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Wedeln für die Liebe

Die Liebe auf Sand gebaut - das Thema von Sibylle Bergs neuestem Theaterstück. Luzerner Theater

Sibylle Bergs neustes Bühnenstück "Hund Frau Mann" hatte diese Woche in Luzern Premiere.

Es geht um Liebe, Zweisamkeit und Einsamkeit.

Wenn Sibylle Berg, bekannt als Kolumnistin und Autorin mit spitzer Feder, ins dramatische Fach wechselt, sind die Erwartungen gross. Dass sie nur teilweise erfüllt wurden, lag nicht an den Schauspielern, nicht an der Inszenierung, sondern am Text.

Allen Paartherapien, Selbsterkennungskursen, asiatischen Kampfsportarten zum Trotz steigen die Scheidungsraten weiter. Heerscharen von Singles beiderlei Geschlechts preisen ihre Unabhängigkeit und sind doch dauernd auf der Suche. Es wird gedadet, gechattet, gemailt. Die Liebe scheint krank, Beziehungen auf Dauer unmöglich – aber warum denn nur?

Sibylle Berg hat in «Hund Frau Mann» nach Antworten gesucht. Gefunden hat sie für ihr Theater ebenso wenig eine wie andere zeitgenössische Dramatiker zur Zeit auch. In Zeiten des individualisierten «anything goes» keine einfache Aufgabe.

In der Wüste

Das UG ist sozusagen die kleine Bühne des Luzerner Theaters und befindet sich wie der Name sagt im Untergrund. Klein, fein und ideal für Inszenierungen, die Intimität brauchen, zu leichtgewichtig für die grosse Bühne sind. Dem diesjährigen Motto «Transit» angepasst, präsentiert sich das UG als grosse Wüste. Die Wände sind hinter einer riesigen Fotoleinwand versteckt, am Boden liegt Sand.

Zum Einlass grüsst ein Ehepaar im Pensionsalter. Hinter weissen Gardinen, im trauten Ehebette liegend, schauen sie fern. Weiss ist die Bettwäsche, im Hintergrund plärrt noch ein Radio. Der Hund liegt auf dem Boden, wacht.

In den besten Jahren

Gegenüber, sozusagen in der Wüste, treten Hund, Frau und Mann auf. Alle drei sind sie Singles, doch wedeln um Liebe kann nur der Hund. Was er auch ausgiebig tut. Die Frau und der Mann sind beide in den besten Jahren, also um die vierzig, und haben trotzdem nichts davon. Zumindest wenn man ihnen zuhört.

Frau: «Ich habe mich arrangiert, ich glaube nicht mehr an Wunder.»
Mann: «Mein Leben ist wie ein Tag im Oktober.»
Beide erzählen sie von amourösen Erlebnissen, die nicht wirklich antörnen.
Frau: «Er trug einen Slip mit einem Elefantenkopf drauf.»
Mann: «… wenn ich dann die Zellulitis unter dem Mieder ertaste…»
So möchten beide mehr und finden es doch nicht. Bis zu jenem Sonntag…

Mit sicherer Hand

Zügig hat Simone Blatter inszeniert. Dem Text Rhythmus und Struktur gegeben, ihm seine Unerbittlichkeit, die oftmals ins Klischeehafte fällt, gelassen, die drei Schauspieler Matthias Buss als Mann, Susanne Abelein als Frau und Elisabeth Rolli als Hund mit sicherer Hand geführt. Und sie machen ihre Sache gut.

Die Frau, die so schnell in eine hohe Tonlage verfällt, wenn sie glaubt wieder einmal missverstanden worden zu sein. Der Mann, der eigentlich mehr auf den Claudia Schiffer-Typ steht, das Alleinsein trotzdem satt hat und nimmt, was kommt oder sich ihm bietet. Der Hund, der von den leicht Verliebten adoptiert und damit zur Erzählergestalt wird.

So nimmt die forsch-neue Beziehung ihren Lauf und ist doch schon auf Wüsten-Sand gebaut. Bald schon ziehen sie zusammen – so lang dauert das Leben ja nicht mehr – kaufen gemeinsam Möbel, richten sich ein, und bald fängt auch die Hund-Kinderersatz-Erziehung an.
Frau: Sitz!
Mann: Platz!
Frau: Sitz!
Mann: Platz!
Und so fort.

Faule Wurzeln

Nach einem Paris-Aufenthalt in der Stadt der Liebe ist klar, dass diese Liebe bereits faule Wurzeln hat. Der Frau hats gefallen, sie liebt die Stadt, sie lacht und gurrt. Der Mann hasst Städte und verstummt immer mehr, denn Schweigen ist Gold, und Frau will ja belogen sein. Der Sex findet nicht mehr statt. Beate Uhse schafft auch keine Abhilfe, bloss Peinlichkeiten.

Bis hierher so gut. Sibylle Berg, Jahrgang 1962, scheinen die Nöte, Ängste der Forty-Something-Generation nicht unbekannt. Die latenten Frustrationen der Frau, versteckt hinter Make-Up, Ansprüchen und Aufbrüchen. Das Verstummen des Mannes, hinunter gespült mit Bier, übertüncht mit Blumen, Flucht in die Hypochondrie. Der Hund nimmt, wo er kann und fährt am Besten damit.

Kein Ausweg

Doch zum Schluss trägt Berg viel, zu viel auf. Irgendwie muss es ja einen Ausweg aus dieser vermaledeiten Beziehungskiste geben. Der Mann möchte wieder alleine wohnen. Die Frau fühlt sich betrogen und fesselt ihn ans Bett. Die Frau als Rächerin, und später, als der Mann jeden Lebenswillen aufgegeben hat, als Krankenschwester. Und so leben sie zusammen bis ans glückliche Ende? Oder liegen noch immer in ihrem Ehebett und schauen fern, hinter weissen Gardinen…

Was als Kurzgeschichte, als Text allenfalls, noch plausibel erscheinen könnte, wirkt auf der Bühne unglaubwürdig. Schade! Denn hätte sich Berg auf ihre Stärke, die Rhetorik, ihren scharfen Witz besonnen, hätte sie diesen dramaturgisch unglücklichen Hilfsgriff nicht nötig gehabt.

So bleibt ein Stück, das unterhaltsam inszeniert und gut gespielt ist, im Schlussteil seine Glaubwürdigkeit jedoch verspielt. Dabei hätten wir diese Beziehungs-Farce so dringend nötig gehabt, bloss um uns zu überzeugen, wie gut wir es haben. Sei es als Single oder in einer rundum glücklichen Beziehung. Wau!

swissinfo, Brigitta Javurek

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