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Weshalb das Wasserland Schweiz ein Dürre-Monitoring braucht

Boote, die in einem ausgetrockneten See gestrandet sind
Der ausgetrocknete Lac de Brenets in der Westschweiz am 17. August 2022. © Keystone / Laurent Gillieron
Serie Wasser, Folge 2:

In der Schweiz soll nach dem Vorbild anderer Länder ein Dürre-Warnsystem eingeführt werden. Wir werfen einen Blick auf die verschiedenen Arten und Ursachen von Dürren und darauf, welche Instrumente und Technologien zu deren Vorhersage eingesetzt werden.

Den Garten zu bewässern, das Auto zu waschen oder den Swimmingpool zu füllen, ist verboten. Das Wasser ist knapp und sollte sparsam verwendet werden. Andernfalls droht eine Rationierung.

So lauteten die Anweisungen an die Einwohner:innen einiger Schweizer Gemeinden im Sommer 2022, als Europa von der schlimmsten Dürre seit 500 Jahren heimgesucht wurde.

Einige Seen wie der Lac de Brenets an der schweizerisch-französischen Grenze waren fast komplett ausgetrocknet. Der niedrige Wasserstand des Rheins beeinträchtigte die Verschiffung von Waren, die in die Schweiz eingeführt wurden. Hubschrauber der Armee beförderten Wasser über die Bergweiden zum durstigen Vieh.

Dank der Regenfälle der letzten Monate haben sich die Seen und Flüsse inzwischen wieder gefüllt. Doch die Gefahr einer Dürre ist noch nicht vorbei. Besorgniserregend ist der Schneemangel in den Bergen.

Er könnte die Schweiz im Sommer einer wichtigen Wasserquelle berauben, was gravierende Folgen für die Wasserversorgung, die Landwirtschaft, die Wasserkraftproduktion und die Ökosysteme hätte.

Niemand weiss, ob und wie viel Regen in diesem Sommer fallen wird. Es gibt keinen Überblick über das nationale Wasserangebot und den Wasserbedarf. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat die Schweiz auch kein Früherkennungs- und Warnsystem für Dürreperioden. Das soll sich nun ändern.

Blaues Gold: Wie das Wasserschloss Europas mit der Knappheit umgeht

In vielen Teilen der Welt wird das Wasser knapp. Auch die Schweiz, die über einen Grossteil der europäischen Wasservorräte verfügt, muss ihren Umgang mit Wasser überdenken und sich auf immer häufiger auftretende Dürreperioden einstellen.

In dieser Serie beleuchten wir mögliche Konflikte im Zusammenhang mit dem Wasserverbrauch und zeigen Lösungen für einen besseren Umgang mit der kostbaren Ressource auf.

Was ist eine Dürre?

Als Dürre bezeichnet man einen länger anhaltenden Wassermangel, der auf unzureichende Niederschläge oder starke Verdunstung zurückzuführen ist.

Laut dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (Meteo Schweiz) verzeichnete die Schweiz im Jahr 2022 die geringsten Niederschlagmengen seit Beginn der örtlichen Messungen im Jahr 1864. Zwischen Juni und August fielen in den südlichsten Regionen des Landes weniger als 40% des erwarteten Regens.

Grafik der kumulierten Niederschläge in Coldrerio zwischen Juni 2022 und Mai 2023
Kumulierter Niederschlag in Coldrerio, Tessin. Die schwarze Linie zeigt die durchschnittliche Niederschlagmenge im Zeitraum von 1991 bis 2020. MeteoSvizzera

Es gibt drei Arten von Dürren. Die meteorologische Dürre ist das Ausbleiben von Niederschlägen über einen längeren Zeitraum. In der Schweiz ist sie definiert als der längste Zeitraum, während dem an einer Station weniger als ein Millimeter Niederschlag gemessen wird.

Der Rekord von 77 Tagen wurde 1988 in der Stadt Lugano aufgestellt; im vergangenen Jahr verzeichnete die Wetterstation Coldrerio, ebenfalls im Kanton Tessin, mit 40 Tagen die längste Trockenperiode.

Eine hydrologische Dürre liegt vor, wenn der Wasserstand von Seen und Flüssen unter einen bestimmten Schwellenwert fällt. Im vergangenen August erreichten die Pegel des Luganer-, des Vierwaldstätter-, des Boden- und des Walensees einen historischen Tiefstand.

Von einer landwirtschaftlichen Dürre spricht man, wenn der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens besonders tief ist und die Pflanzenwurzeln nicht genügend Wasser erhalten.

Laut Meteo Schweiz war dies in diesem Frühjahr in Gebieten südlich der Alpen der Fall. Dabei handelt es sich um ein sehr lokales Phänomen, das abhängig ist von der Art der Kultur und des Bodens.

Die folgenden Fotos zeigen auf, wie diese Art der Dürre in der Schweiz im letzten Sommer aussah:

Wodurch werden Dürren verursacht?

Zu den wichtigsten natürlichen Ursachen von Dürren gehören anhaltende atmosphärische Hochdruckgebiete, welche die Niederschläge begrenzen, sowie hohe Temperaturen.

Ein erhöhter Trinkwasser- und Wasserverbrauch, etwa aufgrund des Bevölkerungswachstums, kann ebenfalls zu einem Wasserdefizit führen, während Abholzung und intensive Landwirtschaft die Böden austrocknen.

Auch der vom Menschen verursachte Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit von Dürren. Die Klimakrise hat die Wahrscheinlichkeit von Rekorddürren in Europa, Nordamerika und Asien im Jahr 2022 um mindestens das 20-fache erhöht, so eine internationale Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH)Externer Link Zürich.

Die folgenden Grafiken zeigen Daten zu Dürren auf der ganzen Welt:

Warum kann man in der Schweiz die meisten Naturgefahren vorhersagen, aber keine Dürren?

Seit 2014 werden in der Schweiz Gewitter, Wind, Lawinen, Überschwemmungen, Erdrutsche, Hitzewellen und Waldbrände genau verfolgt und überwacht. Bei Bedarf werden Warnsysteme aktiviert. Das Land verfügt auch über ein HagelmessnetzExterner Link, das Wetterradardaten, automatische Sensoren und Meldungen aus der Bevölkerung zusammenführt.

Ein Warnsystem für Dürreperioden gibt es derzeit jedoch nicht. Der Grund dafür ist einfach: Die Schweiz verfügt über riesige Wasserreserven; in der Vergangenheit waren Dürren nie ein Problem.

Wie bereitet sich die Schweiz auf künftige Dürreperioden vor?

Trotz alpinen Gletschern und zahllosen Seen, Flüssen und Bächen ist die Schweiz nicht immun gegen Dürren, insbesondere wenn auf einen trockenen Winter ein niederschlagarmes Frühjahr und ein ungewöhnlich heisser Sommer folgen.

Zwischen 1994 und 2017 hat die Zahl der durch zu wenig Schneeschmelze verursachten Dürreperioden in den Alpen im Vergleich zum Zeitraum von 1970 bis 1993 um 15% zugenommen, wie eine aktuelle Studie des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF)Externer Link zeigt. “Der Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen”, sagt die SLF-Forscherin Manuela Brunner.

Längerfristig wird es in der Schweiz immer wärmer und trockener werden. Dürreperioden werden häufiger und intensiver auftreten und länger andauern. Vor diesem Hintergrund hat der Bund letztes Jahr beschlossen, bis 2025 ein nationales Früherkennungs- und Warnsystem einzurichten.

Die frühzeitige Erkennung von Dürreperioden würde es beispielsweise landwirtschaftliche Betrieben oder Wasserkraftwerken ermöglichen, die Bewässerung ihrer Felder beziehungsweise die Stromproduktion besser zu planen.

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Welche Instrumente und Technologie helfen, Dürren vorhersagen?

Derzeit nutzen mehrere Kantone in der Schweiz die Plattform drought.chExterner Link, die 2013 ins Leben gerufen wurde. Das von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) betriebene Tool liefert Informationen zu verschiedenen hydrologischen Indikatoren, von Seespiegeln und Flussläufen bis hin zum Wasseräquivalent des Schnees in den Bergen.

Mit dem neuen Dürre-Warnsystem wird ein nationales Netz von Sensoren geschaffen, welche die Bodenfeuchtigkeit in Echtzeit messen. Das System, das 4,75 Millionen Franken kosten wird, integriert hydrologische Daten der WSL-Plattform und Daten von Satelliten, die das Wetter überwachen. Es liefert Informationen zu allen Arten von Dürreperioden.

Anhand der Erfahrungen der Nutzenden, wie etwa der Landwirtschaft, soll das System kontinuierlich verbessert werden. Ziel ist es, den Ausbruch einer Dürre mehrere Wochen im Voraus zu erkennen.

Was machen andere Länder?

Inspirieren lässt sich die Schweiz von den Lösungen jener Länder, die am stärksten von Dürren betroffen waren, sagt Christoph Spirig von Meteo Schweiz. Zum Beispiel von den Vereinigten Staaten, deren DürreüberwachungssystemExterner Link 1999 eingeführt wurde und aus einer wöchentlich aktualisierten Karte besteht, welche die Intensität der Dürren anzeigt.

Die Mitglieder der Europäischen Union verlassen sich auf das Europäische Dürreobservatorium. Dieses 2007 eingeführte Instrument basiert auf der Analyse von Niederschlägen, Bodenfeuchtigkeit, Grundwasserspiegeln und Wasserstress in der Vegetation sowie anderen Indikatoren.

Ein Drittel der Weltbevölkerung wird jedoch nicht von Systemen erfasst, die vor Dürren oder anderen extremen Wetterereignissen warnen. Im Jahr 2022 starteten die Vereinten Nationen die Initiative “Frühwarnungen für alle”, an der multilaterale Entwicklungsbanken, humanitäre Organisationen und die Zivilgesellschaft beteiligt sind.

Die Initiative erstreckt sich zunächst auf 30 besonders gefährdete Länder. Ziel ist es, bis 2027 alle Menschen auf der Erde durch Frühwarnsysteme vor gefährlichen Wetter-, Wasser- oder Klimaereignissen zu schützen.

Editiert von Sabrina Weiss und Veronica DeVore, Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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Gastgeber/Gastgeberin Luigi Jorio

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Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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