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Ein unermüdlicher Kämpfer gegen Krebs

Giorgio Noseda erhielt dieses Jahr einen „Swiss Award" für seinen Einsatz gegen Krebs. swissinfo.ch

Der Tessiner Arzt Giorgio Noseda setzt sich seit 20 Jahren an vorderster Front für eine effiziente Krebsbekämpfung in der Schweiz ein. Vor kurzem erhielt er den Swiss Award.

Im swissinfo-Interview spricht der ehemalige Präsident von Oncosuisse aus Anlass des Weltkrebstages (4. Februar) von den Erfolgen und neuen Herausforderungen der Onkologie in der Schweiz.

Anfang dieses Jahres erhielt Noseda die Auszeichnung „Schweizer des Jahres” in der Kategorie Gesellschaft des Swiss Awards. Damit wurden seine Verdienste um die Krebsbekämpfung honoriert.

Ende 2006 hat Noseda sein Amt als Präsident von Oncosuisse, dem Dachverband der Krebsorganisationen, aufgegeben. Er setzt sich jetzt für die Schaffung eines nationalen Krebsregisters ein.

swissinfo: Welche Bedeutung hat für Sie der Swiss Award?

Giorgio Noseda: Einerseits ist es eine Anerkennung meiner Arbeit. Der Preis ist aber auch eine Auszeichnung für alle Leute, die mit mir gearbeitet haben. Doch ich bin überzeugt, dass man darüber hinaus auch auf das Thema Krebs aufmerksam machen wollte. Die Bevölkerung muss sensibilisiert werden. Und es ist immer noch viel Arbeit nötig.

swissinfo: In der heutigen Gesellschaft zählen vor allem die Stars aus Film und Sport. Haben Sie den Eindruck, dass sozialer Einsatz überhaupt genügend Anerkennung findet?

G.N.: Die Schweizer Gesellschaft existiert nur dank der sozialen Arbeit, die häufig im Verborgenen stattfindet. Gerade in der Krebsbekämpfung ist der Freiwilligeneinsatz von enormer Bedeutung. Ohne diesen Einsatz käme unsere Gesellschaft in eine echte Krise.

swissinfo: Warum haben Sie vor kurzem die Präsidentschaft von Oncosuisse und der Schweizer Stiftung für Krebsforschung abgegeben? Beide Organisationen wurden von ihnen gegründet.

G.N.: Ich glaube, es ist richtig, irgendwann das Steuer an eine andere Person weiter zu reichen und sich selbst wieder neuen Projekten zuzuwenden. In meinem 20-jährigen Kampf gegen Tumore habe ich sicherlich 300’000 oder 400’000 Kilometer zurückgelegt; das heisst zehn Mal um die Erde.

swissinfo: Welche persönliche Bilanz ziehen Sie nach all diesen Jahren?

Ich glaube, zwei sehr wichtige Dinge erreicht zu haben. Erstens: Ein einheitliches Dach für alle Organisationen, die in der Krebsbekämpfung aktiv sind. Es ist der Verband Oncosuisse.

Im Auftrag der Gesundheitsbehörden haben wir zudem ein nationales Krebsbekämpfungsprogramm erarbeitet. Das entsprechende Dokument wurde 2006 veröffentlicht.

Auf Grund unserer Empfehlungen hat Gesundheitsminister Pascal Couchepin beispielsweise entschieden, dass die Krankenkassen alle zwei Jahre eine Mammografie bei Frauen nach der Menopause bezahlen müssen. Wir arbeiten zudem an einem Bundesgesetz zur Krebsprävention.

swissinfo: Und der zweite Punkt?

G.N.: Das war die Gründung der Stiftung Krebsforschung Schweiz. Diese sammelt Geld, um wichtige Forschungen und Studien zu unterstützen. Im Durchschnitt sind es 16-17 Millionen Franken im Jahr. Insgesamt haben wir bisher 80 Millionen Franken gesammelt und rund 450 Forschungsprojekte unterstützt.

swissinfo: Wie beurteilen Sie das Niveau der Schweizer Forschung, auch im internationalen Vergleich?

Anhand einer kürzlich angefertigten Analyse mussten wir feststellen, dass die Schweiz sich in Bezug auf die Forschungsgelder nicht in einer Top-Position befindet. Im europäischen Vergleich liegen wir mit 2,30 Euro pro Bewohner und Jahr nur an elfter Stelle. Grossbritannien, Frankreich und Deutschland investieren den doppelten Betrag pro Einwohner.

Es gibt also durchaus noch Verbesserungspotential. Doch man muss auch sagen, dass die Schweiz in Hinblick auf die Forschungsresultate und die Betreuung krebskranker Personen weltweit mit an der Spitze steht.

swissinfo: Trotz all dieser Anstrengungen hat man den Eindruck, dass der Kampf gegen Krebs nur sehr langsam vorankommt. Die Todesrate ist immer noch sehr hoch. In der Schweiz stirbt jede vierte Person an Krebs.

Ja, das stimmt. Doch es muss gesagt werden, dass die Todesrate dank guter Therapien gesenkt werden konnte. Aber leider sind wir auch mit immer mehr Formen von Krebs konfrontiert.

Die Bekämpfung dieser Krankheit muss weiter gehen. Es gibt viel zu tun, vor allem in der Prävention. Eine Finanzierung präventiver Massnahmen durch die öffentliche Hand gibt es immer noch nicht und eine Reihe von Frühdiagnosen werden von den Krankenkassen nicht anerkannt.

swissinfo: In der Schweiz obliegt der Kampf gegen den Krebs den Kantonen. Ein nationales Krebsregister existiert nicht. Warum schafft man es nicht, die Kräfte besser zu bündeln?

Es ist nun mal eine Tatsache, dass die Kompetenz für die Gesundheitspolitik bei den Kantonen liegt. Dies lässt sich nicht ändern. In Bezug auf den nationalen Krebsregister hinken wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA in der Tat hinterher. Zur Zeit führen nur ein Dutzend Kantone einen Krebsregister. Diese decken zirka 55% der Gesamtbevölkerung ab.

Aus diesem Grund bin ich zur Zeit daran, ein nationales Institut für epidemologische Krebsstudien auf die Beine zu stellen. Wir haben ein Startkapital von der Stiftung Krebsforschung erhalten. Zudem sind Verhandlungen mit anderen Geldgebern in Gang. Ich hoffe, schon in diesem Frühjahr die Gründung des Instituts bekannt geben zu können.

swissinfo, Françoise Gehring, Mendrisio
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Krebs steht in der Schweiz nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen an zweiter Stelle als Todesursache. Bei 28% der Männer und 22% der Frauen werden Tumore festgestellt.

Jedes Jahr werden in der Schweiz 31’000 neue Krebsfälle entdeckt. 15’000 Personen sterben an Krebs.

Weltweit sterben jedes Jahr 11 Mio. Personen an Krebs (12,5 Prozent aller Todesfälle).

Giorgio Noseda – Jahrgang 1938 – ist Kardiologe und Internist. Der Tessiner hat Medizin an der Universität Bern studiert.

Er war Chefarzt für Kardiologie und Innere Medizin am Spital Beata Vergine von Mendrisio sowie am Stadtspital Civico von Lugano. Zudem war er als Professor für Medizin an der Universität Bern tätig.

Der Tessiner Arzt war Präsident Schweizerischen Krebsliga (1989-1992), der Stiftung für Krebsforschung (1990- 2006) sowie vom Dachverband Oncosuisse (1999-2006). Er präsidiert nach wie vor das Forschungsinstitut für Biomedizin in Bellinzona (seit 2000).

Noseda engagiert sich zudem für die Schaffung eines Nationalen Instituts für epidemologische Krebsstudien sowie für Biobank Schweiz, eine Stiftung zu Förderung der Forschung und Datensammlung im Bereich der Humanmedizin.

Oncosuisse ist ein 1999 gegründeter Dachverband, dem die wichtigsten Schweizer Institutionen angehören, die in der Krebsbekämpfung tätig sind: Schweizerisches Institut für angewandte Krebsforschung (SIAK), Schweizerisches Institut für experimentelle Krebsforschung (ISREC) und die Schweizerische Krebsliga.

Als vermittelnde und treibende Kraft erarbeitet Oncosuisse ein integriertes nationales Krebsprogamm und bringt die verschiedenen Arbeitsbereiche partizipativ-politisch voran.

Oncosuisse wird von der Stiftung Krebsforschung Schweiz finanziell unterstützt.

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