Die Fünfte Schweiz beurteilte die Erbschaftssteuer gnädiger als das Inland
Die Initiative, die eine neue Erbschaftssteuer für die Reichsten einführen wollte, fand am Sonntag in der Diaspora keine Zustimmung, aber einige Nachsicht. Wie der Rest des Landes versetzte die Fünfte Schweiz hingegen auch dem Service Citoyen eine herbe Niederlage.
Beide Initiativen, über die am Sonntag abgestimmt wurde, erfuhren eine deutliche Abfuhr. Sie konnten auch bei der Fünften Schweiz kaum punkten.
Die Initiative der Jungsozialist:innen Juso, die das Vermögen der Reichsten besteuern wollte, um den Kampf gegen die Klimaerwärmung zu finanzieren, wurde von 78,3 % der Stimmenden und in allen Kantonen klar abgelehnt.
Unser Bericht zur Ablehnung der Erbschaftssteuer:
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Auch bei den Auslandschweizern – zumindest in den zwölf Kantonen, die detaillierte Statistiken zu ihrer Stimmabgabe liefern – setzte sich das Nein durch – mit fast 67 Prozent.
Auch dies ist eine deutliche Ablehnung, sie liegt jedoch fast 12 Prozentpunkte über der Ablehnung durch die Gesamtbevölkerung.
Laut Martina Mousson, Politikwissenschaftlerin am Institut gfs.bern, ist dies «bemerkenswert». «Wenn eine Initiative von einem Drittel der Bevölkerung unterstützt wird, kann man zumindest von einem respektablen Ergebnis sprechen», betont sie.
Linker und urbaner
Es handle sich um ein eher linkes und urbanes Stimmverhalten. Martina Mousson sieht darin denn auch das typische Wahlverhalten der Diaspora, die insgesamt politisch eher links und urbaner situiert wird als die Stimmbevölkerung im Inland.
Die Expertin weist darauf hin, dass der Prozentsatz der Befürworter der Initiative in der Fünften Schweiz jenem in den Städten des Landes ähnelt. In Zürich lag die Zustimmung bei über 41 %, in Genf bei fast 40 % und in Basel bei 36 %.
In der Schweiz dominierten in der Debatte schon früh die als verheerend beschriebenen Folgen, welche die Initiative für Familienunternehmen und KMU gehabt hätte. «Diese konkreten Argumente, die das Endergebnis stark beeinflusst haben, fanden im Ausland sicherlich weniger Resonanz», sagt die Politologin.
Obwohl die ökologische Dimension der Vorlage während der Kampagne in den Hintergrund trat, ist es denkbar, dass sie einen Teil der im Ausland lebenden Schweizer Bevölkerung überzeugt hat. Denn die Fünfte Schweiz wählt im Allgemeinen ökologischer als der Rest des Landes.
Ein Blick auf die Praxis im Ausland zeigt, dass einige Länder Erbschaften stark besteuern, andere gar nicht, und dass das Thema fast überall diskutiert wird (oder wurde), wie wir in diesem Artikel erläutern:
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Der Service Citoyen konnte niemanden überzeugen
Die zweite Initiative, über die am Sonntag abgestimmt wurde, sah die Einführung eines Bürgerdienstes vor. Sie erlitt eine deutliche Niederlage und wurde mit über 84 % abgelehnt – eines der deutlichsten Ergebnisse in der Geschichte.
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Bei dieser Frage war die Diaspora nicht viel gnädiger. Über 80 % der im Ausland lebenden Wähler lehnten die Vorlage ebenfalls ab.
Grundsätzlich wären die Auslandschweizer von dieser Reform nicht betroffen gewesen. Fürchteten sie dennoch, dienstpflichtig zu werden? «Vielleicht», antwortet Martina Mousson, «aber ich glaube, dass es wirklich die Grundidee war, die nicht akzeptiert wurde. Sowohl die Linke als auch die Rechte waren dagegen, und am Ende war niemand mehr wirklich dafür.»
Mittlere Stimmbeteiligung
Die Politikwissenschaftlerin fügt hinzu, dass die Initiative nur sehr wenig Aufmerksamkeit erhielt. Laut einem Bericht des Forschungszentrums für Medien der Universität Zürich (Fög) war die Medienberichterstattung zu diesem Thema eine der geringsten der letzten Jahre.
Analog verhält es sich mit der Schweizer Bevölkerung: Die allgemeine Stimmbeteiligung lag bei 43 % und damit 6 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt von 49 %.
Editiert und aus dem Französischen ins Deutsche übertragen: Balz Rigendinger
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