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Swissair: Flugbetrieb suspendiert – kein Benzin mehr

swissinfo.ch

Die Swissair hat ihren gesamten Flugbetrieb am Dienstag mit sofortiger Wirkung eingestellt. Die notwendige Liquidität zur Aufrechterhaltung des Tagesgeschäftes sei nicht mehr vorhanden, teilte die Swissair mit. Wann der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden kann, ist derzeit offen.

Die Swissair verhandelte laut eigenen Angaben intensiv mit den Banken, um den Weiterbetrieb der Flugoperationen zu gewährleisten. Ein definitiver Entscheid werde bald fallen, hiess es.

Damit haben sich in weniger als 24 Stunden nach Bekanntgabe der Swissair-Radikalkur die Ereignisse überstürzt:

Im Flughafen London-Heathrow sind am Dienstagmorgen zwei Maschinen der Swissair festgehalten worden. Swissair-Sprecher Patrick Gendrin bestätigte auf Anfrage, dass die Behörden die Maschinen versiegelt hätten. Die Swissair Group soll dem Londoner Flughafen insgesamt 300’000 Pfund (umgerechnet rund 720’000 Franken) Landetaxen schulden.

Eine der beiden auf dem Flughafen London-Heathrow festgehaltenen Swissair-Maschinen konnte am Dienstagmittag wieder abfliegen und landete um 14.39 Uhr in Zürich.

Kein Flugbenzin mehr

Gegen Mittag war bekannt geworden, dass die Swissair offenbar kein Flugbenzin mehr bekommt. Dies wurde den wartenden Passagieren im Flughafen Zürich-Kloten per Lautsprecher-Durchsage mitgeteilt. Davon seien alle europäischen Flüge betroffen, hiess es.

Die Mineralöl-Gesellschaften haben nach Ankündigung der massiven Liquiditätsprobleme der Swissair auf das so genannte Pre-paid- Verfahren umgestellt. Das heisst, Flugbenzin wird nurmehr gegen Vorauszahlung geliefert.

Grund seien Ausstände in zweistelliger Millionenhöhe und die nicht eingehaltene Versprechung, den Treibstoff für den (heutigen) Dienstag im voraus zu bezahlen, wie Giorgio Kunz, BP-Verantwortlicher für das Schweizer Fluggeschäft, auf Anfrage sagte.

BP und Swissair hätten zwar noch am Montagabend telefonisch die Voraus-Bezahlung des Treibstoffes für den Dienstag beschlossen. Nachdem aber diese Zahlungen bis Dienstagmittag nicht eintrafen, sah sich BP zum Lieferungsstopp gezwungen. Kunz zeigte sich insbesondere von den Banken enttäuscht, die die Swissair offenbar hängen liessen. Auch Shell hat die Tankfüllungen am späten Vormittag eingestellt.

Kurze Zeit später haben die Swissair-Verantwortlichen entschieden, vorläufig alle Flüge zu suspendieren.

Belgien: Angst vor Beschlagnahmung

Bereits seit Montagabend hat die Swissair Group wegen der fälligen und nicht geleisteten Zahlung von 200 Mio. Franken an die Sabena vorläufig ihre Flüge nach Belgien gestrichen.

Mit der Annulierung der Belgien-Flüge wolle die Swissair Group verhindern, dass wegen der ausbleibenden Zahlung von 200 Mio. Franken eine Swissair-Maschine in Brüssel blockiert werden könnte.

Die belgische Regierung hatte bereits am Montagabend die Möglichkeit von rechtlichen Schritten gegen die Swissair angedeutet, am Dienstag folgte dann die offizielle Ankündigung. Die Minister hätten dies an einer Sitzung beschlossen, sagte Genevieve Lombaerts, Pressesprecherin des belgischen Finanzministers.

Die EU-Kommission ist nach dem Zusammenbruch von Swissair in ständigem Kontakt mit den belgischen Behörden. Zu allfälligen Staatshilfen Belgiens an Sabena wollte ein Kommissionssprecher noch nicht Stellung nehmen. Das EU-Gemeinschaftsrecht untersagt Staatshilfen an Fluggesellschaften.

Crossair springt kurzfristig nicht ein

Der einzige Crossair-Flug zwischen Zürich-Kloten und Brüssel vom Dienstagnachmittag ist laut Swissair-Sprecher Donzel von der Massnahme nicht tangiert und sollte flugplanmässig verkehren.

Die Crossair wird am Dienstag kaum für die am Boden stehenden Swissair-Flugzeuge einspringen können. Die Crossair habe alle ihre eigenen 77 Flugzeuge im operativen Einsatz, sagte Crossair-Sprecher Manfred Winkle. Er könne sich deshalb nicht vorstellen, dass die Crossair derzeit zusätzliche Flüge für die Swissair werde ausführen zu können. “Auch wenn wir nicht in der Lage sind, so kurzfristig einzuspringen, prüfen wir trotzdem, was wir machen können”, fügte er hinzu. Gegenwärtig seien organisatorische und rechtliche Abklärungen im Gang.


Swissair-Aktien praktisch wertlos

Nach der Quasi-Pleite der Swissair Group werden die Aktien des Flugkonzerns als praktisch wertlos eingeschätzt. Die 63’000 Aktionäre habe das Nachsehen. Der Handel mit Swissair-Wertpapieren soll am Mittwoch fortgesetzt werden.

Der Wert der Swissair-Aktien dürfte auf Null sinken, wenn der Handel wieder aufgenommen wird, schätzen Händler. Damit wird eine Markt-Kapitalisierung von noch 522 Mio. Franken vernichtet.

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