
Philias oder der pragmatische Idealismus

Die Stiftung Philias hat es sich zur Aufgabe gemacht, die soziale Rolle der Unternehmen zu fördern. Sie feiert heuer ihr fünfjähriges Bestehen.
Der Schlüssel ihres Erfolgs: Ideale mit Geschäftslogik verbinden. swissinfo hat mit der Gründerin von Phileas, Bettina Ferdman Guerrier, gesprochen.
Für Bettina Ferdman Guerrier, Gründerin und Direktorin von Philias, ist die soziale Verantwortung schon seit Jahren ein Anliegen. Mit 18 gründete sie zusammen mit Freunden eine Vereinigung zur Aids-Prävention.
Bei dem Projekt arbeitete sie mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zusammen. Anschliessend baute sie mit diesen Partnern verschiedene weitere Projekte auf. Im Jahr 2000 gründete Ferdmann Guerrier die Stiftung Philias in Genf.
swissinfo: Welche Philosophie steht hinter Philias?
Bettina Ferdman Guerrier: Unternehmen sind Motoren unserer Gesellschaft. Sie sind da, um Profit zu machen und Arbeitsstellen zu schaffen. Aber sie können auch wie verantwortliche Bürgerinnen und Bürger handeln.
Unsere Aufgabe ist es, diese soziale Rolle zu fördern und den Unternehmen zu helfen, sich korrekt zu verhalten. Wir urteilen nicht, sondern begleiten sie bei ihrem Projekt.
swissinfo: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit den Unternehmen in der Praxis aus?
B.F.G.: Es gibt zwei Möglichkeiten: Manchmal kontaktiert uns ein Unternehmen, weil es in diesem Bereich etwas tun will. Wir helfen ihm dann, abstrakte Werte in die Praxis umzusetzen.
Die Bank BNP Paribas zum Beispiel hat sich an uns gewandt, weil sie etwas für die Kinder in der Schweiz tun wollte. Doch es gibt bereits viele solche Projekte. Nach einigem Suchen fanden wir etwas, das noch nicht unterstützt wird: Die Kunsttherapie. Dank ihr können schwerkranke oder sterbende Kinder ihren Schmerz und ihre Ängste ausdrücken. In diesem Projekt hat sich die Bank nun engagiert.
Beim zweiten Weg kommt der Impuls von uns. So haben wir vor zwei Jahren eine Partnerschaft mit dem Kanton Genf eingeleitet, bei der es um die Integration von Behinderten in der Arbeitswelt geht.
swissinfo: Fürchten Sie nicht, dass die Unternehmen Sie als Marketingwerkzeug benutzen? Oder anders gefragt: Haben Sie nicht Angst, manipuliert zu werden?
B.F.G.: Unsere Haltung ist klar: Wenn ein Unternehmen etwas Positives tut und darüber sprechen will, sehen wir darin kein Unrecht. Das kann sogar andere Unternehmen dazu ermutigen, sich auch zu engagieren. Natürlich sind unsere Projekte nicht in erster Linie dazu da, die Unternehmen reich zu machen.
Wurden wir schon einmal manipuliert oder benutzt? Benutzt, ja, in gewisser Weise. Aber das half uns, Projekte auf die Beine zu stellen, die in der Gesellschaft etwas bewirken.
swissinfo: Mussten Sie aus diesem Grund noch nie auf eine Zusammenarbeit verzichten?
B.F.G.: Nein. Aber wir werden sehen, wie das sich entwickelt. Es steht uns natürlich frei, die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen einzustellen, wenn es uns aus Gründen benutzt, die nicht ehrlich oder für die Gesellschaft nutzlos sind.
swissinfo: Warum spricht man heute in den Unternehmen mehr von Ethik als früher? Bedeutet das Bewusstseinsbildung oder wachsende Notwendigkeit?
B.F.G.: Etwas von beidem. Einerseits ist namentlich im Zusammenhang mit Skandalen wie bei Swissair oder Enron das Bewusstsein gestiegen. Heute begnügen sich die Leute nicht mehr mit einem Qualitätsprodukt. Sie wollen auch wissen, wie das Unternehmen sich verhält.
Andererseits werden die sozialen Ungleichheiten immer grösser. Diese Ungleichheiten in der Gesellschaft finden sich auch in den Unternehmen wieder, die sich nicht nur damit konfrontiert sehen, Profit zu machen, sondern auch dafür sorgen sollten, dass unsere Gesellschaft gesund ist.
swissinfo: Zu Beginn betraf diese Bewusstseinsbildung vor allem die Umwelt und weniger den sozialen Aspekt, den Konsumierenden war der Umweltschutz wichtiger. Zeichnet sich da ein Wandel ab?
B.F.G.: Noch bleibt viel zu tun, aber ich denke schon, dass ein Wandel im Gang ist. Es stimmt aber, dass man im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung vor allem an die Umwelt denkt. Insbesondere in der Deutschschweiz.
Dafür gibt es wohl verschiedene Erklärungen: Zunächst war da ein prägendes Ereignis: Die Katastrophe von Schweizerhalle bei Sandoz in Basel. Aber es ist auch leichter, Taten im Umweltbereich zu messen.
Im Sozialen ist das weniger sichtbar. Wie soll man Massnahmen im Zusammenhang mit dem Fernbleiben von der Arbeit, der Integration von Behinderten oder Fragen rund um das Mobbing messen?
Ausserdem stellen diese Probleme jene in Frage, die sich in einem Unternehmen damit befassen.
swissinfo: Philias gibt es seit fünf Jahren. Was reizt Sie, Ihre Mission tagtäglich weiterzuführen?
B.F.G.: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, Philias kann … die Welt verändern. Sich auf jeden Fall an dieser Veränderung beteiligen. Und dabei bescheiden und pragmatisch bleiben.
Das hilft uns, jeden Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Dieser Eindruck, dass man etwas bewirken kann.
swissinfo: Es muss schwierig sein, in der Geschäftswelt eine idealistische Botschaft zu überbringen. Ist es das pragmatische Vorgehen, dieses «Schritt für Schritt», das Sie erfolgreich macht?
B.F.G.: Ja. Es gibt nur diesen Weg, davon bin ich überzeugt. Ein Idealismus, der von Argumenten mit erprobter Geschäftslogik begleitet ist.
swissinfo-Interview: Alexandra Richard
Philias wurde 2000 in Genf gegründet.
Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unternehmen bei der Bewusstseinsbildung und der Entwicklung ihrer sozialen Verantwortung zu ermutigen und zu unterstützen.
In den fünf Jahren ist die wohltätige Stiftung gewachsen.
Anfang Jahr wurde eine Filiale in Zürich eröffnet. Hier geht es vor allem darum, die Deutschschweizer Unternehmen davon zu überzeugen, dass nachhaltige Entwicklung nicht nur die Umwelt betrifft, sondern auch einen sozialen Aspekt hat.
Philias hat ausserdem ein internationales Netz aufgebaut. Die Stiftung arbeitet mit 18 ähnlichen Stiftungen in Europa zusammen. Zu ihren Kontakten gehört auch Prinz Charles, der Präsident des britischen Partners von Philias.

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