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Exilkubaner:innen fordern eine andere Kuba-Politik der Schweiz

Ignazio Cassis de visita en Cuba
Beim Treffen des Schweizer Aussenministers Ignazio Cassis am 10. April 2023 mit seinem kubanischen Amtskollegen Bruno Rodríguez in Havanna ging es auch um das Ende der Entwicklungszusammenarbeit. EDA

In den autokratisch kontrollierten kubanischen Medien bleiben die Schweizer Bedenken wegen Menschenrechten unerwähnt, sagt der kubanische Journalist Iván García über den letzten Besuch des Schweizer Aussenministers.

Mitte April besuchte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis Kuba. Der offizielle Besuch fand anlässlich des schrittweisen Rückzugs der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit aus Kuba statt. Bis Mitte 2024 beendet die Schweiz alle ihre Länderprogramme in Lateinamerika, womit auch das Kuba-Programm – bis jetzt ein Schwerpunkt der Schweiz – endet.

Mit den kubanischen Autoritäten besprach Cassis aber auch die Menschenrechtssituation auf der Insel.

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Die Staatsmedien in Kuba berichteten über den Besuch von Cassis und den Dank der kubanischen Regierung für die Entwicklungen, die das Schweizer Engagement in Kuba ausgelöst hat.

Corresponsal del Diario Las Américas, con sede en Miami.
Iván García, periodista independiente en Cuba. swissinfo.ch

Allerdings sei dabei “keine einzige Zeile über das Ende dieser Zusammenarbeit, nach über 20 Jahren, erschienen. Bis heute hat diese Hilfe viel bewirkt für die Insel, aber diese fehlende Transparenz führt dazu, dass diejenigen, die von diesem Engagement profitieren, nicht wissen, was ihnen bevorsteht”, sagt der unabhängige Journalist Iván García.

Das Länderprogramm in Kuba endet 2024

Die Schweizer Agentur für internationale Zusammenarbeit DEZA hat in La Havanna 2000 ein Büro eröffnet und von da an ein Programm aufgebaut. Seit 2013 wurde Kuba als Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe betrachtet.

Die Programme und Projekte in Kuba kosteten die Schweiz während der Periode 2017 bis 2021 56 Millionen Franken. Für die Jahre 2022 bis 2024 sind 15,3 Millionen Franken vorgesehen.

Besonders fokussierte das Programm auf die Frage der Partizipation in der Lokalentwicklung, den Zugang zu Nahrungsmitteln und die Inklusion, speziell jene der Frauen.

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In den über zwei Jahrzehnten bewirkte das Engagement Positives für das Wohl der Gemeinschaft. Etwa im Fall des Netzwerks MediCuba-Suiza, eine Schweizer Organisation aus der Zivilgesellschaft, die von der DEZA mitfinanziert wird und die ein breites Spektrum an Massnahmen koordiniert, die das kubanische Gesundheitssystem stärken.

Dazu gehörte etwa die Beschaffung der ersten Grundausrüstung des Zentrums für Molekulare Immunologie in La Havanna. “Diese ermöglichte dem Zentrum einen erfolgreichen Start seiner Aktivitäten, in der Forschung und später in der Medikamentenproduktion, die heute international Anerkennung geniesst. Dies gilt zum Beispiel für den Impfstoff gegen Lungenkrebs”, sagte Martin Herrmann, Co-Präsident von MediCuba, vor einigen Jahren im Interview mit SWI swissinfo.ch.

Nachricht an die Schweiz, ein “Musterbeispiel für Demokratie”

Um Kritik an der Schweizer Unterstützung zu sehen, reicht ein Blick auf die Reaktionen auf den Kuba-Besuch von Ignazio Cassis auf der Facebook-Seite der Schweizer Botschaft in KubaExterner Link.

Einer der Kritiker:innen dort ist Julián Daniel Jiménez Krause, Sohn der Ärztin Monika Krause, in Kuba bekannt als “die Verteidigerin der Frauen”. Jiménez Krause fasst die Petition der Exilierten zusammen:

„Ich bitte Sie, dass sich die Schweiz für die mehr als 1000 politischen Gefangenen einsetzt, die von der Diktatur mehr als 600 Tage lang aus dem Leben gerissen wurden. Ich fordere die Schweiz, weltweit ein Musterbeispiel an Demokratie, auf, ihre Kuba-Politik neu auszurichten und ihre Zusammenarbeit mit dem totalitären Staat Kuba davon abhängig zu machen, dass sich in den Kerkern des Regimes kein einziger gewaltloser politischer Gefangener befindet. Vielen Dank.”

Tania Quintero, eine kubanische Journalistin, die in die Schweiz geflüchtet ist, wiederum möchte, dass das Alpenland keinen Diktaturen mehr hilft: “Ein demokratisches Land wie die Schweiz muss vorsichtig sein in der Vergabe von Hilfe an Regierungssysteme wie jenes in Kuba, das hunderte Personen seit zwei Jahren ins Gefängnis gesteckt hat.

Diesen Umstand bestätigt der Journalist Iván García von La Havanna aus: “Ich habe Verhaftungen, Belästigungen und Feindseligkeiten durch die Sonderdienste des Regimes erlitten. Andersdenkende werden unterdrückt, eingesperrt oder ins Exil getrieben.”

García sagt, dass diejenigen, die heute nötige Veränderungen und Freiheit fordern, keine feste Gruppe der friedlichen Opposition seien, sondern normale Kubaner:innen. “jene, die Kaffee ohne Milch und Brot ohne Butter frühstücken”.

Die Proteste vom 11. Juli 2021 und den folgenden Demonstrationen hätten die Bürger:innen ins Zentrum gerückt. “Acht von zehn Personen, mit denen ich spreche, fordern echte und grundsätzliche Reformen. Kurz: Sie fordern eine demokratische Gesellschaft. Noch herrscht Angst vor, aber mit der Zeit werden sich die Leute ohne Tabus gegen das Regime aussprechen.”

In einem Jahr und drei Monaten sind mehr als 330’000 Personen aus Kuba in die USA emigriert. Dies entspricht 3% der Bevölkerung, sagt García, der optimistisch ist, dass sich auf der Insel etwas verändert.

García sagt: “Obwohl die meisten Dissident:innen ausgewandert sind oder, wie viele unabhängige Journalist:innen, im Gefängnis sitzen, glaube ich immer noch, dass die Demokratie nach Kuba kommt. Es ist eine Frage der Zeit.”

Übertragung aus dem Spanischen: Benjamin von Wyl

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