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Granit aus Asien für Schweizer Strassen

Steinmetz - ein Beruf, der in der Schweiz bald verschwindet? Keystone Archive

Die Schweizer Steinbrüche sind seit einigen Jahren einer immer stärkeren Konkurrenz ausgesetzt. Der Preiskampf mit dem Granit aus Asien ist ungleich.

Von den tiefen asiatischen Preisen lassen sich auch die Behörden verführen: Für öffentliche Bauten wird immer mehr Granit importiert.

Granit ist einer der Rohstoffe, an denen es in der Schweiz nicht mangelt. Im Kanton Tessin hat diese Industrie eine Jahrhunderte alte Tradition und beschäftigt auch heute noch rund 700 Personen.

Aber seit knapp zehn Jahren sind die Schweizer Steinbrüche mit einer erbarmungslosen Konkurrenz konfrontiert: Steine aus Asien, insbesondere aus China. Die Globalisierung verschont also nicht einmal mehr eine “schwere” Industrie wie jene des Granits.

Der Erfolg der Steine aus Asien hat einen einfachen Grund: der Preis. Obwohl der Granit auf dem Meeresweg um die halbe Welt transportiert werden muss, ist er immer noch viel günstiger als jener, der in den Schweizer Steinbrüchen abgebaut wird. Und die Qualität ist dieselbe.

Tiefe Transportkosten

Die Kosten für die Transporte der Granit-Container seien extrem niedrig, sagt James Erismann, der in einer Firma arbeitet, die seit Jahren Granit aus Asien importiert. Besonders China habe enorme Anstrengungen unternommen, um die Transportkosten zu senken.

In einigen Fällen sei der Transport von Steinen sogar gratis. Beim Transport von Baumwolle aus Asien müssten die Schiffe unten schwere Waren laden, um genügend Tiefgang und Stabilität zu erreichen. Denn Baumwolle sei leicht. Deshalb würden oft Steine als Ballast dienen.

Üblicherweise kosten Steine aus Asien 50 Prozent weniger als einheimische. In einigen Fällen ist der Preisunterschied aber noch grösser.

Der Architekt Giuseppe Ongaro, Inhaber einer Tessiner Steinbruchfirma, erinnert sich an eine Offerte für Granit aus Vietnam zum Preis von 10 Franken pro Quadratmeter. Ein Quadratmeter Granit aus seinem Steinbruch in Cresciano dagegen kostet ungefähr 70 Franken.

Trotz ständigen Bemühungen, die Kosten zu reduzieren, können die Schweizer Granit-Produzenten mit der asiatischen Konkurrenz nicht mithalten. Und jetzt kommt noch dazu, dass viele Schweizer Gemeinden ihre Plätze und Strassen mit importiertem Granit bauen.

Vor allem in der Deutschschweiz

Besonders in der Deutschschweiz werden Steine importiert. Die Gemeinden Küsnacht und Wald im Kanton Zürich haben für ihre Strassensanierungs-Projekte Granit aus Portugal beziehungsweise aus Vietnam ausgewählt.

Laut Kurt Akermann, Tiefbauvorstand der Gemeinde Wald, sind die Platten aus Vietnam gegenüber Granit aus dem Tessin 253’000 Franken günstiger. Als finanzschwache Gemeinde müsse man auf die Kosten schauen, so Akermann gegenüber dem Zürcher “Tages-Anzeiger”.

Im Kanton Tessin sei man etwas sensibler, sagt Giuseppe Ongaro gegenüber swissinfo. Und Marco Fioroni, Ingenieur im Tessiner Baudepartement, doppelt nach: “Der Kanton berücksichtigt für seine Bauten immer ortsansässige Unternehmen.”

Der Fall Chiasso

Aber auch Tessiner Gemeinden beziehen Steine aus China, wie die Gemeindebehörden von Chiasso für die Sanierung der Hauptverkehrsader durch die Grenzstadt.

Die Preisfrage habe aber nur teilweise den Ausschlag für die Wahl chinesischer Steine gegeben, sagt Rudy Cereghetti, Vorsteher des Bauamtes von Chiasso, gegenüber swissinfo.

“Die Kosten für die Verlegung sind relevanter als jene für die Lieferung. Wenn man beide Faktoren einberechnet, hat uns ein Quadratmeter Granit aus China rund 150 Franken gekostet. Wenn wir einheimische Steine genommen hätten, wäre der Quadratmeter auf rund 200 Franken gekommen.”

Grund zur Polemik gibt es für Cereghetti nicht: “Das Projekt des Wettbewerbs-Gewinners hatte einen Chromrosa-Aspekt vorgesehen. Granit in dieser Farbe gibt es im Tessin nicht.”

Wirkliche Einsparungen

In einer Zeit, wo die Gemeindebehörden ihre Entscheidungen aufgrund von Sparmassnahmen fällen müssen, scheint es zweifelsohne legitim, alle Möglichkeiten auszuloten.

Trotzdem fordert Architekt Giuseppe Ongaro die öffentliche Hand auf, den Blick nicht nur einseitig auf kurzfristige Einsparungen zu werfen. Denn die einheimische Produktion könne durchaus positive Wirkung auf eine ganze Region entwickeln.

“Wenn beispielsweise eine Steinbruchfirma mit 20 Arbeitern einen Jahresumsatz von drei Millionen Franken erreicht, dann gehen davon mehr als die Hälfte weg für Löhne und Sozialabgaben sowie für Verwaltungsausgaben wie Beschaffung von Maschinen und Geräten sowie Büromieten. Das sind Investitionen, die in der Region bleiben. Für Staat und Gesellschaft bedeutet das weniger Kosten für Arbeitslose und mehr Einkünfte für die Sozialversicherungen.”

Und die Arbeitsbedingungen?

Für einige Produkte wie Kleider oder Teppiche gibt es heute Qualitätslabels, welche die Einhaltung von bestimmten ethischen Kriterien garantieren, wie zum Beispiel korrekte Arbeitsbedingungen und Produktion ohne Kinderarbeit.

In der Granitproduktion existiert so etwas nicht, und eine Überwachung der Produktion ist unmöglich. Tiefbauvorstand Akermann räumt zwar ein, der Gemeinderat von Wald habe sich im Zusammenhang mit den 590 Tonnen Granitplatten aus Vietnam vom Importeur eine Bestätigung der UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) geben lassen, dass beim Abbau in dem Land keine Kinderarbeit im Spiel sei.

Aber meistens verstecken sich die Behörden hinter den Lieferanten. “Wir haben den Auftrag zur Sanierung der Hauptverkehrsader in Chiasso einer Firma vergeben, die sich wiederum an ihren Granit-Lieferanten wendet. Wir können also gar keine Kontrolle über die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Steinbrüchen ausüben”, sagt Bauamts-Vorsteher Cereghetti.

swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

1990: Keine Granit-Importe aus China

2004: 9765 Tonnen Granit im Wert von über 5 Mio. Fr. aus China (zweitgrösster Importeur in die Schweiz) eingeführt

Granit-Hauptimporteur in die Schweiz: Italien (53’000 Tonnen im Wert von über 80 Mio. Fr.)

Granit-Gesamteinfuhr 2004: 75’884 Tonnen im Wert von 117 Mio. Fr. (1990: 40’000 Tonnen für 83 Mio. Fr.)

Vor mehr als zehn Jahren gab es noch keine Granit-Importe aus Asien, heute machen sie rund einen Fünftel auf dem Schweizer Markt aus.

Der asiatische Granit kostet bis zu fünfmal weniger als jener, der in der Schweiz abgebaut wird.

Trotz des relativ hohen Preises wird ein kleiner Teil der Produktion aus Schweizer Steinbrüchen exportiert, hauptsächlich nach Deutschland.

2004 wurden 3463 Tonnen Schweizer Granit im Wert von 7,2 Mio. Franken verkauft.

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