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Solar- und Windenergie stehen vor erheblichen Hindernissen

Ein Mann läuft auf einem riesigen Dach voller Solarpanels und trägt einen Panel
Die Stromproduktion aus Sonnenenergie und anderen erneuerbaren Quellen weltweit hat sich zwischen 2015 und 2024 fast verdoppelt. Keystone / Gaetan Bally

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 hat den erneuerbaren Energien in der Schweiz und in der ganzen Welt einen entscheidenden Impuls verliehen. Inzwischen verlieren Solar- und Windenergie in einigen Ländern aber wieder an Schwung, auch wenn die Klimaziele noch lange nicht erreicht sind.

Die Energieerzeugung war noch nie so ökologisch wie heute: Fast ein Drittel des weltweiten Stroms stammt aus den erneuerbaren Energiequellen Sonne, Wind und Wasser.

Die Investitionen in grüne Energien übersteigen diejenigen in fossile Brennstoffe und in vielen Regionen sind erneuerbare Energien günstiger als Gas.

Im ersten Halbjahr 2025 wurde mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als aus Kohle. Das gab es noch nie zuvor.

Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen sind erneuerbare Energien eine tragende Säule der Energieversorgung in vielen Ländern.

Die weltweite Verbreitung von Solar- und Windenergie seit 2015 «hat selbst die optimistischsten Prognosen übertroffen und wächst weiterhin exponentiell», heisst es in einem vor kurzem veröffentlichten Bericht der Vereinten NationenExterner Link.

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Obwohl erneuerbare Energien in der Schweiz und auf der ganzen Welt einen Zuwachs verzeichnen, mangelt es nicht an Schwierigkeiten. Das Wachstum ist zu langsam.

Laut dem erwähnten UNO-Bericht bestehen beim Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien weiterhin «erhebliche politische und wirtschaftliche Hindernisse».

Politische Unsicherheiten und internationale Spannungen führen zu einer Neuorientierung bei den Energiestrategien. Die Sicherheit der nationalen Energieversorgung hat tendenziell Vorrang vor einer guten und nachhaltigen Klimabilanz.

Dies zeigen die Rückkehr der Kohle als Energieträger in Deutschland, der neue Run auf fossile Brennstoffe in den Vereinigten Staaten, aber auch das wiederauflebende Interesse einiger Länder an der Kernenergie.

Das derzeitige Wachstumstempo der erneuerbaren Energien reicht nicht aus, um das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen.

Was ist für die Zukunft zu erwarten? Die Entwicklung der erneuerbaren Energien seit dem Pariser Abkommen hilft zu verstehen, was uns in den nächsten Jahren erwartet.

Das erste internationale und rechtsverbindliche Klimaabkommen wurde am 12. Dezember 2015 in Paris auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP21)Externer Link verabschiedet. Es verpflichtet alle Länder zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen.

Das Pariser Abkommen hat zum Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wobei eine maximale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius angestrebt wird. Dazu muss bis 2050 eine Netto-Null-Bilanz der Emissionen (Klimaneutralität) erreicht werden.

Das Abkommen wurde von 196 Ländern unterzeichnet. Die Schweiz hat es 2017 ratifiziert.

In der Artikelserie «10 Jahre Pariser Abkommen» zeigt Swissinfo auf, was in der Schweiz und weltweit in den Bereichen Emissionen, erneuerbare Energien und Klimaforschung erreicht wurde.

Erneuerbare Energie seit 2015 fast verdoppelt

Die Entwicklung ist unübersehbar, egal ob in der Stadt oder auf dem Land: Überall sind Solarpanels aufgetaucht, auf Dächern und an Fassaden von Gebäuden, aber auch an ungewöhnlichen Orten wie zwischen Bahngleisen.

Allein in der Schweiz wurden laut dem Bundesamt für Energie im Jahr 2024 rund 56’000 neue Photovoltaikanlagen installiert, dreimal mehr als im Jahr 2020.

Im Vergleich zum globalen Trend ist das Wachstum der erneuerbaren Energien in der Schweiz (rund 30% seit 2015) jedoch geringer.

Angetrieben vor allem durch die Entwicklung der Solar- und Windenergie hat sich die weltweite Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt (+81%).

«In den zehn Jahren nach dem Pariser Abkommen gab es eine Beschleunigung der Wind- und Solarenergieproduktion in einem Ausmass, die bei anderen Technologien zur Stromerzeugung noch nie zuvor beobachtet wurde», sagt Kostantsa Rangelova, Analystin beim Thinktank EmberExterner Link, gegenüber Swissinfo. «Wir sind jetzt mitten in der Startphase», fügt sie an.

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China führt das Rennen um erneuerbare Energien an

China ist das Land mit den höchsten CO2-Emissionen. Es ist aber auch das führende Land im Bereich der erneuerbaren Energien. Im vergangenen Jahr wurden dort doppelt so viele Solar- und Windkraftanlagen installiert wie im Rest der WeltExterner Link.

Auch die USA und vor allem Indien und Brasilien verzeichneten im letzten Jahrzehnt ein deutliches Wachstum. Die grossen Schwellenländer, die sich in der BRICS-Gruppe zusammengeschlossen haben, erzeugten 2024 mehr als die Hälfte (51%) der weltweiten SolarstromproduktionExterner Link, gegenüber 15% im Jahr 2015.

Laut Rangelova bieten erneuerbare Energien Energieunabhängigkeit und wirtschaftliche Sicherheit, besonders in Ländern, die von Importen fossiler Brennstoffe abhängig sind, beispielsweise China und Indien.

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Rangelova führt aus, dass vor allem Innovationen das schnelle Wachstum der erneuerbaren Energien begünstigt haben. Neue Materialien und verbesserte Verfahren hätten die Effizienz gesteigert und die Kosten gesenkt.

«Heute bieten Solar- und Windenergie in den meisten Teilen der Welt die günstigsten Möglichkeiten für die Stromerzeugung in neuen Anlagen», sagt sie.

Erneuerbare Energien haben fossile Brennstoffe in allen Regionen der Welt mit Ausnahme des Nahen Ostens überholt. Deutschland, Spanien und Italien führen den Anstieg der installierten Leistung in Europa an.

Für Wolfram Sparber, Präsident der Vereinigung europäischer Forschungszentren für erneuerbare Energien (EUREC)Externer Link, hängt der Vormarsch der erneuerbaren Energien auch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zusammen.

«Dieser Angriff hat dazu beigetragen, das Interesse der europäischen Regierungen an der Eigenproduktion von Energie aus erneuerbaren Quellen zu steigern und ihre Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu verringern», sagt er.

Fast ein Drittel der weltweiten Elektrizität aus erneuerbarer Energie

Immer mehr Geld fliesst in erneuerbare Energien. Die weltweiten Investitionen in die Energiewende – darunter erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Ausbau der Stromnetze – erreichten 2024 einen Rekordwert von 2000 Milliarden DollarExterner Link (gegenüber 1200 Milliarden im Jahr 2015).

Das ist fast doppelt so viel wie die Investitionen in fossile Energie, wobei auch hier China und Asien die treibenden Kräfte sind.

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Das Ergebnis ist, dass der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromerzeugung von 23% im Jahr 2015 auf 32% im Jahr 2024 gestiegen ist. Heute erzeugen mehr als 60 Länder weltweit mehr als die Hälfte ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen.

Die Internationale Energieagentur prognostiziert in einem BerichtExterner Link, dass der Anteil erneuerbarer Energien am weltweiten Strommix bis 2030 rund 46% erreichen wird.

Die Schweiz ist eines der europäischen Länder mit dem höchsten Anteil erneuerbarer Energien für die Stromproduktion (67% im Jahr 2024), was vor allem auf die Wasserkraft zurückzuführen ist.

Der Beitrag von Photovoltaik und Windkraft bleibt hierzulande hingegen eher bescheiden: Mit nur 11% der aus Sonne und Wind erzeugten Elektrizität (gegenüber 28% in der EU) liegt die Schweiz laut einer in diesem Jahr veröffentlichten Studie der Schweizerischen Energie-StiftungExterner Link auf Platz 22 von 28 europäischen Ländern.

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Fossile Brennstoffe spielen weiterhin die Hauptrolle

Trotz des Aufwärtstrends bei den erneuerbaren Energien verläuft der Übergang zu einem Energiesystem, das mit einer globalen Erwärmung von 1,5°C vereinbar ist (der ehrgeizigsten Zielvorgabe des Pariser Abkommens), noch zu langsam.

Zwar stammen 32% der weltweiten Elektrizität aus erneuerbaren Energien, die restlichen 68% jedoch nicht. Gas, Kohle, Öl und in geringerem Ausmass auch die Kernenergie erzeugen weiterhin den Grossteil der ElektrizitätExterner Link.

Fossile Brennstoffe bilden nach wie vor das Fundament der weltweiten EnergieversorgungExterner Link, besonders bei der Energie zum Heizen von Gebäuden, zum Antrieb von Verbrennungsmotoren und für die Industrie.

Der Anteil fossiler Brennstoffe am weltweiten Energiemix beträgt 80% und ist damit gegenüber 83% im Jahr 2015 nur leicht zurückgegangen.

Die Umstellung der Energieversorgung braucht Zeit. Der Ersatz alter Infrastrukturen durch neue Technologien für erneuerbare Energien schreitet vor allem in Bereichen wie der Stromerzeugung und dem Leichtverkehr voran, bleibt aber in anderen Bereichen begrenzt, so die Autorinnen und Autoren des Berichts der Vereinten Nationen.

Bislang haben erneuerbare Energien weniger zum Ersatz fossiler Brennstoffe beigetragen als gewünscht. Vielmehr haben sie einen Beitrag zu einer Steigerung der Gesamtenergieproduktion geleistet, um die wachsende Nachfrage zu decken.

«Unzureichende nationale Ziele»

Bis 2030 sollte gemäss der Klimakonferenz von Dubai 2023 der Anteil erneuerbarer Energien verdreifacht werden. Doch dieses Ziel ist in weiter Entfernung.

Mehr noch: Seit der Konferenz haben sich laut einer Analyse von EmberExterner Link nur etwa 20 Länder, vor allem in Europa, ehrgeizigere Ziele gesetzt.

«Die Verdreifachung der erneuerbaren Energien in diesem Jahrzehnt ist der wichtigste Schritt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Trotz der historischen Verpflichtung, die in Dubai eingegangen wurde, sind die nationalen Ziele jedoch nach wie vor weitgehend unzureichend», meint Rangelova.

Die deutlichste Bremse ist in den Vereinigten Staaten zu beobachten, wo die Investitionen in erneuerbare Energien im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2024 um 36% zurückgegangenExterner Link sind. Ausschlaggebend dafür ist vor allem das veränderte politische Klima.

Im neuen und «grossen Amerika» von Donald Trump spielen fossile Brennstoffe wieder eine wichtige Rolle. Es wird weniger Anreize und mehr Beschränkungen für erneuerbare EnergienExterner Link geben, namentlich für die Windenergie.

Ein Schub könnte somit nicht nur aus Asien, sondern auch aus Afrika kommenExterner Link. Nicht mehr nur Südafrika importiert immer mehr Solaranlagen, sondern auch etwa 20 weitere afrikanische Länder, darunter Nigeria und Algerien.

Im September weihte Äthiopien den «Millennium-Staudamm» ein, den grössten Staudamm Afrikas und einen der grössten weltweit. Er wird Millionen von Menschen mit Strom versorgen.

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Schweiz im Dilemma: Umweltschutz oder Energieerzeugung?

Auch die Schweiz hinkt den gesetzten Zielen hinterher. Der Ausbau der Produktionskapazitäten aus erneuerbaren Quellen reicht nicht aus, um die Ziele eines Netto-Null-Emissionsszenarios zu erreichen, räumt die Regierung in einer Analyse aus dem Jahr 2022Externer Link ein.

Die Bau- und Betriebsgenehmigungen für neue Grossanlagen wie Solarkraftwerke in den Alpen stellten aufgrund potenzieller Interessenkonflikte mit dem Umweltschutz eine Herausforderung dar, so die Exekutive.

Das neue Stromgesetz, das im vergangenen Jahr vom Schweizer Stimmvolk verabschiedet wurde und die Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien vereinfacht, könnte in diesem Sinn sehr wichtig werden. Die Schweiz plant unter anderem 16 neue und grosse Wasserkraftprojekte.

Protektionismus und Handelszölle bremsen erneuerbare Energien

Gemäss Rochelle Gluzman, Sprecherin des internationalen politischen Netzwerks REN21Externer Link, das die Entwicklung erneuerbarer Energien weltweit fördert, gibt es bei Solarenergie und anderen Energien weiterhin eine starke Dynamik. Fragen zu Stromnetzen und Energiespeicherung hätten in vielen Ländern eine Priorität.

«Protektionismus, steigende Zölle und hohe Finanzierungskosten könnten jedoch die Verbreitung erneuerbarer Energien bremsen», sagt Gluzmann gegenüber Swissinfo.

Die Industrie brauche Klarheit, um wichtige und langfristige Investitionsentscheide treffen zu können, meint seinerseits Wolfram Sparber von EUREC. Die Entwicklung werde von politischen Entscheiden abhängen, «aber ich habe keinen Zweifel daran, dass erneuerbare Energien weltweit weiterhin wachsen werden».

Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen sind erneuerbare Energien zu einem unverzichtbaren Eckpfeiler der Energiewende geworden. Ohne politische Entscheide, die den Klimazielen gerecht werden, und strukturelle Investitionen besteht jedoch die Gefahr, dass ihr Potenzial nicht ausgeschöpft wird und teils nur ein Versprechen bleibt.

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Editiert von Gabe Bullard/Vdv, Übertragung aus dem Italienischen mithilfe von Deepl: Gerhard Lob/raf

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