Credit-Suisse-Aus: Globale Banken schielen auf Schweizer KMU
JPMorgan, Bank of America, Deutsche Bank: Internationale Banken wie diese verstärken ihre Bemühungen, kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz abzuholen. Sie springen in die Lücke, die durch den Zusammenbruch der Grossbank Credit Suisse entstanden ist.
Die Credit Suisse, eine der beiden global agierenden Banken der Schweiz, spielte eine entscheidende Rolle als Partnerin für Schweizer Unternehmen und als deren Brücke zu den internationalen Märkten.
Ihr plötzlicher Niedergang im Jahr 2023 und die staatlich organisierte Übernahme durch die Konkurrentin UBS hinterliessen eine erhebliche Lücke im Schweizer Firmenkundengeschäft.
Viele grosse Schweizer Unternehmen wie Lindt und Nestlé unterhalten bereits Beziehungen zu internationalen Banken. Der Sektor der kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU), der mehr als 99% der Unternehmen des Landes ausmacht und das Rückgrat der Wirtschaft bildet, war hingegen lange Zeit auf die Credit Suisse und die UBS angewiesen, wenn es um Kredite, Devisenhandel, Cash-Management und Beratungsdienstleistungen ging.
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Die UBS musste sich beeilen, um neue Beziehungen zu Firmenkunden aufzubauen. Für inländische Kredite sind lokale Banken nach wie vor beliebt, sie verfügen jedoch nicht über die internationale Reichweite globaler Banken, etwa im Bereich Treasury-Dienstleistungen und Beratungskompetenzen.
Ein Deloitte-Bericht vom Februar ergab, dass viele Schweizer KMU an einer internationalen Expansion interessiert sind, jedoch Schwierigkeiten bei der Finanzierung ausländischer Akquisitionen haben.
Dies ist zum grossen Teil auf die Konsolidierung im Schweizer Bankensektor zurückzuführen. Die Transaktionen von KMU in der Schweiz gingen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um fast 9% zurück.
Internationale Banken haben die durch den Zusammenbruch der Credit Suisse ausgelösten Turbulenzen genutzt. Laut Reinout Boettcher, Leiter der Schweizer Niederlassung der Bank JPMorgan, ist die Zahl der Mitarbeitenden im Commercial und Investment Banking in der Schweiz in den letzten Jahren um 10% gestiegen.
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Das Timing war gut
«Schweizer Unternehmen sind zunehmend offen für eine Zusammenarbeit mit US-amerikanischen und anderen internationalen Banken. Sie werden vom Bedarf an globalen Kompetenzen und von mehr Diversifizierung motiviert», sagt Boettcher.
Clemens Kaiser, Leiter der Deutschen Bank in der Schweiz, fügt hinzu, die Deutsche Bank habe im vergangenen Jahr ein Team mit Sitz in Zürich gegründet, das sich auf mittelständische Schweizer Unternehmen konzentriere, um die Expansion in diesem Markt voranzutreiben.
«Die kleineren Schweizer Unternehmen waren sehr offen für eine Zusammenarbeit mit uns. Wir konnten in diesem Segment in den letzten 18 Monaten erheblich wachsen», sagt er.
Andere globale Banken begannen gerade mit dem Geschäftsbankengeschäft in der Schweiz, als die Credit Suisse im Sinkflug war. Darunter etwa die Citigroup, die im September 2022 ihr eigenes Schweizer Geschäftsbankengeschäft startete.
Marni McManus, Leiterin des Schweizer Bankengeschäfts der Citigroup, sagt, dies habe «aus zeitlicher Sicht gut funktioniert» und fügt hinzu, die Bank habe «begonnen, mittelständische Unternehmen anzusprechen, also alle mit einem Umsatz von drei Milliarden Dollar oder weniger, bis hinunter zu 100 Millionen Dollar».
Brian Moynihan, Geschäftsführer der Bank of America, sagte Anfang des Jahres, die Bank habe seit den «jüngsten Turbulenzen» auf dem Markt die Grösse ihres Teams in der Schweiz verdoppelt. Die Bank bietet Kredite, Einlagen und Cash Management in Schweizer Franken an.
Obwohl der Zusammenbruch der Credit Suisse es globalen Banken ermöglichte, neue Schweizer Kundschaft zu gewinnen, sind sie noch weit davon entfernt, die Marktdominanz der UBS in Frage zu stellen.
Unternehmen diversifizieren
Einige befürchten, dass die UBS in der Schweiz aufgrund strengerer neuer Kapitalanforderungen ihre Preise für Firmenkunden erhöhen könnte.
Die Schweizer Wettbewerbsbehörde Weko hat deshalb empfohlen, die Preise und Gebühren im Firmenkundengeschäft nach dem Niedergang der Credit Suisse zu überwachen.
Ein Geschäftsleiter eines kleinen Industrieunternehmens mit Sitz im Kanton Schwyz, der anonym bleiben möchte, um seine Bankbeziehungen nicht zu gefährden, sagte, sein Unternehmen sei seit Langem Kunde der Credit Suisse – jetzt UBS.
Es habe aber im vergangenen Jahr begonnen, für einige Dienstleistungen auch eine US-Bank in Anspruch zu nehmen. «Nach den Ereignissen bei der Credit Suisse finde ich die Diversifizierung gut», sagte der Manager.
Swissmechanic, der Verband der industriellen KMU, hatte zuvor erklärt, man hoffe, dass internationale Banken Unternehmen in der Schweiz künftig bessere Dienstleistungen und Preise anbieten würden.
Laut Nicola Tettamanti, Leiter von Swissmechanic, hat eine kürzlich unter den Mitgliedern durchgeführte Umfrage ergeben, dass viele mit dem Verschwinden einer zuverlässigen Bank unzufrieden sind.
Er fügt hinzu, dass Diversifizierung zunehmend diskutiert werde, besonders weil regionale und lokale Banken einige Dienstleistungen nicht anbieten würden. Dazu gehört etwa der Umgang mit Währungen oder das Anbieten von Kreditlinien. Allerdings hätten viele noch keine Beziehungen zu ausländischen Banken geprüft.
Copyright The Financial Times Limited 2025
Übertragung aus dem Englischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
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