
Milosevic-Verhaftung: ein Schritt in Richtung Demokratie

Die offizielle Schweiz zeigt sich, wie die meisten westlichen Regierungen und Bündnisse, erfreut über die Verhaftung von Slobodan Milosevic. Die Schweizer Chefanklägerin in Den Haag, Carla Del Ponte, erwartet die Auslieferung noch dieses Jahr.
In einer dramatischen Polizeiaktion am Sonntagmorgen (01.04.) ist der frühere jugoslawische Staatschef Slobodan Milosevic verhaftet und ins Zentralgefängnis von Belgrad gebracht worden. Der 59-jährige Milosevic soll des Amtsmissbrauchs und der Korruption angeklagt werden. Bei einem Schuldspruch sieht das Gesetz eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft vor. Allfällige Kriegsverbrechen zu untersuchen, steht nicht im Pflichtenheft der jugoslawischen Behörden.
Verhaftung als Tauschgeschäft
Nach dem gescheiterten Zugriffsversuch in der Nacht auf Samstag, der mit einer Schiesserei endete, nahmen beide Seiten Verhandlungen auf. Diese dauerten 26 Stunden und seien laut Regierungskreisen extrem schwierig gewesen. Milosevic habe sich stur gezeigt. Ausschlaggebend für sein Aufgeben sei die Zusage gewesen, ihn nicht an das UN-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag auszuliefern.
Laut Angaben von SR DRS hätte die «Volkswache» aus Anhängern des entmachteten starken Mannes das Feld auf Befehl seiner Sozialistischen Partei geräumt, als sich ein Verhandlungserfolg abgezeichnet habe.
Westen erfreut
Die USA, die Europäische Union (EU) und die NATO begrüssten die Verhaftung und sprachen sich für eine Auslieferung Milosevics aus. US-Präsident Bush rief die neue jugoslawische Führung dazu auf, Milosevic zu überstellen. Der amtierende EU-Ratspräsident Goran Persson sagte, die EU halte an der Auslieferung fest, werde aber keinen unnötigen Druck ausüben. Begrüsst wurde die Verhaftung auch vom britischen Aussenminister Robin Cook. Der französische Präsident Jaques Chirac sagte, er habe lange auf diesen Tag gewartet. Auch die offizielle Schweiz ist erfreut. Bundesrat Joseph Deiss sagte gegenüber SR DRS, die Verhaftung sei ein wichtiger Schritt im Demokratisierungsprozess Jugoslawiens.
Russland: «Einmischung in innere Angelegenheit»
Russland bezeichnete die Festnahme Milosevics als «innere Angelegenheit» Jugoslawiens. Durch Druck von aussen bestehe die Gefahr, dass die demokratischen Kräfte in Belgrad geschwächt würden, erklärte der Sprecher des Aussenministeriums.
Chefanklägerin Del Ponte gibt sich zuversichtlich
Die Chancen stünden nicht schlecht, Milosevic vor das UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal zu bringen, meinte Del Ponte in der «Tagesschau» von SF DRS.
«Die Auslieferung braucht aber mehr Zeit und geht nicht von heute
auf morgen, vielleicht aber in wenigen Monaten», sagte sie.
Die Zusammenarbeit mit den jugoslawischen Behörden nach einem festen Plan laufe sehr gut. Wie der Plan aussieht, wollte Carla del Ponte nicht sagen. Sollte Milosevic dereinst in Den Haag vor Gericht stehen, könne seine Schuld bewiesen werden. Die erste Anklageschrift sei stichhaltig. «Wir haben genügend Beweise», sagte Del Ponte.
Milosevic wurde im Mai 1999 vom UN-Tribunal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstosses gegen die internationalen Bestimmungen zur Kriegsführung angeklagt.
swissinfo und Agenturen

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