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Fussball-Hochsaison für Jean-Luc Bideau

Jean-Luc Bideau in ländlicher Umgebung von Genf. swissinfo.ch

Mit "Futurofoot" am Fernsehen und "Klapzuba XI" auf der Bühne wird der Genfer Schauspieler, der auch noch als "VIP-Blogger" während der Euro 08 für swissinfo fungiert, im Juni einen fussballreichen Monat verbringen.

Ein sonniger Morgen. Das Café, in dem wir uns treffen wollten, ist geschlossen. «Machen wir das Interview draussen im Grünen?», fragt Bideau.

Also begeben wir uns auf einem idyllischen Weg hinaus in die Genfer Landschaft und sprechen über Fussball und Kultur.

Jean-Luc Bideau hat sich im Theater, Kino und Fernsehen einen Namen gemacht. Aber er war schon seit jeher auch ein begeisterter Anhänger des runden Leders. Im kommenden Juni kann er nun seine zwei Leidenschaften, Theater und Fussball, gemeinsam ausleben.

swissinfo: Ab dem 9. Juni wird man Sie im Westschweizer Fernsehen in der Serie «Futurofoot» und gleichzeitig auf der Bühne sehen können.

Jean-Luc Bideau: Das war die Idee von meiner Frau Marcela, die ursprünglich aus Tschechien stammt. Dort gibt es einen wunderbaren Roman, den alle kennen, «Klapzuba XI», auf Deutsch «Klapperzahns Wunderelf», von einem gewissen Eduard Bass. Es ist die Geschichte eines Bauern, der seine elf Kinder zum Fussballspiel ermuntert anstatt zur Feldarbeit. Sie spielen immer besser, steigen auf, treffen auf Sparta Prag, gewinnen die tschechische Meisterschaft, schlagen England und werden zu guter Letzt Weltmeister!

Marcela hatte den Roman ins Französische übersetzt, nun wurde er fürs Fernsehen adaptiert. Der Produzent machte aus dem Bauern, der seine elf Kinder aufzieht, einen Professor in einem Labor… Ich erkläre, wie man einen Gegner schlägt, natürlich unter diesen absolut irren Bedingungen. Ich spiele diesen Professor, der nicht Blatter, sondern Blotter heisst!

swissinfo: Man hat Sie in «H» gesehen, zusammen mit Djamel, Eric und Ramzy… Knüpfen Sie jetzt wieder an die Fernsehserie an, weil sie dieses Format mögen?

J.-L. B.: Ich habe meine Karriere nie bewusst in eine Richtung gesteuert! «H» ist mir einfach so passiert, ohne dass ich darauf gewartet hätte. Mit dem neuen Projekt ist es genauso. So ist das in meinem Beruf. Engagement reiht sich an Engagement. Ich selber tue nichts dafür, doch ich nehme die Angebote an.

swissinfo: «Klapzuba XI» wird auch im Théâtre Saint-Gervais in Genf gezeigt.

J.-L. B.: Ja, gleichzeitig, aber es wird eine Aufführung sein, die viel mehr Rücksicht auf die Geschichte nimmt. Die zwei Projekte «Futurofoot» am Fernsehen und «Klapzuba XI» im Theater haben dieselbe Basis, nämlich Marcelas Übersetzung des Buches.

Das Stück wird während der Euro 08 gespielt. Jene, die nicht an die Spiele gehen können, kommen zu uns! Es ist eine wunderbare, aber auch sehr lustige Geschichte. Man wird die Stimmen von Jean-Jacques Tillman und Squibbs (zwei ehemalige Sportreporter, Anm.d.Red.) hören, dem grossen Fussballkenner Jacques Ducret wie auch dem Schauspieler Jacques Probst begegnen.

Es ist zugleich die Geschichte «Klapzuba XI» und die wehmütige Erinnerung an den Fussballclub Servette Genf. Um mich auf die Aufführung vorzubereiten, habe ich es gemacht wie Sie: Ich schnappte mir ein Mikrofon und interviewte die damaligen Spieler der legendären Epoche von Servette: Fatton, Star und Gedächtnis des Klubs, Pazmandy, Guyot… Servette, das «Stade des Charmilles», das hat für mich etwas Mythisches.

swissinfo: Wenn sich Bideau in die Haut eines Journalisten versetzt und die Spieler seiner Jugend besucht, wie fühlt sich das an?

J.-L. B.: Sehr emotional. «Jacky» Fatton ist 82jährig. Er ist ein sehr sanfter Mensch – er hat in seinem ganzen Leben nur eine einzige gelbe Karte erhalten! Als ich ihn fragte, ob er mit beiden Füssen gespielt hatte, antwortete er mir: «Nein, vor allem mit dem Linken.» Er erinnert sich an alles. Er leiht uns für die Aufführung seine Fussballschuhe, sein Spielertrikot – für mich ist das einfach wunderbar. Jeder dieser Männer redete drei Stunden lang, sie wollten nicht mehr aufhören!

Zu jener Zeit drehte sich noch nicht alles nur um das Geld. Pazmandy, ein Flüchtling aus Ungarn, arbeitete in einer Fabrik. Die Fabrik liess diese jungen Burschen um 17 Uhr gehen, sie trainierten dann von 17 bis 20 Uhr, das war für sie etwas ganz Neues!

swissinfo: Heute schwimmt der Fussball im Geld. UEFA und FIFA – ist das mittlerweile dieselbe Liga wie Universal, Warner oder Sony?

J.-L. B.: Absolut, Fussball ist eine Geldmaschine geworden. «Non profit-Institutionen» machen ein Vermögen!

swissinfo: Welche Mannschaften unterstützen Sie?

J.-L. B.: Ich bin ein Fan von Servette Genf geblieben und unterstütze auch die Schweizer Nationalmannschaft, meine Traumtruppe. Es gibt aber auch Mannschaften, die ich nicht unterstützen mag, warum, weiss ich eigentlich auch nicht. Paris Saint-Germain und Olympique Marseille zum Beispiel; da krieg ich manch böses Wort zu hören von meinen französischen Kumpels.

Ich bin bi-national, doch die Schweizer Nati ist und bleibt meine Mannschaft. Als die Schweiz in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Bern gegen Frankreich 1:1 spielte, freute ich mich riesig, ich bin beinahe ausgeflippt. In dieser Hinsicht bin ich schon ein wenig nationalistisch.

swissinfo: Was antworten Sie Brassens, der sang: «Die Masse bekommt den Menschen schlecht, denn sobald mehr als vier zusammenhocken, wird’s ein Deppenhaufen?»

J.-L. B.: Brassens ist ein Anarcho. Schön gesagt, ist heute vielleicht gültiger denn je. Stimmt genau. Er sagt es, er hat recht, wir lachen uns kaputt… doch im Endeffekt ist die Wirklichkeit dann doch anders!

swissinfo-Interview: Bernard Léchot, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Jean-Luc Bideau wurde 1940 in Genf geboren. Er ging nach Paris ans Conservatoire national supérieur d’art dramatique und liess sich zum Schauspieler ausbilden. Danach folgten einige magere Jahre.

In den 1970er-Jahren machte Bideau Karriere, und zwar dank dem Westschweizer Filmschaffen. Er spielte in «James ou pas» (Michel Soutter, 1970), «La Salamandre» (Alain Tanner, 1971), «L’invitation» (Claude Goretta, 1973).

Seine Filmkarriere in Frankreich führte ihn durch alle Genres, von der Komödie bis hin zum Drama.

Parallel zum Kino pflegte er immer auch das Theater. Jean-Luc Bideau war während zehn Jahren Mitglied der Comédie-Française und spielte unter der Regie seiner Frau, Marcela Salivarova, mehrere One man shows.

Réalisation: Noël Tortajada.

Mit Jean-Luc Bideau, Jean-Louis Johannides und Pierre Mifsud.

Die Fernsehserie wird ab dem 9. Juni auf dem Westschweizer Frensehen TSR ausgestrahlt.

Auf den französischen Sendern «Direct 8» und «Orange TV» wird die Serie ebenfalls gesendet. Sie wird technisch so angepasst, dass sie auch auf Orange mobile empfangen werden kann (ausschliesslich in Frankreich).

Zu sehen in Genf, im Théâtre Saint Gervais, vom 17. bis zum 28. Juni.

Das Stück basiert auf einer Novelle des tschechischen Autors Eduard Bass – Pseudonym von Eduard Schmidt (1888-1946). Dieser war zuerst Schauspieler und schrieb Stücke für das Kabarett, bevor er sich dem Journalismus und der Literatur zuwandte. Er verfasste satirische Verse und Chroniken über das Alltagsleben in Prag, sowie Novellen und Romane.

Der Originaltext, übersetzt von Marcela Bideau-Salivarova, erschien im Verlag L’Age d’Homme.

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