Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Papst nimmt Dialog mit Hans Küng wieder auf

Papstaudienz für Hans Küng, ein Schritt in Richtung Versöhnung? Keystone

Mit einer überraschenden Audienz für einen seiner schärfsten Kritiker, den Schweizer Theologen Küng, hat Papst Benedikt XVI. ein Zeichen des Dialogs gesetzt.

Beide Seiten bezeichneten das mehrstündige Gespräch als “freundschaftlich”. Es fand am Samstag in der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo statt.

“Ich bin sicher, dass das Treffen in der katholischen Welt als hoffnungsvolles Zeichen gesehen wird”, sagte der 77-jährige Küng am Montag. Denn es beweise, dass Benedikt bessere Absichten hege, als manche zu Beginn seines Pontifikats erwartet hätten.

Sie hätten mehrere Stunden lang angeregt diskutiert. Das Gespräch sei “ermunternd, sehr konstruktiv und sogar freundlich verlaufen”. Die Audienz sei sicher ein Fortschritt, “aber von Versöhnung will ich nicht sprechen. Sie ist vielmehr ein Zeichen des gegenseitigen Respekts”, erklärte Küng.

Er habe wenige Wochen nach der Wahl Benedikts an das neue Kirchenoberhaupt geschrieben, “in der Hoffnung, dass trotz aller unterschiedlicher Auffassungen ein Dialog zu Stande kommt”, so Küng weiter. Er habe aber klar gemacht, dass er nicht die Rückgabe der Lehrbefugnis fordern wolle. Papst Benedikt habe “rasch und sehr freundlich geantwortet” und ihn eingeladen.

Überraschendes Treffen

Der Vatikan hatte dem katholischen Theologen 1979 wegen dessen Kritik am Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit die Lehrerlaubnis entzogen.

Mit der überraschenden Audienz für den prominenten Kirchenkritiker setzte Papst Benedikt XVI. fünf Monate nach Beginn seines Pontifikats ein Zeichen des Dialogs. Der Streit zwischen Küng und dem Lehramt der katholischen Kirche kam bei dem Treffen nicht zur Sprache.

Vatikan-Sprecher Navarro-Valls teilte mit, der Papst und der streitbare Theologe hätten über zwei Bereiche diskutiert, die in jüngerer Zeit im Mittelpunkt von Küngs Arbeit gestanden haben: die Frage des Weltethos und der Dialog der Vernunft der Naturwissenschaften mit der Vernunft des christlichen Glaubens.

Benedikt würdigte das Bemühen des Theologen, “im Dialog der Religionen wie in der Begegnung mit der säkularen Vernunft zu einer erneuerten Anerkennung der wesentlichen moralischen Werte der Menschheit beizutragen”.

Küng seinerseits habe seine Zustimmung zu den Bemühungen des Papstes um den Dialog der Religionen und um die Begegnung mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen der modernen Welt ausgedrückt, heisst es in der Erklärung des Vatikans, die von Küng nach eigenen Angaben gebilligt worden sind.

Der Eklat

Ratzinger und Küng kennen sich bereits aus der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und arbeiteten in Tübingen eine Zeit lang gemeinsam als Dogmatik-Professoren.

Dem Schweizer Theologen war von Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. 1979 die Lehrbefugnis entzogen worden. Küng hat in seinen Publikationen unter anderem die von der Kirche zum Dogma erhobene Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen kritisiert.

Später wandte er sich gegen einen römischen Zentralismus etwa bei Bischofsernennungen oder das Zölibat. Seine Bücher wurden Bestseller, etwa “Unfehlbar? Eine Anfrage”, “Wozu Priester?” oder “Freiheit des Christen” sowie “Existiert Gott?”.

Enttäuschung nach Papstwahl

Er war auch ein scharfer Gegner der Positionen von Papst Johannes Paul II. Im April bezeichnete Küng die Wahl Joseph Ratzingers (78) zum Papst als “Riesenenttäuschung” für alle Reform-Orientierten.

Im Vorfeld seines 75. Geburtstags hatten nicht nur innerkirchliche Reformkräfte eine Rehabilitierung Küngs gefordert. Sogar der römische Kurienkardinal Walter Kasper sprach sich 2003 für eine “Versöhnung” zwischen dem Vatikan und Küng aus.

Nach der grossen Kontroverse der Jahre 1979 und 1980 habe er den heutigen Papst nur noch einmal gesehen, sagte der Schweizer Theologe nach dem überraschenden Treffen vom Samstag. Damals sei die Lage noch sehr angespannt gewesen. Nunmehr habe er den Eindruck gehabt, die gleiche Person wie in den glücklichen Tübinger Jahren wiedergetroffen zu haben.

swissinfo und Agenturen

1960: Hans Küng unterrichtet an der katholischen Fakultät der Universität Tübingen erst Fundamental-Theologie, dann Dogmatik und ökumenische Theologie.

1962-65: Küng und Joseph Ratzinger arbeiten gemeinsam als theologische Berater für das Zweite Vatikanische Konzil.

1966: Küng holt Ratzinger an den Lehrstuhl für Dogmatik nach Tübingen und verteidigt ihn vehement gegen Kritiker.

1979: Weil er die Unfehlbarkeit des Papstes in theologischen Fragen anzweifelt, wird Küng die Lehrerlaubnis entzogen. Ratzinger soll den Entscheid mitgetragen haben.

Nachdem Johannes Paul II. sich 25 Jahre lang geweigert hatte, willigte Benedikt XVI. in ein Treffen mit dem 77-jährigen Hans Küng ein.

Die Audienz fand einen Monat nach der Zusammenkunft mit dem Führer der erzkonservativen katholischen Bruderschaft von Bischof Lefebvre statt.

Die Bruderschaft, deren Seminar in Ecône im Wallis steht, hatte den Vatikan als zu liberal kritisiert und sich von der Kirche abgespaltet.

Küng forderte vom Vatikan eine offenere und kollegialere Politik.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft