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UBS schadet nicht nur sich selber

Hans Geiger. Keystone

Dass die Grossbank UBS ihren Angestellten trotz Katastrophenjahr fast gleich hohe Boni bezahlt wie 2007, ist für Hans Geiger vom Bankeninstitut der Universität Zürich ein "Konstruktionsfehler".

Gefragt seien heute längerfristig ausgerichtete Anreiz-Systeme. Sonst könne das internationale Bankengeschäft Schaden nehmen, sagt der Professor im Interview mit swissinfo.

swissinfo: Das wichtigste für Banken ist ihre Glaubwürdigkeit. Nun hat die Grossbank UBS mehrmals neue Abschreiber, dann einen massiven Verlust bekannt gegeben – und trotzdem werden hohe Boni ausbezahlt. Schadet das dem Image des Bankenplatzes Schweiz?

Hans Geiger: Das ist nicht ein Phänomen des Bankenplatzes Schweiz. Es ist ein Phänomen der grossen internationalen Banken. Und diesen schadet das ganz eindeutig.

swissinfo: Das Problem in der aktuellen Bankenkrise scheint das Bonus-Anreizsystem zu sein. Warum?

H.G.: Grundsätzlich ist es gut, wenn Leute durch die Entschädigung oder auch durch andere Mittel dazu motiviert werden, gute Resultate zu erzielen. Wenn jemand einen grossen Gewinn erarbeitet und dafür einen Bonus erhält, ist das grundsätzlich ein positiver Anreiz.

Aber schlecht sind diese Anreiz-Systeme in der konkreten Ausgestaltung: Sie fördern riskante Geschäfte gegenüber sicheren Geschäften. Und sie fördern das kurzfristige Denken gegenüber dem langfristigen Denken. Beides ist schädlich und unerwünscht.

swissinfo: Was halten Sie vom Vorschlag der Credit Suisse, bei Verlusten den Bonus wieder einzuziehen?

H.G.: Die Credit Suisse will den Bonus zum Teil auf ein Sperrkonto einzahlen. Und wenn im Folgejahr ein Verlust entsteht, wird der verrechnet mit diesem blockierten Bonus aus dem Vorjahr.

Das ist ganz sicher ein System in die richtige Richtung. So sollte es sein. Das löst das Problem der Kurzfristigkeit.

swissinfo: Auch ein Kadermitglied der Schweizerischen Nationalbank schlägt unter anderem vor, einen Teil des Bonus als Reserve auf die Seite zu legen.

H.G.: Ich denke, da hat die Nationalbank als Institution gesprochen. Das war nicht einfach Daniel Heller, der von sich aus seine Meinung in der “Financial Times” zum Besten gab. Er schrieb den Artikel im Auftrag.

Es ist offensichtlich die Politik der Nationalbank, mitzusprechen bei der Gestaltung der Anreiz-Systeme bei den Banken, für die sie im Notfall einstehen müsste.

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swissinfo: Wäre die Einführung eines Systems mit einem Malus auch eine Möglichkeit?

H.G.: Es gibt natürlich schon einen Malus. Ich nehme jetzt einmal an, dass die Verwaltungsräte und Generaldirektoren der UBS grosse Bestände an UBS-Aktien haben.

Diese liegen zum Teil in gesperrten Depots aus früheren Bonus-Programmen. Vielleicht haben sie auch sonst gekauft. Wenn dann der Kurs von 80 auf 40 Franken runtergeht, ist das schon ein Malus.

Zudem mussten sie, als sie diese Aktien als Bonus erhielten, diese auch als Einkommen versteuern. Dann wären sie doppelt gestraft: Erstens durch den Wertverlust der Aktie und zweitens, weil sie damals Einkommenssteuern auf etwas bezahlten, das jetzt nicht mehr viel Wert ist.

Es hat schon Malus-Elemente in den bisherigen Bonus-Systemen, vor allem, wenn sie aktienbasiert sind. Sie bringen vielleicht der Firma vom Malus her nichts zurück, aber dem Betreffenden bescheren sie einen Malus, indem er ärmer oder weniger reich ist.

swissinfo: Privatbanken arbeiten mit Mitbesitz. Wäre das ein besseres Modell, um solche kurzfristigen Risiken zu vermeiden?

H.G.: Für mich ist der Privatbankier, so wie er schon vor 500 Jahren oder länger in Genf und Basel existierte, das Ideal für den Betrieb eines Bankgeschäftes.

Aus verschiedenen Gründen: Erstens haften die Leute mit ihrem Privatvermögen, was das Verhalten ändert. Zweitens entscheiden Privatbankiers anders als angestellte Generaldirektoren.

Bankiers treffen sich vielleicht täglich und besprechen wichtige Geschäfte, nicht nur strategische Entscheide. Und sie sagen, das machen wir und das nicht. Das gibt eine ganz andere Kultur.

Das Modell hat aber ein paar Tücken, die dazu geführt haben, dass die Banken mit voll haftenden Partnern seit Jahrzehnten am Verlieren sind. Es gibt immer weniger echte Privatbankiers.

Dass dieses Modell im Investment Banking wieder kommen könnte, ist undenkbar. Im Private Banking, dem eigentlichen Vermögensverwaltungs-Geschäft, denke ich schon, dass sich das Modell wieder stärken könnte.

swissinfo: Warum übernimmt keine grosse Bank ein solches Modell im Investment Banking, warum wagt sich niemand als Vorreiter?

H.G.: Bei den grossen Banken ist das nicht machbar. Noch vor 20, 30 Jahren waren alle Investmentbanken in den USA, über die wir jetzt schimpfen, partnerschaftlich organisiert.

Goldman-Sachs war vor etwa sechs Jahren die letzte Bank, die von der Partnerschaft zur Aktiengesellschaft und gleichzeitig zur Börsenkotierung gewechselt hat.

Investmentbanken brauchen heute so viel Eigenkapital, dass das im Partner-Modell nicht mehr funktioniert, weil die Partner nicht genügend reich sind, um 50 Milliarden Franken Eigenkapital bereitzustellen.

swissinfo: Wo sähen Sie dann eine Möglichkeit für Grossbanken, in Sachen Boni einen Wechsel vorzunehmen?

H.G.: Das Modell der Credit Suisse wäre eines. Es gibt andere Modelle, bekannt ist jenes der Bank Vontobel, das vor einigen Jahren eingeführt wurde.

Das sind solide, gute Modelle. Das ist nicht Neuland. Man weiss, wie man das machen könnte.

Dass heute die UBS fast gleich viele Boni bezahlt, wie letztes Jahr, obwohl sie ein Katastrophenjahr hinter sich hat, das tönt schon nach einem Konstruktionsfehler.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub

Hans Geiger ist seit 1997 Professor am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört unter anderem die Finanzmarkt-Aufsicht.

Er war von 1970 bis 1996 für die Kreditanstalt, die heutige Credit Suisse, tätig. Von 1998 bis 2004 war Geiger Vizepräsident des Verwaltungsrats der Bank Vontobel und der Vontobel Holding AG in Zürich.

In letzter Zeit sprechen sich immer mehr Experten für eine Änderung der Anreize für Bankangestellte aus.

In diesem Sinn haben sich auch hochrangige Vertreter der Schweizerischen Nationalbank in der Presse geäussert. So etwa Vizepräsident Philipp Hildebrand oder Daniel Heller, Direktor der Abteilung Finanzsysteme.

Bereits seit mehreren Jahren praktiziert die Bank Vontobel ein wissenschaftlich abgestütztes Beteiligungsprogramm. Damit soll kurzfristiges Risikoinvestment verhindert und mittel- und langfristige Wertschöpfung gefördert werden.

Die Grossbank Credit Suisse hat angekündigt, ihren Händlern den Bonus für zwei Jahre zu sperren. Wenn im Jahr darauf ein Verlust resultiert, verlieren sie den letztjährigen Bonus.

Während die Credit Suisse für 2007 am Dienstag einen Gewinn von 8,5 Mrd. Fr. vermeldete, hat die grösste Schweizer Bank, die UBS, einen Verlust von 4,4 Mrd. Fr. geschrieben.

Mit Spannung erwartet wird nun die ausserordentliche Generalversammlung der UBS am 27.2., wo die Bankbosse unter anderem unangenehme Fragen zum Immobilien-Schlamassel in den USA erwarten. Zudem droht der Bank eine Sonderprüfung von externer Seite.

Der UBS-Verwaltungsrat lehnt eine solche ab. Er hat angekündigt, von sich aus alles schonungslos offen zu legen.

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