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Gefährliche Felsbrocken

Die beschädigte Schutzgalerie an der Axenstrasse. Keystone

Innert fünf Wochen zerstörten Felsstürze zweimal Schutzbauten an Schweizer Autostrassen.

Nach einem Tunnel im Berner Oberland nun die Axenstrasse am Urnersee. Personen kamen auch diesmal nicht zu Schaden.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr durchschlugen Felsmassen die Decke einer Strassengalerie, die zum Schutz vor Steinschlag gebaut wurde.

Nach dem «Chüebalmtunnel» auf der A8 am Brienzersee im Berner Oberland Ende Januar ist am Dienstag die Axenstrasse am Urnersee verschüttet worden.

30-jährige Steinschlaggalerie

Am frühen Dienstagmorgen löste sich an der bekannten Axenstrasse zwischen Brunnen und Sisikon rund fünf Kubikmeter Fels. Die kurvenreiche und malerische Strasse entlang dem Urnersee diente als wichtigste Nord-Süd-Verbindung durch die Schweiz, bevor die Autobahn gebaut wurde.

Die Felsmassen mit einem Gewicht von rund 10 Tonnen stürzten auf die 30-jährige Steinschlaggalerie und durchschlugen die Decke. Die Strasse wurde verschüttet und bleibt zwischen Brunnen und Sisikon gesperrt. Der Verkehr wird über den Seelisberg-Tunnel umgeleitet.

Da ein weiteres Felspaket von zirka sieben Kubikmetern instabil geworden ist, verzögern sich die Räumungs- und Reparaturarbeiten. Mit einer Wiedereröffnung des Strassenabschnitts ist laut der Schwyzer Polizei erst für Donnerstagabend zu rechnen.

Felssturz ist nicht Steinschlag

Im Unterschied zum «Chüebalmtunnel» am Brienzersee wurde die Galerie an der Axenstrasse nicht gegen Felssturz sondern gegen Steinschlag gebaut.

Die Galerie kann einen 200 kg schweren Stein mit einer Fallhöhe von 100 Metern aushalten. Doch der Findling, der die Axenstrasse-Galerie durchschlug, dürfte rund 8 Tonnen schwer gewesen sein.

«Ab dieser Grösse sprechen wir von einem Felssturz und nicht mehr von Steinschlag», präzisiert Daniel Schneider, der Sprecher des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) gegenüber swissinfo.

Schneider schätzt auch, dass man damit rechnen müsse, dass ein solcher Felssturz alle 20 bis 80 Jahre stattfinde. Steinschlag dagegen könne sich täglich ereignen.

Weil die Stelle an der Axenstrasse für dieses Risiko bekannt ist, plant man an dieser Stelle ein Tunnel. Der Bau des Tunnels sei im Prinzip beschlossen. Zur Zeit versuche man sich über die Linienführung zu einigen, sagt Schneider. Das Tunnelsystem soll bis ins Jahr 2015 fertiggebaut werden, hiess es beim Kanton Schwyz. Auch sollen die jetzt hängenden Steinschlaggalerien durch abgestützte ersetzt werden.

Aber alle gefährdeten Strassenteile in der Schweiz in Tunnels zu verlegen, wäre schlicht viel zu teuer, wie die Verantwortlichen im Bundesamt betonen. Zumal Tunnels auch nicht einfach sicher seien.

Prüfungs-Ergebnisse im April

Bereits nach dem Felssturz am Brienzersee ordnete das ASTRA die Überprüfung sämtlicher Steinschlag-Galerien bei Tunnelportalen in der Schweiz an.

«Das sind rund 12 bis 15 Kilometer Bauwerke», weiss ASTRA-Vizediektor Michel Egger. Kontrolliert werde vor allem, ob die Bauwerke offensichtliche Mängel, wie zu kurze Schutzgalerien, aufweisen. Überprüft werden auch die Überwachungs-Massnahmen. Die Resultate werden Ende April vorliegen.

«Die Baufirmen, welche Tunnels, Galerien und Schutzbauten erstellen, tun das gemäss Richtlinien des Bundes», sagt Gerhard Schütz, Ingenieur bei der Marti Tunnelbau AG in Bern.

Deshalb hat das Bundesamt für Strassen eine «Expertengruppe Steinschlag» mit Fachleuten von Bund, Kantonen, Bundesbahnen und Hochschulen eingesetzt.

Sie soll prüfen, ob die heutigen Richtlinien zum Bau von Schutzgalerien nach den Erfahrungen – vor allem nach dem Felssturz auf der A8 – angepasst werden müssen.

Die Natur ist unberechenbar

«Doch all die Überwachungen und Schutzbauten können das Restrisiko nicht beseitigen», schätzt Kurt Jenk, der Verantwortliche für Strassenbau im Kanton Bern.

«Die Reisenden im Auto oder in der Bahn müssen dieses Restrisiko akzeptieren, den absoluten Schutz gibt es nicht», fasst Jenk zusammen.

1968 war es letztmals zu einem Felssturz gekommen. Rund 600 Kubikmeter Stein stürzten damals durch die Decke der Galerie, die sich gerade im Bau befand, auf die Strasse. 1970 fand dann die Eröffnung statt.

swissinfo, Urs Maurer

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