
Die Schwinger aus Übersee: Im Stolz auf ihre Tradition sind sie die Sieger

Sechs Auslandschweizer aus Nordamerika treten am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest ESAF 2025 in Mollis an. Einige von ihnen sind das erste Mal überhaupt in der Schweiz – andere schon wahre Routiniers.
Sie leben Tausende Kilometer von der Schweiz entfernt und betreiben dennoch eine der urtümlichsten Sportarten des Landes. Sechs Schwinger aus Nordamerika werden am kommenden Wochenende in der Schwingarena des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests (ESAF 2025) im glarnerischen MollisExterner Link zum Hosenlupf antreten.
Vier von ihnen stammen aus den USA: Marshall Brockway (19), Peter Ming (23), Brenden Spahr (26), Patrick Richardson (38). Und zwei aus Kanada: Thomas Badat (28) und Martin Mathis (29).
Was sie verbindet, sind nicht nur die Schweizer Wurzeln, sondern auch das Training fernab der Schweizer Schwingszene – und eine grosse Leidenschaft für den Sport.
«Es gibt nicht so viele Leute in Kanada, die schwingen», sagt Thomas Badat bei unserem Besuch in Schänis, bei seinem ersten Training im Schweizer Sägemehl in diesem Jahr. Badat spricht Schweizerdeutsch und Quebecer Französisch.
Wir haben Thomas Badat bei seinem Training in der Schweiz besucht:
Die Trainingsbedingungen in seiner Heimat seien deshalb auch schwieriger. «Die meisten sind Landwirte und haben nicht viel Zeit zum Trainieren», so der Co-Inhaber einer Zaunfirma aus Kingsey Falls (Quebec) weiter. Irgendwie fände sich die Zeit dann aber trotzdem.
Ein bisschen verloren in der Schweiz
Die Auslandschweizer haben einen Betreuer aus der Schweiz: Adrian Oertig, der als aktiver Schwinger selbst sechs Mal am ESAF im Einsatz war. Er übernimmt diese Aufgabe bereits zum dritten Mal. «Diese Schwinger sind immer etwas verloren hier, weil sie zum Teil zum ersten Mal überhaupt in der Schweiz sind», sagt Oertig.
Einer, auf den das zutrifft, ist Marshall Brockway aus dem amerikanischen Silver Creek, Washington – einem Dorf, das landschaftlich auch im Emmental liegen könnte. Am vergangenen Wochenende trat der Strassenbauer zudem das erste Mal in seinem Leben an einem Schweizer Schwingfest an, in Einsiedeln im Kanton Schwyz.

Brockways Familie ist vor vier Generationen aus der Schweiz in die USA ausgewandert und pflegt seitdem eine enge Verbindung zur Schweizer Gemeinschaft im pazifischen Nordwesten. «Von klein auf habe ich mit meinen Onkeln und zahlreichen Cousins geschwungen – das war stets ein wichtiger Teil meiner Identität», schreibt Brockway auf Anfrage von Swissinfo.
Auch Badat erzählt, wie er schon als Kind seine Begeisterung fürs Schwingen entdeckt hat und welche Reaktionen das in seiner Heimat auslöst. «Die meisten, die den Schwingsport kennen, sind Schweizer oder haben Schweizer Freunde. Alle anderen fragen: ‘Was ist das?’», sagt Badat. Dann erkläre man es voller Stolz: «Gib es mal bei Google ein – das ist richtig cool.»
Ein grosser Moment im Leben der Auslandschweizer
Der Einmarsch der Schwinger in die Schwingarena am Samstag wird für die sechs Exoten aus Übersee ein grosser Moment. Für fünf von ihnen ist es das erste Eidgenössische überhaupt. «Es ist eine riesige Ehre», sagt der US-Amerikaner Brenden Spahr, Er weiss, wie schwierig es ist, sich in der Schweiz dafür zu qualifizieren. «Dass ich als einer von vier Amerikanern antreten darf, bedeutet mir die Welt», so der Mittelstufenlehrer, der auch Football- und Schwingtrainer ist. Spahr ist besonders stolz darauf, die Familientradition weiterzuführen.

«Ich war schon immer sportbegeistert. Mein Vater war mein Trainer und sonntags sassen wir oft vor dem Fernseher und sahen uns die Höhepunkte der Schweizer Schwingfeste an», sagt Spahr, der als Kind adoptiert wurde. Für Spahr war dies nicht nur ein Ritual: «Ich fühlte mich durch das Schwingen verbunden – mit meinem Vater, mit der Schweizer Kultur, mit den Wurzeln meiner Familie.»
Als eigene Delegation werden die Auslandschwinger in die Arena einlaufen, die Platz für 56’500 Zuschauerinnen und Zuschauer bietet. Es ist, so heisst es, die weltweit grösste mobile Arena, aufgebaut mit sieben Ringen und 37 Tonnen Sägemehl.
«Es ist ein grosses Gefühl von Stolz, hierherzukommen», sagt der Kanadier Badat. Er ist der Routinier unter den Auslandschweizern. Schon das dritte Mal wird er an einem Eidgenössischen Schwingfest antreten. Die grösste Herausforderung sei das Reisen, sich an die neue Umgebung anzupassen sowie die Zeitumstellung und dann möglichst gut zu performen, obwohl man nicht im gewohnten Umfeld sei. «Man schläft nicht im eigenen Bett – das wirkt sich aus», so Badat.
Alle drei Jahre versammelt sich die Schweiz zum wohl traditionsreichsten Kraftakt des Landes: Dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest. Im Mittelpunkt stehen die beiden Nationalsportarten Schwingen und Steinstossen, wobei der Schwingsport im Zentrum steht.
Das erste Mal wurde ein solche Fest 1895 in Biel ausgetragen. Heute ist das «Eidgenössische» der bedeutendste Wettkampf im Schweizer Schwingsport.
Rund 274 Schwinger treten an – über 350’000 Festbesuchende werden erwartet. Und am Ende wird der Schwingerkönig gekürt – der Sieger des Schwingfests.
Für die Organisation wechseln sich die regionalen Verbände des Eidgenössischen Schwingerverbands ab.
Die Ambitionen sind realistisch
Welche Ziele haben die Auslandschweizer? Ein Sieg im Sägemehl? Ein Kranz? «Ich will vor allem etwas lernen und Erfahrungen sammeln», sagt Spahr. Alles Weitere sei Bonus. Allein bei seinen letzten beiden Kantonalen habe er so viel gelernt, dass er und sein Team in den USA sich stark verbessert hätten.
Badat hat da grössere Ziele. «Natürlich ist das Ziel, zu gewinnen – wie bei allen. Aber ich bleibe realistisch. Wenn ich gewinne, ist das ein grosser Erfolg», so Badat, der als Judoka schon mehrfach kanadischer Meister wurde.
Der dreifache Familienvater möchte die Schwingtradition weitergeben. «Mein Sohn liebt das Schwingen. Vielleicht tritt er einst in meine Fussstapfen», so Badat. Doch wenn seine Kinder doch einen anderen Sport machen sollten, dann wäre es auch okay. «Hauptsache sie sind glücklich», so Badat.
Editiert von Balz Rigendinger.
In einer ersten Version haben wir Connor Treat als vierten Mann aus den USA aufgeführt. Er konnte aufgrund einer Verletzung nich anreisen. Er wurde durch Patrick Richardson ersetzt.
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