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Sushi-Reis statt Kartoffeln? Die Schweizer Landwirtschaft passt sich dem Klimawandel an

Reiskörner in der Hand
Reis ist eine ursprünglich aus Asien stammende Pflanze, die auch in der Schweiz wächst. Keystone / Jean-Christophe Bott

Landwirte und Landwirtinnen auf der ganzen Welt suchen nach Lösungen, um dem Temperaturanstieg zu begegnen. In der Schweiz werden neue Kulturen getestet, die Hitze und Trockenheit widerstehen können. Es gibt jedoch Hindernisse.

Beim Auflösen des dichten Morgennebels eröffnet sich ein ungewöhnliches Panorama. Zwischen Kartoffel- und Rübenfeldern ragen perfekt ausgerichtete Reispflanzen aus einem teilweise überfluteten Boden empor.

Die Rispenblüten sind gereift und tragen dunkle Körner. Dieser Anblick überrascht, denn die Reisfelder erinnern eher an Agrarlandschaften in Südostasien – und wirken fast fehl am Platz in der Berner Landschaft, in der wir uns befinden.

«Wir sind eine Familie von Pionieren. Wir machen gerne Dinge, die andere nicht machen», sagt Léandre Guillod. Der Landwirt und Agraringenieur ist zusammen mit seinem Bruder der grösste ReisproduzentExterner Link nördlich der Alpen – mitten in der Schweiz. Als wir ihn auf seinen Reisfeldern in Aarberg treffen – den nördlichsten Europas – bereitet er sich auf den wichtigsten Moment des Jahres vor: die Ernte.

Ein Mann steht in seinem Reisfeld in der Schweiz
Léandre Guillod auf dem Reisfeld seiner Familie in Aarberg im Kanton Bern. Luigi Jorio / SWI swissinfo

Für die Brüder Guillod ist Reis mehr als eine Kulturpflanze. «Es ist eine Leidenschaft», sagt Léandre. «Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an Reis denken: an seinen Anbau, seine Verwendung und seine Zubereitung.» Vor allem aber ist die Pflanze Oryza sativa eine strategische Entscheidung für die Zukunft.

Wie viele andere Landwirt:innen in der Schweiz und weltweit muss sich Guillod an ein immer wärmeres Klima anpassen. Höhere Temperaturen, Dürren und intensive, unvorhersehbare Regenfälle beeinträchtigen den traditionellen Anbau. Dieser leidet unter den veränderten klimatischen Bedingungen. Pflanzenkrankheiten breiten sich aus und die Erträge der für die menschliche Ernährung wichtigsten Nutzpflanzen, wie Weizen und Mais, gehen weltweit zurückExterner Link.

Guillod baute auch im Sommer Feldsalat (oder Valeriansalat) an, die traditionelle Kulturpflanze seiner Familie. Allerdings verhindert der Temperaturanstieg in den heissesten Monaten die Keimung. Der Landwirt hofft nun, eine nachhaltige und rentable Alternative gefunden zu haben.

«Bei Reis ist es umgekehrt: Je heisser, desto besser», sagt er.

Auf YouTube lernen, wie man Reis anbaut

Léandre Guillod kam eher zufällig zum Reisanbau. Vor einigen Jahren kontaktierte ihn das Schweizer Kompetenzzentrum für Agrarforschung Agroscope im Rahmen eines Versuchsprojekts zum Reisanbau in der Drei-Seen-Region (Neuchâtel, Biel und Murten). Das Ziel bestand darin, die Biodiversität zu fördern und die Machbarkeit von Kulturen zu untersuchen, die einen Überschuss an Wasser vertragen.

Die Familie Guillod hatte für ihre Feldsalatproduktion eine Technik zur präzisen Nivellierung des Bodens entwickelt. Diese erwies sich auch für den Reisanbau als entscheidend, da sie eine gleichmässige Überflutung der Parzellen gewährleistet.

Das Pilotprojekt von Agroscope lieferte gute Ergebnisse. «Das war der Funke, der uns dazu veranlasste, in den Reisanbau einzusteigen», sagt Léandre Guillod.

Im Jahr 2019 begann er, auf einer kleinen Fläche in Lugnorre, einem historisch sumpfigen Gebiet in der Nähe des Kanals, der den Murtensee und den Neuenburgersee verbindet, Reis anzubauen. «Wir wussten wenig bis gar nichts über Reis. Wir haben uns Videos auf YouTube angesehen und Reisbauern in Italien und Frankreich besucht», erzählt er.

Reisernte in Aarberg, Kanton Bern, 8. Oktober 2025.
Reisernte in Aarberg, Kanton Bern, 8. Oktober 2025. Luigi Jorio / SWI swissinfo

Reispflanzen im Wasser wie in Asien

Anders als beim ersten Reisanbau in der Schweiz, der seit 1997 im Kanton Tessin ohne Bewässerung betrieben wird, baut Guillod Reis auf überschwemmten Feldern an. Dabei spielt Wasser eine entscheidende Rolle, da es als Wärmeisolator fungiert und die Wurzeln vor Temperaturschwankungen schützt.

Dies ist besonders wichtig nördlich der Alpen, wo die Temperaturen unter 20 °C fallen können – die kritische Grenze für das Wachstum von Reis. Darüber hinaus reduziert Wasser das Vorkommen von Insekten und pathogenen Pilzen und begrenzt die Ausbreitung von Unkraut.

Die Entscheidung, auf Reis zu setzen, war gewagt, räumt Guillod ein. Die Anpassung des Anbaus einer subtropischen Pflanze an das Klima im Nordwesten der Schweiz war nicht einfach. «Es war eine radikale Veränderung: Unser ganzes Leben lang haben wir darum gekämpft, kein Wasser auf den Feldern zu haben, und jetzt tun wir alles, um welches zu bekommen.»

Der Landwirt sät den Reis zunächst in einer Baumschule und pflanzt die jungen Pflanzen dann nach asiatischer Tradition auf die überfluteten Felder. Dazu verwendet er eine Maschine, die er aus Japan importiert hat.

Das Wagnis hat sich zumindest bisher ausgezahlt. Die Reisanbaufläche wurde schrittweise auf insgesamt elf Hektar erweitert (sechs Hektar in Lugnorre, zu denen 2022 fünf Hektar in Aarberg hinzukamen). Heute wächst auf der Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche des Familienbetriebs Reis.

Léandre Guillod baut sechs verschiedene Sorten an, darunter Risottoreis, die aus Thailand stammende Sorte Jasmine und japanischen Reis, der sich für die Zubereitung von Sushi eignet. Der Reis wird in kleinen Läden in verschiedenen Kantonen zu einem Preis von etwa 12 Franken pro Kilo verkauft. «Letztes Jahr hat der Reis fast die Hälfte unseres Einkommens ausgemacht», sagt er.

Mandeln, Oliven und Quinoa für die Schweizer Landwirtschaft

In der Schweiz gibt es etwa ein Dutzend landwirtschaftliche Betriebe, die auf rund 20 Hektar überschwemmter Fläche ReisExterner Link anbauen. Reis ist jedoch nicht die einzige «exotische» Kulturpflanze des Landes.

Der Klimawandel begünstigt auch den Freilandanbau von Melonen, Wassermelonen und Süsskartoffeln, die von den immer wärmeren Herbstmonaten profitieren. Seit 1900 hat sich die Vegetationsperiode in der Schweiz um etwa 30 Tage verlängertExterner Link.

Olivenbäume, die im Tessin schon seit Langem heimisch sind, breiten sich nun auch nördlich der Alpen aus. Kürzlich haben die Erzeuger einen Verband gegründet, um die gesamte Lieferkette, einschliesslich der Ölproduktion, zu entwickeln.

Laut einer Studie über klimaresistente alternative KulturenExterner Link, die Agroscope 2024 veröffentlicht hat, könnte auch der MandelbaumExterner Link, der normalerweise im Mittelmeerraum und in Kalifornien vorkommt, eine interessante Option für die Schweizer Landwirtschaft darstellen.

Ein Mann pflückt Oliven im Tessin
Olivenernte in Gandria im Tessin im Oktober 2015. Keystone / Ti-Press / Pablo Gianinazzi

«Wärmere Temperaturen eröffnen neue Möglichkeiten für bisher seltene Kulturen wie Süsskartoffeln, Quinoa, Sorghum, Soja oder Kichererbsen», schreibt Hannah von Ballmoos-Hofer vom Schweizer Bauernverband in einer E-Mail an Swissinfo. Diese Pflanzen seien oft hitze- und trockenheitsresistent und eigneten sich gut für die Integration in bestehende Fruchtfolgen, betont sie.

Zurück zum Reis: Agroscope ist der Ansicht, dass der Anbau auf überschwemmten Feldern sowohl finanziell als auch ökologisch interessant sein könnte. Das Potenzial der Anbaufläche für Reis in der Schweiz wird auf 1000 Hektar geschätzt.

Mit steigenden Temperaturen gewinnen auch Linsen, Kichererbsen und Lupinen in der Schweiz an Bedeutung.

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Hitze und Trockenheit bedrohen Kartoffeln und Herbstgetreide

Diese alternativen Kulturen stellen derzeit noch eine Nischenlösung dar. «Die Umstellung auf neue Kulturen erfordert hohe Investitionen und ist mit Unsicherheiten verbunden», sagt von Ballmoos-Hofer. Oft fehlen das nötige Know-how, geeignete Maschinen, Saatgut sowie Strukturen für die Verarbeitung und Vermarktung. Ausserdem ist der Markt klein und stark von Konsumtrends beeinflusst.

Langfristig biete die Diversifizierung der Produktion der Landwirtschaft jedoch Chancen für mehr Resilienz und Anpassung an den Klimawandel, betont von Ballmoos-Hofer.

Klimamodelle sagen voraus, dass die Temperaturen in der Schweiz im Sommer in den nächsten 60 Jahren um mehr als 7°C steigen könnten. Die Niederschläge könnten hingegen erheblich zurückgehen. Aufgrund von Hitze und Trockenheit könnten die Ernteerträge zwischen 2050 und 2060 um mehr als 50% zurückgehen.

Besonders betroffen sind Herbstgetreide (wie Weizen und Roggen), Kartoffeln und Futterpflanzen, da sie empfindlich auf Wasserknappheit oder milde Winter reagieren, erklärt von Ballmoos-Hofer. Auch der Obst- und Weinbau stehen unter Druck.

«Die Züchtung resistenter Sorten wird daher immer wichtiger, ebenso wie ein angemessenes Wassermanagement», sagt sie.

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Das Risiko des Reisanbaus

Auf dem Reisfeld in Aarberg hat Léandre Guillod die Ernte des schwarzen Reises abgeschlossen. Er ist nicht sehr zufrieden. «Es war kein gutes Jahr», sagt er. Er schätzt die Gesamtproduktion dieses Jahres auf etwa drei Tonnen pro Hektar, also etwa die Hälfte des Rekordjahres 2024.

Im vergangenen Frühjahr waren die Temperaturen Ende Mai zu niedrig, was das Wurzelwachstum verlangsamte. Im Sommer gab es nur wenige Wochen mit starker Hitze, was sich wiederum auf die Blüte auswirkte. «Das ist das Risiko beim Reisanbau: Es gibt zahlreiche kritische Phasen, und die Temperatur ist ein begrenzender Faktor», erklärt Guillod.

Trotz der geringeren Ernte bleibt der Landwirt zuversichtlich. «Reis ist die Kulturpflanze der Zukunft», sagt er. «Der Mensch baut ihn seit über 7000 Jahren an. Wir tun dies erst seit sechs Jahren. Wir haben bereits gute Ergebnisse erzielt, aber es gibt noch viel zu lernen.»

Editiert von Gabe Bullard, Übertragung aus dem Italienischen mit Hilfe von DeepL: Melanie Eichenberger

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