
Übernachten im Comic: Dieses Genfer Hotel ist weltweit einzigartig

Weltweit einzigartig: Das Hotel Ibis Styles in Carouge im Kanton Genf ist ganz der neunten Kunst gewidmet. Die Zeichnungen auf den Wandtapeten der Zimmer wurden von Stars des Schweizer Comics geschaffen. Ein Rundgang.
Sie sind zu siebt: Wazem, Buche, Tom Tirabosco, Exem, Albertine, Zep und Frederik Peeters, eine Comic-Zeichnerin und sechs Comic-Zeichner aus Genf mit internationalem Ruf, Speerspitzen einer Generation von Comicschaffenden, die heute zwischen 50 und 60 Jahre alt ist.
In ihnen kann man die Erbinnen und Erben von Rodolphe Töpffer (1799-1846) sehen, Pädagoge, Schriftsteller, aber vor allem Zeichner, ebenfalls Genfer, der in Europa und sogar im Manga-begeisterten Japan als Vater des modernen Comics betrachtet wird.
Die sieben wurden für die Wanddekorationen an der Rezeption und in 119 Zimmern des 2018 eröffneten Hotels Ibis Styles im Genfer Vorort Carouge ausgewählt.
Wir befinden uns an einem sonnigen Morgen in der Lobby des Hotels. Das Licht, das durch die Glasfronten fällt, hebt die lebendigen Farben der Räumlichkeiten (Rosa und Blau) hervor, die durch ein riesiges glitzerndes Fresko von Exem verstärkt werden. Es stellt berühmte Figuren des Schweizer Comics dar.

Einige von ihnen gehören zum Universum von Rodolphe Töpffer. Zu seinen Ehren erweist das Hotel ihm die Reverenz. Sein Selbstporträt ziert eine Wandfläche neben dem Haupteingang des Hotels.
Mit seinen nachdenklichen und amüsierten Augen scheint Töpffer die nach seinem Geist geschaffenen Orte zu beobachten: satirisch, witzig, ja sogar surrealistisch.
Platz für den Traum
Weg also mit der oft faden Realität! Und Platz für den Traum! «Das ist das Thema, an dem unsere Zeichnerin und die Zeichner gearbeitet haben», sagt Victoria Magnani, Direktorin des Hotels und unsere Führerin an diesem Tag.
Sie lässt uns im Erdgeschoss die Zeichnungen von Wazem entdecken, bevor wir mit dem Aufzug in die sechs Stockwerke des Hotels fahren. Jedes davon ist einer Zeichnerin, einem Zeichner gewidmet. Alle Kunstschaffenden haben zwei Motive in ihrem eigenen Stil erdacht, die jeweils zwei Wände eines Zimmers schmücken.
Das Ganze ist faszinierend. Das Ungewöhnliche hat hier seinen Platz, den sich der Traum erlaubt. Das macht dieses Hotel einzigartig auf der Welt.
«Es gibt in einigen Ländern Hotels, die den Comics gewidmet sind. Aber unseres zeichnet sich durch den direkten Eingriff der Kunstschaffenden aus, welche die Zeichnungen speziell für uns geschaffen haben. Ihre Kreationen sind keine Kopien ihrer früheren Werke», betont Magnani.
Kundschaft aus aller Welt
Das Konzept kommt bei der Kundschaft ausserordentlich gut an. «Diejenigen, die es nicht kennen, sind bei ihrer Ankunft sehr überrascht. Andere, Comicfans, kommen speziell wegen der Künstlerin und der Künstler. Wir haben alles, sogar Geschäftsleute und viele Familien mit Kindern», sagt Magnani und zeigt auf die Kunstfigur Titeuf.
Die berühmte Figur des Zeichners Zep, weltweite Ikone des Comics, von den Kindern geliebt, ist auf den Wandtapeten des Zimmers zu sehen, das wir besichtigen.
Auf einem davon schwebt er davon, auf einer Wolke sitzend. Auf dem anderen ist er ein Kobold, der durch einen Wald wandert.
Tom Tirabosco hat seinerseits eine fantasievolle «Odyssee» erdacht. Eine seiner Zeichnungen stellt den Kopf einer Frau dar, die einen Hut in Form eines Boots trägt. Ein kleiner Mann hat sich darin niedergelassen.
Er liest. Ist er Homer? Wir stellen Tom Tirabosco diese Frage am Telefon. «Meine Zeichnung bleibt für verschiedene Interpretationen offen», antwortet er amüsiert.
BDFIL und Fumetto sind ein schönes Schaufenster
Die renommierten Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner haben ihren ausgezeichneten Ruf nicht gestohlen.
«Dieses Land stellt trotz seiner geringen Grösse ein sehr reiches Ökosystem im Bereich der Comics dar, was den Erfolg unserer Alben im Ausland rechtfertigt. Es stimmt, dass die Westschweizer Kundschaffenden von der Popularität profitiert haben, die Frankreich und Belgien im Bereich der Illustration geniessen. Aber die Schweiz, vor allem die französischsprachige, hat auch viel zur Förderung der neunten Kunst geleistet», sagt Tirabosco.
Als Beispiele dafür gelten die Eröffnung der École supérieure de bande dessinée et d’illustration (ESBD) in Genf im Jahr 2017 und der Bachelor-Studiengang Illustration der renommierten Haute école d’art et de design (HEAD), die ebenfalls in Genf ansässig ist.
Auch die deutschsprachige Schweiz kann einige Comicstars wie Thomas Ott und Anna Sommer vorweisen, «aber in dieser Hinsicht ist die Deutschschweizer Szene etwas weniger reichhaltig als die westschweizerische», so Tirabosco.
Bevor er daran erinnert, dass die Comic-Festivals in der Schweiz, wie BDFIL in Lausanne und Fumetto in Luzern (um nur die bekanntesten zu nennen), die Rolle des Landes bei der Anerkennung der neunten Kunst (den Comics) festigen würden.
Eine einzige Frau
Unter den sieben Kunstschaffenden, die für die Dekoration des Hotels angefragt wurden, findet sich nur eine einzige Frau: Albertine. Ihre Figuren sind luftig, von übernatürlicher Leichtigkeit. Wie die Zeichnung einer Frau, die mit ihrem offenen Koffer davonfliegt, aus dem eine kleine Rakete und Pflanzen entweichen.
«Dass das Hotel mich ausgewählt hat, stellt in meinen Augen eine Anerkennung dar», sagt sie. «In meiner Arbeit verbinde ich Traum und Reise, die eng miteinander verknüpft sind und in einem Hotel einen passenden Platz finden.»
Die Westschweiz zählt laut Albertine viele Zeichnerinnen, die mit den Männern um das Talent wetteifern. «Ich denke zum Beispiel an Isabelle Pralong, aber es gibt andere, die heute zwischen 30 und 40 Jahre alt sind – eine junge Generation, die gut ausgebildet und erfinderisch ist», sagt sie.
«An sie wird sich, so hoffe ich, das Hotel Ibis Styles in einigen Jahren wenden, wenn es die Wandverzierung der Zimmer erneuern muss, wie das vorgesehen ist.»
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
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