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Pferde, Weite und sonst nichts

Frau auf Pferd im vollen Galopp
Am wohlsten fühlt sich Nicole Ulrich im Sattel eines Pferdes. zVg

Mit ihrer Pferdeherde lebt Nicole Ulrich abgelegen in Kanada. Das Leben in der wilden Natur birgt aber auch Gefahren, wie sie bereits am eigenen Leib erfahren musste.

Nur das Schmatzen der Pferde oder das Bellen der Hunde bricht die Stille. Es sind Minus fünfzehn Grad, der Himmel hat sich sein schönstes Blau angezogen. Der Schnee liegt seit Monaten, und dahinter reihen sich die Tannen, in deren Nähe die Bären ihren Winterschlaf halten. Diese Weite und diesen Platz hat Nicole Ulrich gesucht, gefunden und vor elf Jahren zu ihrem Heim gemacht.

Auslandschweizer-Community

Die Journalistin Joëlle Weil lebt als Auslandschweizerin in Israel. Sie porträtiert in loser Folge interessante Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, denen sie in Facebook-Gruppen der Auslandschweizer-Community begegnet ist.

Nicole hat der Schweiz den Rücken gekehrt, um sich in Kanada ein neues Leben aufzubauen. Zusammen mit ihrem Freund hat sie sich in Quesnel in British ColumbiaExterner Link im Westen des Landes niedergelassen. «In der Schweiz wird es mit Tieren schnell eng», sagt sie.

In Quesnel können sie und ihre knapp zwanzig Pferde sich auf 65 Hektar Land ausbreiten. Die Pferde sind nicht nur Nicoles grosse Liebe, sie sind ihr Beruf. Nicole arbeitete bereits in der Schweiz als Hufpflegerin und hat sich in Kanada eine weitere Eigenschaft angeeignet: Sie reitet wilde Pferde für Freizeitreiter zu.

Robuste Menschen und Tiere

In British Columbia gibt es Tausende von wilden Pferden. Während die einen ganz wild leben, sind andere auf den Menschen geprägt, so wie die von Nicole. Sie leben in der Natur, lassen sich jedoch vom Menschen versorgen. Längst nicht alle sind zugeritten. Es sind naturnahe Pferde, robuste Pferde. Diese Eigenschaften liebt Nicole an ihren Tieren. «Die Pferde hier sind nicht so verwöhnt wie in der Schweiz», sagt sie.

Zimperlich ist auch Nicole nicht. In der Kälte Kanadas bleibt ihr kaum Zeit, die Füsse hochzulegen. Je kälter es ist, desto mehr Arbeit hat sie. «Wenn die Temperaturen tief sind wie jetzt, brauchen die Pferde mehr Nahrung, mehr Energie. In der Kälte muss viel mehr Heu gefüttert werden als im Frühling.»

Frau auf Pferd in unendlicher Weite
Nichts als Natur, soweit das Auge reicht. Weite Landstriche von British Columbia sind praktisch unberührt. zVg

Pferde für die Schweiz

Die ganz verwilderten Pferde der Region haben es im Winter schwer. Sie finden unter diesen erschwerten Bedingungen weniger Futter. Gut hat man es dann, wenn man sich Nicoles Herde angeschlossen hat.

Fünf Jungtiere befinden sich derzeit in der Herde. Junge Pferde, die eines Tages vielleicht eine weite Reise antreten, denn Nicole verkauft ihre Pferde vor allem in die Schweiz. Die Anfrage im Freizeitsportbereich ist gross. «In der Schweiz schätzt man die Robustheit meiner Pferde.»

Zwei oder drei Pferde schaffen es jedes Jahr in die Schweiz, Nicole reist dann immer mit. Während die einen Käufer sich ihr Pferd bereits auf den Bildern ausgesucht und den Kauf zugesichert haben, entscheiden sich die anderen erst dann, wenn sie das junge Tier sehen.

Waldbrände drohen

Im Sommer überschatteten über 500 Waldbrände in der Region das idyllische Leben. Bis zuletzt hoffte Nicole, dass sie nicht evakuiert werde. Ihr Partner und sie hatten bereits vor der Evakuierung die Pferde in Sicherheit gebracht, bis dann auch sie das Gebiet mit den Hunden räumen mussten.

«Wer sich mein Leben aus der Ferne ansieht, sieht nur das Schöne und Utopische», sagt sie. «Dabei vergisst man, dass naturnahes Leben auch Gefahren mit sich bringt, die wir in der Schweiz so nicht kennen.» Angst hätte sie um das Haus gehabt und schliesslich Glück im Unglück: Ihr Grundstück blieb von den Bränden verschont.

So gnadenlos das Leben in der Natur aber sein kann: Nicole kann sich nichts anderes mehr vorstellen. Wer sich einmal an die Weite gewöhnt habe, gehe nicht mehr zurück in die Schweiz, meint sie. Es sei eine andere Lebensqualität, die mit harter Arbeit verbunden sei. Aber Nicole ist hart im Nehmen, sonst wäre sie längst wieder zurück.

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