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Liberia: Zwei Millionen Franken gesperrt

Liberias Präsident Taylor ist vom Sierra-Leone-Tribunal wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Keystone

Auf Schweizer Banken sind Konten von zwei Personen aus dem Umfeld des liberianischen Präsidenten Charles Taylor gesperrt worden. Von Taylor selber wurden keine Konten gefunden.

Auf den gesperrten Konten sind insgesamt zwei Millionen Franken.

Der letztes Jahr eingerichtete Sondergerichtshof für Sierra Leone, dem Nachbarstaat Liberias, hatte die Schweiz im Juni ersucht, Vermögenswerte von Taylor zu sperren und die entsprechenden Bankunterlagen zu erheben. Das Rechtshilfe-Ersuchen betrifft auch die Angehörigen Taylors, Vertreter seines Regimes sowie Geschäftsleute und Firmen.

Keine persönlichen Konten Taylors

Das Bundesamt für Justiz (BJ) trat auf das Gesuch ein und wies in der Folge Banken in Genf und Zürich an, vorhandene Konten vorsorglich zu sperren. Laut Rückmeldung der Banken seien insgesamt zwei Millionen Franken gesperrt worden, teilte das BJ am Mittwoch mit. Konten, die auf Präsident Taylor lauten, seien nicht gefunden worden.

Nach der formellen Vorprüfung delegierte das Bundesamt den Vollzug des Rechtshilfe-Ersuchens nun an die Bundesanwaltschaft.

Als die Schweiz vor rund einem Monat auf die Rechtshilfe eingetreten war, hatte David Crane, Ankläger des Kriegsverbrecher-Gerichts für Sierra Leone, den Schritt begrüsst: “Die Schweizer Kooperation wird mithelfen, Taylors Finanzströme zu entschlüsseln und die Profite aus seinen kriminellen Aktivitäten aufzulisten.”

Die Schweiz unterstützt den unabhängigen Gerichtshof, indem sie ihm für eine Dauer von drei Jahren zwei Experten zur Verfügung stellt.

Kriegsverbrechen und Blutdiamanten

Der Sondergerichtshof für Sierra Leone hatte Anfang Juni Anklage gegen den liberianischen Präsidenten Taylor erhoben: Taylor soll einer der Hauptverantwortlichen für die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bürgerkrieg in Sierra Leone gewesen sein.

Das Tribunal wirft Taylor weiter vor, er habe während des Bürgerkriegs im Nachbarland Sierra Leone zwischen 1996 und 2001 zwei der dortigen Rebellengruppen finanziell und militärisch unterstützt. Dafür soll er Rohdiamanten erhalten haben, deren Erlös unter anderem in die Schweiz geflossen sein soll.

Zudem verlängerte der UNO-Sicherheitsrat kürzlich die Sanktionen gegen Liberia um ein Jahr. Als UNO-Mitglied setzt auch die Schweiz diese Sanktionen um.

Intensivste Bankbeziehungen

Liberia ist gemäss der Bankenstatistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) das afrikanische Land mit den intensivsten Finanzbeziehungen zur Schweiz.

Laut den jüngsten Zahlen, die auf Angaben von 110 Banken beruhen, hatte Liberia Ende letzten Jahres Guthaben in der Höhe von 2,116 Mrd. Franken bei Banken in der Schweiz. Hinzu kamen Treuhandguthaben in der Höhe von 2,372 Mrd. Franken. Zusammen also insgesamt 4,488 Mrd. Franken.

Die Schulden Liberias gegenüber den Schweizer Banken beliefen sich im gleichen Zeitraum auf 1,712 Mrd. Franken.

“Diese Zahlen sind nicht neu”, hatte Tanja Kocher, Sprecherin der Schweizerischen Bankenkommission (EBK), im Juni gegenüber swissinfo erklärt. “Es gibt kein Finanz-Embargo gegen Liberia, also ist es kein Problem, in der Schweiz ein Konto zu eröffnen.”

Die EBK überwacht im Auftrag des Bundesrates weite Bereiche des Schweizer Finanzsektors. “Natürlich muss jede Bank, die liberianisches Geld annimmt, überprüfen, woher es kommt und wer der Begünstigte ist”, gab Kocher zu bedenken.

Kritische NGO-Studie

Das Thema liberianische Guthaben auf Schweizer Banken taucht auch in einer umfassende Studie der britischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Global Witness von Ende März auf.

Im Zentrum der Studie stehen Liberias Waffenhandel und Söldnerdienste in Elfenbeinküste und Sierra Leone. Die Guthaben auf Schweizer Konten seien höchstwahrscheinlich für illegale Waffenkäufe abgezweigte Regierungsgelder, schreibt die Organisation.

“Präsident Taylor hat vor einigen Monaten zugegeben, Gewinne aus Holzlizenzen für Waffenkäufe zu verwenden. Viel von diesem Lizenzen-Geld geht auf verschiedene Konten. Eines davon in der Schweiz”, hatte Alice Blondel, Sprecherin von Global Witness im Juni gegenüber swissinfo erklärt.

Die Gelder aus den Lizenzen sollen via Schweizer Konten nach Burkina Faso verschoben worden sein. Die liberianische Senatorin und Präsidenten-Beraterin Grace Minor habe 1993 in Zürich ein Konto für Taylor eröffnet, schreibt die NGO.

swissinfo und Agenturen

Immer wieder gibt es Hinweise, dass Kriegstreiber aus Westafrika den Finanzplatz Schweiz missbrauchen, um Waffenembargos oder andere Massnahmen der UNO zu umgehen und um sich selber zu bereichern – einer der umstrittenen Politiker ist Liberias Präsident Charles Taylor.

In den letzten Tagen ist der Kampf zwischen Rebellen und den Anhängern Taylors in Liberia erneut heftigst aufgeflammt. Die Zivilbevölkerung gerät immer mehr zwischen die Fronten. Hunderte von Menschen kamen ums Leben.

Die UNO versucht, die USA zu einem Friedenseinsatz in Liberia zu bewegen; vorerst ohne Erfolg.

Liberias Präsident Charles Taylor wurde am 4. Juni 2003 vom Sonder-Gerichtshof für Sierra Leone wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

Er soll im Bürgerkrieg in Sierra Leone (1996-2001) Rebellen unterstützt haben, die gegen die Zivilbevölkerung vorgingen.

Als Gegenleistung soll er von den Rebellen “Blutdiamanten” erhalten haben, die für Milliarden in Belgien, der Schweiz und andern Ländern abgesetzt worden sein sollen.

Menschenrechts-Gruppen und die UNO werfen Taylor vor, sich durch den illegalen Handel mit Diamanten und Waffen selbst bereichert zu haben.

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