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Nicht jede Diaspora hat gleiche politische Rechte

Keystone

Das Stimm- und Wahlrecht gehört zu den Fundamenten der demokratischen Staatsbürgerschaft. Doch wie sieht es mit den Bürgerinnen und Bürgern eines Landes aus, die im Ausland leben?

Jedes Land geht anders mit dieser Frage um. Das Spektrum reicht von praktisch keinen Rechten bis zur Wahl von direkten Vertretern im Parlament.

Die Einbindung der Auslandgemeinde kann für ein Land eine grosse Wirkung haben.

So haben die Ausland-Italienerinnen und -Italiener den Ausgang der Parlamentswahlen 2006 entscheidend beeinflusst, und dies gleich bei der ersten Möglichkeit zur brieflichen Stimmabgabe. Mickrige 25’000 Stimmen entschieden dort über Sieg und Niederlage.

Eine weltweite Bestandesaufnahme der Wahlrechte von Auslandbürgerinnen und Auslandbürgern sucht man vergebens, wie der österreichische Politologie-Professor Rainer Bauböck festgestellt hat. Daher gibt es nur Beispiele.

Laut seiner Untersuchung gewähren 13 der 15 «alten» Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ihren im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern das Stimm- und Wahlrecht im Heimatland. Ausnahme sind Irland und Griechenland.

Viele Länder gewähren sogar jenen Personen das Wahlrecht, die niemals im Herkunftsland ihrer Eltern gelebt haben, z.B. Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal, Spanien oder auch die Schweiz.

Auch die USA und Kanada kennen wie die Schweiz die Möglichkeit der Wahl mittels Brief.

Die meisten lateinamerikanischen Staaten verlangen den Besuch einer Botschaft oder eines Konsulats im Wohnland, um den Wahlzettel abzugeben (Argentinien, Brasilien, Honduras, Kolumbien, Peru, Venezuela).

Umständliche Reise

Noch etwas komplizierter ist es beispielsweise für Menschen mit israelischem, nicaraguanischem oder türkischem Pass, die fern ihrer Heimat leben: Sie müssen ihre Stimme im Heimatland abgeben.

Diese Staaten «bürden daher jenen, die sich beteiligen wollen, teils erhebliche Reisekosten auf», konstatiert Bauböck.

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Wahlrecht

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz haben alle mündigen Schweizer Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren das politische Recht, an den Nationalrats- und Ständeratswahlen als Wählende teilzunehmen (aktives Wahlrecht) oder sich als Kandidierende zur Wahl zu stellen (passives Wahlrecht). Wer wahlberechtigt ist, hat auch das Stimmrecht. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer können sich seit 1977 an Abstimmungen und Wahlen beteiligen,…

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Eigene Vertretung

Deutlich weiter gehen einige europäische Länder, wie Untersuchungen des französischen und des australischen Senats belegen.

Vorreiter sind dabei Italien und Frankreich. Sie gewähren der Diaspora eine bestimmte Anzahl von direkten Vertreterinnen oder Vertretern im Parlament.

In Frankreich sind 12 von 331 Sitzen im Senat der Diaspora zugeteilt, in Italien 12 von 630 im Unterhaus und 6 von 315 im Senat.

Auch Portugal kennt eine Vertretung der Auslandgemeinde. Von den 230 Sitzen im Einkammer-Parlament sind je zwei für Portugiesen in Europa und zwei für jene aus Übersee reserviert. Ein weiteres europäisches Land mit vier Parlamentsvertretern der Diaspora ist Kroatien.

Bauböck nennt in seiner Publikation als aussereuropäisches Beispiel Kolumbien, das seine Auslandgemeinde als eine von fünf Minderheiten definiert hat, die jeweils durch eine gewisse Anzahl Parlamentarier vertreten sind.

Ein virtueller Ausland-Kanton?

Auch in der Schweiz wird die Möglichkeit einer Vertretung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Parlament immer wieder diskutiert.

Da diese Personen aber in einzelnen Gemeinden im Wahlregister eingetragen sind, verpuffe ihr Stimmenpotenzial, gibt Politologe Wolf Linder zu bedenken.

Durchschnittlich wird pro 35’000 Personen in einem Kanton ein Volksvertreter in den Nationalrat gewählt. Würden die Stimmen der gegenwärtig rund 111’000 in einem Wahlregister eingetragenen Auslandschweizer in einem virtuellen Kanton zusammengefasst, kämen sie somit auf 3 Sitze im Parlament.

Wenn man bedenkt, dass 645’000 Landsleute im Ausland leben, kämen sie sogar auf 18 Nationalrätinnen und Nationalräte, wenn sich alle eingetragen hätten und ihr Stimm- und Wahlrecht wahrnehmen würden.

Eine nicht zu unterschätzende Kraft, wie das Beispiel Italien mit dem äusserst knappen Wahlausgang letztes Jahr gezeigt hat.

swissinfo, Christian Raaflaub

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Auslandschweizer / Auslandschweizerinnen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer üben die politischen Rechte persönlich in der Stimmgemeinde oder brieflich aus. Stellvertretung ist zulässig, soweit der Kanton der Stimmgemeinde sie vorsieht. Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland leben, können sich eine Heimat- oder eine ihrer früheren Wohnsitz-Gemeinden als Stimmgemeinde auswählen und sich dort registrieren lassen. (Quelle: Wahlwörterbuch Parlament)

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Vertreter der Auslandgemeinde im Parlament:
Italien: 6 im Senat, 12 im Unterhaus
Frankreich: 12 im Senat
Portugal: 4
Kroatien: 4

Wie die Schweiz, in der die Auslandschweizer-Organisation (ASO) die Interessen der Auslandgemeinde (Fünfte Schweiz) wahrnimmt, haben verschiedene Länder ähnliche Institutionen.

In Frankreich ist es die «Assemblée des Français de l’étranger» (AFE), in Italien der «Consiglio Generale degli Italiani all’Estero» (C.G.I.E.), in Spanien der «Consejo General de la Emigración» (CGE) und in Portugal der «Conselho das Comunidades Portuguesas» (CCP).

Folgende Länder beispielsweise haben keine Interessenvertretung für ihre Diaspora: Deutschland, Belgien, Niederlande, Grossbritannien, USA.

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