E-ID: Ein sehr knappes Ja
Ein Ja wurde erwartet, es blieb aber spannend bis zum Schluss. Die elektronische Identität wird mit 50,4% denkbar knapp angenommen.
Bis zur Auszählung des letzten Kantons – Zürich – blieb unklar, ob die E-ID angenommen wird oder nicht. Mit 50,4% der Ja-Stimmen (1’384’549 Stimmen) war es ein denkbar knapper Ausgang – den Unterschied machten gerade einmal 21’266 Stimmen. Das erstaunt: Die Umfragen im Vorfeld sahen ein relativ deutliches Ja voraus.
Wie konnte es soweit kommen? Noch zwei Wochen vor der Abstimmung ging man von einer «hohen Wahrscheinlichkeit der Annahme» aus, sagte Lugas Golder vom Meinungsforschungsinstitut GFS Bern, das im Auftrag der SRG die Umfrage durchführte.
Nun sagt er: «Die bürgerliche Seite konnte am Schluss nochmals mobilisieren. Das ist eher untypisch in dieser Legislatur.» Oft seien es die Städte gewesen, die am Schluss mobilisieren konnten. «Jetzt ist das Gegenteil passiert», so Golder gegenüber SRFExterner Link.
Gerade auf dem Land habe es eine deutliche Mobilisierung und Teilnahme gegeben – vor allem die Abstimmung zum Eigenmietwert habe mobilisiert. Und zwar eine tendenziell konservative Klientel, die sich gegen die E-ID entschied. Die elektronische Identität ist somit zum Kollateralschaden der Eigenmietwert-Vorlage geworden.
Während des Abstimmungskampfs ging es vor allem um Fragen des Datenschutzes. Die haben laut Golder auch den Unterschied gemacht. «Seit Corona beobachten wir ein stärkeres Misstrauen gegenüber dem Staat. Bei der E-ID kommt wohl wieder ein Gefühl von einem Zwang auf. Da haben wir viel Kritikpotenzial.»
Das fasste Justizminister Beat Jans nach dem Urnengang so zusammen: «Der Bundesrat wird weiterhin an der elektronischen Identität arbeiten und gleichzeitig die offensichtlich starken Bedenken ernst nehmen.»
Eine Abstimmung im Jahr 2021 fiel an der Urne durch, die prominente Rolle privater Anbieter bei der Entwicklung der E-ID wurde von der Mehrheit nicht goutiert. Die neue, vollständig öffentliche Version überzeugte nun die Stimmbevölkerung, wenn auch weniger deutlich, als die Umfragen glauben liessen.
Hier geht es zur Übersicht über den Abstimmungssontag vom 28. September 2025:
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Resultate der Abstimmungen vom 28. September in der Schweiz
Ist die E-ID wichtig für Auslandschweizer:innen?
Zu den Unterstützenden der Abstimmung gehört die Auslandschweizer-Organisation (ASO). Sie spricht in einer Medienmitteilung von einem «wichtigen Ja für die Fünfte Schweiz».
Die E-ID trägt zur Digitalisierung von Dienstleistungen bei, was für die Auslandschweizer:innen aufgrund ihrer geografischen Entfernung zur Schweiz besonders wichtig sei, schreibt die ASO.
E-Government-Lösungen kommen den im Ausland lebenden Schweizer:innen innen in besonderem Masse zugute, führt die ASO weiter aus. Zudem bestehe die Hoffnung, dass die E-ID ihnen dank vereinfachter Identifizierungsprozesse auch einen besseren Zugang zu privaten Dienstleistungen ermöglicht, insbesondere zu denen von Banken. Das ist bereits seit Jahren ein brisantes Thema für viele Ausgewanderten.
Des Weiteren eröffne die E-ID neue demokratische Möglichkeiten. Etwa durch ein papierloses E-Voting-Verfahren oder – wie vom Parlament gefordert – indem es eine Basis für die elektronische
Unterschriftensammlung bietet. Dies würde der Schweizer Diaspora die Ausübung ihrer politischen Rechte vereinfachen.
Sowohl die Auslandschweizer-Organisation wie auch der Auslandschweizer-Rat haben sich im Vorfeld für die Initiative stark gemacht. Der Rat verabschiedete sogar eine Resolution zugunsten der E-ID, da er sich einen vereinfachten Zugang zu Dienstleistungen der Schweizer Verwaltung verspricht.
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Worum geht es bei der E-ID?
Das Bundesgesetz über die elektronische IdentitätExterner Link sieht die Schaffung eines offiziellen, staatlichen und kostenlosen digitalen Identifikationsmittels vor. Zum Nachweis der Identität, aber auch etwa zum Altersnachweis, sind in der Schweiz heute ein Pass oder eine Identitätskarte vorzulegen. Mit der E-ID kann das digital gemacht werden, ohne ein physisches Dokument.
Die elektronische Identität basiert auf Freiwilligkeit. Behörden oder Organisationen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, werden die E-ID akzeptieren müssen. Analoge Identifikationsmittel sind weiterhin zugelassen.
Für die E-ID braucht es eine Wallet-App auf dem persönlichen Smartphone, anschliessend einen entsprechenden Antrag beim Bundesamt für Polizei. Das Verifikations-Prozedere kann in einem kantonalen Erfassungszentrum oder beim zuständigen Konsulat durchgeführt werden.
Die Gegnerschaft bestand grösstenteils aus Mitgliedern der Piratenpartei, der Jungen SVP, der EDU und Covid-Massnahmen-Kritikern. Die Initianten des Referendums führen staatliche Überwachung und Verletzungen der Privatsphäre als grösste Kritikpunkte an. Dafür ausgesprochen haben sich alle Regierungsparteien sowie der Bundesrat und das Parlament.
Tatsächlich gab der Datenschutz im Abstimmungskampf am meisten zu diskutieren. Die persönlichen Informationen sollen nicht zentral in einer staatlichen Datenbank gespeichert werden, sondern auf dem persönlichen Smartphone. Und Behörden und Unternehmen, die die E-ID überprüfen, können keine anderen Daten als die benötigten einsehen oder speichern.
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Was wird die Schweiz mit ihrer E-ID anders machen?
Andere Länder haben bereits seit Jahren Erfahrungen mit einer elektronischen Identität gesammelt. Sie sind aus dem Alltag teilweise kaum mehr wegzudenken.
«Die E-ID existiert in den nordischen Ländern seit vielen Jahren und man nutzt sie tagtäglich. Ich nutze meine bis zu 15 mal pro Tag», sagt beispielsweise Bruno Kaufmann, in Schweden lebender Journalist, der unter anderem für Swissinfo und SRF arbeitet, in unserem Let’s Talk.
Die Systeme unterscheiden sich stark von Land zu Land. In Estland, das als Vorreiter der Digitalisierung in Europa gilt, ist die E-ID sogar obligatorisch. Viele europäische Regierungen schauen sich im baltischen Kleinstaat Methoden digitaler Regierungsführung ab.
Die Schweiz geht wesentlich zaghafter vor. Während anderorts sich Bürger:innen bei Verwaltungsdiensten anmelden, Dokumente online unterschreiben oder sich über eine App identifizieren können, ist das in der Schweiz nicht vorgesehen.
«Die E-ID wird keine dieser Funktionen übernehmen. Sie ersetzt lediglich die Plastikkarte und dient zum Nachweis der Identität, beispielsweise für die Anmeldung bei digitalen Diensten», sagt Annett Laube, Professorin für Informatik an der Berner Fachhochschule.
Sehen Sie hier unser Let’s Talk zur E-ID:
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