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Wie Schweizer:innen mit Origami Herzen nach einem Infarkt reparieren

Origami für die Reparatur des Herzmuskels
Die Eigenschaften von gefalteter Zellulose passen gut zur Beschaffenheit des Herzmuskels. FHNW and University of Basel, CC BY-NC-ND 4.0

In Basel beginnt die Entwicklung eines Papier- und Zellpflasters zur Linderung der Folgen eines Herzinfarkts.

Titanplatten auf gebrochenen Knochen, Chips und Drähte in beschädigten Wirbelsäulen und jetzt Origami im Herzen. Die moderne Medizin entwickelt sich ständig weiter.

Nun machte ein neues biomedizinisches Wunderwerk, das von den gefalteten Blättern der japanischen Tradition inspiriert ist, soeben seine ersten Schritte in Basler Labors.

Das Ergebnis ist das Resultat einer Zusammenarbeit zwischen den Forschungsgruppen von Professorin Anna Marsano und Andrea Banfi von der Universität Basel, Maurizio Gullo von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und dem Schweizerischen Institut für Nanowissenschaften (SNI) sowie der Firma Omya International AG.

Das Team aus Biomedizintechniker:innen und Nanowissenschaftler:innen veröffentlichte im März in der Fachzeitschrift ACS Biomaterials Science and Engineering die Ergebnisse ihrer ersten Versuche zur Entwicklung eines medizinischen Geräts zur Behandlung von Patient:innen mit Herzinfarkt.

Ein Origami für das Herz

Einige der verschiedenen Gewebearten, aus denen das Herz besteht, wurden auf kleinen Zelluloseblättern gezüchtet. Sie können sich dank einer ziehharmonikaartigen Faltung so zusammenziehen und dehnen, wie es der Herzmuskel erfordert.

In Zukunft könnten die Blätter wie ein Pflaster in Herzen implantiert werden, die durch Herzinfarkte beschädigt wurden, um abgestorbene Zellen zu ersetzen.

Noch handelt es sich um blosse Reagenzglas-Experimente. Aber hier beginnt der lange Weg, der eine bahnbrechende Biotechnologie von einer Idee im Kopf von Forschenden zu einem Werkzeug in den Händen von Ärzt:innen führt.

Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer Behandlung für Herzen, die von einer Ischämie betroffen sind, also einem teilweisen oder vollständigen Verschluss der Arterie, die das Herz mit Blut und Sauerstoff versorgt und dessen Funktion beeinträchtigt.

Ist die Arterie verstopft, leidet das Herzgewebe unter Nährstoff- und Sauerstoffmangel bis hin zu schweren und manchmal irreversiblen Schäden.

Die Folge davon – in der Schweiz sehr häufig, da Herzprobleme die häufigste Todesursache sind – ist, dass das Herz nicht mehr effizient pumpen kann.

«Das Herz hat eine sehr begrenzte Fähigkeit, sich selbst zu reparieren und zu heilen. Wenn es nicht richtig behandelt wird, kann diese Schädigung im Lauf der Zeit fortschreiten und sich bis zur Herzinsuffizienz verschlimmern», sagt Anna Marsano, Professorin an der Abteilung Biomedizin der Universität Basel.

Sie fährt fort: «Unsere Arbeit konzentriert sich auf die Herstellung zuverlässiger In-vitro-Herzmodelle [nur mit im Labor gezüchtete Zellen, Anm. d. Red.], um die Mechanismen der Schädigung zu untersuchen und mögliche Regenerationsstrategien zu ermitteln. Das ultimative Ziel ist die Wiederherstellung der Pumpfunktion des Herzens.»

Folgen eines Herzinfarkts mildern

Wenn eine Person einen Herzstillstand erleidet und rechtzeitig Hilfe erhält, ist das im Allgemeinen nicht tödlich. Bei einem zweiten und möglicherweise dritten Herzinfarkt ist die Sterblichkeitsrate dagegen wesentlich höher.

«Deshalb ist es so wichtig, die Herzfunktion wiederherzustellen: Das Herz eines Menschen, der einen Herzstillstand erleidet, pumpt zwar in manchen Fällen weiter, aber wenn es nicht optimal funktioniert, können sogar schwere Krankheiten entstehen. Es ist von grösster Bedeutung, die Herzfunktion so weit wie möglich wiederherzustellen», sagt Maurizio Gullo, Leiter einer Forschungsgruppe an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Mitglied des Swiss Institute of Nanosciences.

Im Allgemeinen werden medikamentöse Therapien und möglicherweise chirurgische Eingriffe durchgeführt, wie das Einsetzen von Stents, um die Herzkranzgefässe offen zu halten.

Bisher ist es den Forschenden gelungen, zu zeigen, dass Zellen, die auf Zellulose gezüchtet und in eine spezielle Gelatine eingewickelt wurden, sich so zusammenziehen und dehnen können, wie es der Herzmuskel erfordert.

«Hier haben wir nur eine Schicht von Gefässzellen und eine Schicht von Herzzellen. Der nächste Schritt wird sein, weitere Schichten hinzuzufügen und das Pflaster voll funktionsfähig zu machen. Dann könnten wir die ersten Tests an Kleintieren wie Mäusen durchführen, dann an grösseren Tieren wie Schweinen und schliesslich klinische Versuche an Patienten durchführen. Aber das wird nicht so bald geschehen», sagt Antonio Sileo, ein Forscher in der Gruppe von Marsano.

Reine Zellulose

Um die ehrgeizigen biotechnologischen Anforderungen zu erfüllen, wurde die Zellulose in sehr kleinen Formen akribisch gefaltet.

«Wir haben verschiedene Ansätze erforscht und festgestellt, dass das Muster entscheidend ist, um die gewünschte Schrumpfung zu erreichen», sagt Sileo.

Die Zellulose wurde von der Firma Omya International AG auf Bestellung hergestellt, aber «es ist nicht wie das Papier, das wir zum Schreiben verwenden, denn es enthält nicht die vielen Zusatzstoffe, Klebstoffe und Bleichmittel von gewöhnlichen Blättern. Es handelt sich um eine reine Zellulosefaser, die in gewisser Weise jenem Papier ähnelt, das vor langer Zeit hergestellt wurde», sagt Gullo.

«Sie hat zwei Hauptfunktionen: Zum einen stützt sie die Zellschicht und ermöglicht ihr, sich zusammenzuziehen, zum anderen bietet sie dem Chirurgen eine strukturelle Unterstützung bei der Handhabung des Gewebes während der Operation.»

Es ist schwierig, die Zukunft der Forschung und die Entwicklung neuer Technologien vorherzusagen, besonders im medizinischen Bereich, wo es von der ersten Machbarkeitsstudie bis zur Anwendung mehrere Jahrzehnte dauern kann.

Doch die Therapien der Zukunft entstehen genau so – aus einem erfolgreich durchgeführten Reagenzglas-Experiment.

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Übertragung aus dem Italienischen mit der Hilfe von Deepl: Janine Gloor

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