und wo ich den Rest meines Austauschjahres verbringen würde.

«Ich werde geschätzt und respektiert»

Wenige Tage vor meinem Trip nach Cairns wurde mir gesagt, dass ich zu einer Familie mit fünf kleinen Kindern wechseln würde. Eigentlich wollte mir die Organisation eine Familie mit gleichaltrigen Geschwistern suchen, doch auf das Inserat hatte sich nur eine Familie gemeldet, die mich kostenlos aufnehmen wollte.

Einerseits freute ich mich sehr, anderseits hatte ich ein wenig Angst, dass es mir zu viel werden würde mit fünf kleinen Gastgeschwistern. Dies, obwohl ich Kinder sehr gerne habe.

Doch heute glaube ich, dass ich jetzt endlich die Kurve gekriegt und einen Platz gefunden habe, an welchem ich geschätzt und respektiert werde. Ich verstehe zwar immer noch nicht alles, was in Portland bei meiner ersten Gastfamilie abging. Auch leuchtet mir bis heute nicht ein, warum ich damals von meinem Erholungsurlaub in Perth sofort zurück nach Syndey fliegen musste.

Doch ich habe in diesem ersten halben Jahr in Australien viele Erfahrungen auf dem Land und in der Vorstadt gesammelt. Gute und schlechte Erfahrungen. Und ich habe dabei gelernt, mich durchzusetzen und aufrichtig meine Meinung zu sagen. Ich bin sicher, dass es dieses Mal klappt und ich mein Austauschjahr mit vielen schönen Erlebnissen beenden werde.

swissinfo.ch: Viele aufmunternde E-Mails

Diese schwierige Zeit hätte ich allerdings nicht so gut überstanden, wenn nicht so viele Menschen mich unterstützt hätten. Ich will an dieser Stelle ganz herzlich meinen Verwandten, Freunden und Bekannten, speziell meiner Mutter, Nina Taylor aus Perth und Herrn Kull vom Schweizer Konsulat in Sydney danken.

Vielen Dank auch all jenen Leuten, die meine Berichte auf swissinfo.ch gelesen und mir nette, aufmunternde Mails geschickt haben.

Ich bin eine von acht Prozent aller Schülerinnen und Schüler auf der Welt, welche die Möglichkeit zum Fliegen erhalten hat. Und ich bin eine von ganz wenigen, die ein Austauschjahr machen darf. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen.

Strassen beleuchtet, Weihnachten steht vor der Tür

Bald wird Weihnachten gefeiert. Ich kann es kaum glauben. Ich bin überhaupt noch nicht in Weihnachtsstimmung, denn im Moment trage ich hier Shorts und T-Shirt.

Obwohl in unserer Strasse unzählige Weihnachtslichter und Schmuck an den Häusern hängen – unsere Strasse ist für die spezielle Beleuchtung bekannt, seit meine Gasteltern diese Aktion starteten –, kann ich mir das Weihnachtsfest hier in Australien immer noch nicht so recht vorstellen.

Ich bin gespannt wie es für mich sein wird, Weihnachten im Sommer zu feiern; weit weg von meiner Familie und meinen Freunden.

swissinfo, Lisa Christen
(bearbeitet von Thomas Vaszary)

Lisa-Deborah Christen (17) lebt zusammen mit ihrer Mutter Elsbeth (53) und den Brüdern Albrecht (23) und Basil (20) in Hergiswil im Kanton Nidwalden. Vater Hans starb im Jahr 2000.
Lisa geht am Kollegium St. Fidelis in Stans NW zur Schule.
Anfang August beginnt Lisa ihr Austauschjahr bei der Familie Coleman in Portland, Australien.
Unerwartet kommt es nach wenigen Wochen zum Eklat: Lisa verlässt die Familie Coleman und zieht nach Perth zu einer Auslandschweizerin, die sie über swissinfo kennen gelernt hat.
Während mehreren Wochen lebt Lisa bei der 5-köpfigen Familie Messina in Mount Kuring Gai. Zusammen mit ihrer Gastschwester Mary besucht Lisa die Turramurra High School.
Dann folgt ein erneuter Umzug: Lisa ist nun bei Kylie (31) und Rob (34) und ihren fünf Kindern Tahlia (3), Ryan (4), Dylan (7), Luke (9) und Corey (11). Sie besucht weiterhin die gleiche Schule.

Die 17-jährige Lisa Christen aus Hergiswil NW geht für ein Jahr lang als Austausch-Schülerin nach Australien.

Zuerst lebte sie inn Portland, New South Wales, 250 Kilometer von Sidney entfernt. Sie verliess jedoch mit dem Einverständnis ihrer Mutter die Gastfamilie.

Nach einem «Erholungs-Urlaub» lebte sie in der Nähe von Sydney, bei der Familie Messina in Mount Kuring Gai. Vor wenigen Wochen zügelte Lisa dann erneut: Sie ist nun bei der 7-köpfigen Familie Macri.

In ihrem Online-Tagebuch auf swissinfo.ch erzählt Lisa immer wieder von ihren Erwartungen, Erfahrungen und Begegnungen mit den Menschen im Land ihrer Träume.
Wer mit Lisa Kontakt aufnehmen möchte, erreicht sie unter lisachristen86@gmx.ch.

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