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Wo die Schweiz der Ukraine hilft – und wo nicht

Ein neuer Vergleich zeigt: Die Schweiz leistet weniger Hilfe an die Ukraine als andere Länder. Das Aussendepartement relativiert das Ergebnis.

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Laut dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel landet die Schweiz auf Platz 33 von 40 Ländern. Das ist das Resultat des aktuellen Ukraine Support TrackersExterner Link des renommierten Instituts. Darin erfasst es alle gemachten Hilfsversprechungen von 40 Ländern und der EU-Institutionen.

Das Institut berechnet den Anteil der Hilfe an der Wirtschaftsleistung, am Bruttoinlandsprodukt (BIP), des jeweiligen Landes. Wirtschaftsschwache Länder, die viel Hilfe leisten, bekommen so einen besseren Rang als reiche Länder, die im Verhältnis weniger Hilfe leisten. Sowohl die militärische Hilfe an die ukrainische Armee, finanzielle Hilfe für den ukrainischen Staatshaushalt als auch die humanitäre Hilfe werden miteinbezogen.

Wenig schmeichelhaftes Ergebnis

Der 33. Rang ist für die Schweiz zunächst ein wenig schmeichelhaftes Resultat. Immerhin: Zählt man die Flüchtlingshilfe im Inland dazu, landet die Schweiz auf Platz 29. Diese Ränge weit hinten kontrastieren mit dem im Inland gepflegten Bild der solidarischen Schweiz.

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Kommentieren wollen die deutschen Ökonominnen und Ökonomen des Weltwirtschaftsinstituts das Schweizer Resultat nicht. Das Ziel des Trackers sei es, eine verständliche und objektive Datenbank zur weltweiten Ukraine-Hilfe zu schaffen, so André Frank, Verantwortlicher für den Ukraine Support Tracker. “Wir halten uns grundsätzlich fern von Aussagen, welche Länder mehr tun könnten oder sollten.”

Frank sieht einen Grund für das schlechte Abschneiden der Schweiz bei der fehlenden militärischen Hilfe. Wenn ein Land Waffensysteme weitergibt, dann würden diese Hilfspakete meist hohe Beträge annehmen, weil Militärgüter generell sehr teuer seien, sagt der Ökonom.

Schweiz will sich humanitär engagieren

Wegen der Neutralität will die Schweiz die Ukraine militärisch nicht unterstützen. Kostspielige Waffenspenden kommen also nicht infrage. Auf diese Erklärung verweist auch das zuständige Aussendepartement EDA in einer Stellungnahme gegenüber SRF.

Das sagen die Parteien zur Studie

Bundespolitiker reagieren unterschiedlich auf die Vergleichsstudie aus Kiel. Die SP etwa findet, die Schweiz müsse mehr tun. Sie will in der kommenden Frühlingssession einen Vorstoss einreichen, wonach die Schweiz ein 100-Millionen-Franken Entminungsprogramm für die Ukraine auflegen soll. Das Geld soll aus dem Armeebudget kommen. Die Mitte betont, man müsse in der Ukraine durchaus angemessene Hilfe leisten – dürfe aber die anderen Krisenherde nicht vergessen. FDP-Politiker ihrerseits finden die Vergleichsstudie unfair, weil die privaten Spenden nicht berücksichtigt werden. Die SVP findet die Höhe der Ukraine-Hilfe gerade richtig: Sie befürchtet, eine Erhöhung der Hilfe würde bloss in korrupten Kanälen versickern.

Der Bundesrat seinerseits will offenbar bald ein neues Hilfspaket für die Ukraine schnüren, das mehr als 100 Millionen Franken umfassen soll. Und laut dem EDA macht man sich beim Bund bereits Gedanken zum Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg. Allerdings: Die Bundesfinanzen sind unter Druck, deshalb könnten die anstehenden Ausgaben für die Ukraine in den kommenden Jahren auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit für Länder in Afrika, Asien oder Südamerika erfolgen.

Die Schweiz konzentriere sich vorrangig auf die humanitäre Hilfe und die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Dort verfüge man über grosses Know-how und langjährige Erfahrung, schreibt das EDA. Im Ranking stehe die Schweiz bei der humanitären Hilfe an zehnter Stelle, betont das Aussendepartement.

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Das neutrale Österreich hilft mehr

Vergleicht man nur die humanitäre Hilfe, landet die Schweiz tatsächlich auf Platz 10 des Vergleichs. Auf Platz eins ist aber das neutrale Österreich, das sein Abseitsstehen bei der Militärhilfe mit einem Podestplatz bei der humanitären Hilfe kompensiert. Die Schweiz nicht.

Die grosszügigsten Länder

Die grosszügigsten Spender-Länder sind die baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen, aber auch Polen. Rund ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes investieren diese Länder in die Ukraine-Hilfe. Die Schweiz hingegen kommt auf einen BIP-Anteil von 0,03 Prozent.

Die USA machen zwar grosse Beträge locker, sowohl für die militärische wie für die finanzielle und humanitäre Hilfe. Doch weil die Wirtschaftsleistung der USA stark ist, relativiert sich auch die US-Hilfe anteilsmässig. Bei der humanitären Hilfe, trotz Hilfszusagen von über drei Milliarden Dollar, liegen die USA hinter der Schweiz.

Das EDA bemängelt zudem, dass in der Kieler Datenbank die Hilfe der Kantone und Städte fehlt, und auch private Spenden der Bevölkerung, zum Beispiel durch die Glückskette. Ein öffentliches Verzeichnis diesbezüglich gibt es aber nicht.

Die Glückskette hat bis heute rund 130 Millionen Franken Hilfsgelder für die Ukraine gesammelt. Das Weltwirtschaftsinstitut erfasst grundsätzlich keine privaten Spenden. Hier werden also alle Länder gleich behandelt.

Schweiz top bei Transparenz

In einer Auswertung des Kieler Instituts kommt die Schweiz hingegen auf den ersten Platz: Das Institut hat auch geschaut, wie transparent die Regierungen ihre Hilfsversprechungen kommunizieren. Hier ist die Schweiz top. Kein anderes Land informiert bei der Ukraine-Hilfe so offen wie die Schweiz.

Neues Hilfspaket für die Ukraine und Moldawien

Der Bundesrat hat am 22. Februar 2023 ein neues Hilfspaket angekündigt: 140 Millionen Franken Soforthilfe sollen bereitgestellt werden, davon sind 114 Millionen Franken für die Ukraine vorgesehen und 26 Millionen für Moldawien. Es ist das bislang grösste schweizerische Hilfspaket seit der Invasion vor einem Jahr. Damit rückt die Schweiz im Ranking etwas nach vorne.

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