
Trotz Auflösung in Genf: Die Gaza Humanitarian Foundation macht weiter

Die Stiftungsaufsichtsbehörde löst die Genfer Zweigstelle der Organisation auf. Der Schweizer Entscheid bleibt aber symbolisch, denn die umstrittene Art der Hilfe in Gaza wird fortgeführt. Forderungen nach einer Wiederherstellung des UN-Systems werden derweil lauter.
Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht gab am Mittwoch bekannt, dass die Genfer Filiale der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) aufgelöst wird. Diese Entscheidung kam, da die GHF «verschiedene gesetzliche Verpflichtungen nicht eingehalten hat», wie das Eidgenössische Departement des Innern, dem die Stiftungsaufsicht untersteht, der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte.
Die in Delaware (USA) ansässige GHF hatte Anfang des Jahres aus finanziellen Gründen eine Zweigstelle in Genf registriert, die sich als nicht funktionsfähig nach Schweizer Vorgaben erwies. Laut der Stiftungsaufsichtsbehörde sind mehrere Mängel zu beobachten. Dazu zählt, dass kein Mitglied des Stiftungsrats in der Schweiz wohnhaft oder zeichnungsberechtigt ist, die GHF über kein Bankkonto in der Schweiz verfügt und keine gültige Adresse hat.
Diese Entscheidung der Schweiz wird jedoch keine Auswirkungen auf die Operationen der Organisation in Gaza haben. Der am Mittwoch in Brüssel anwesende Direktor der GHF, Johnnie Moore, ein Evangelikaler, der Präsident Donald Trump nahesteht, bestätigte dies. Er fügte hinzu, dass die Stiftung trotz der Kritik an ihren Praktiken «nicht schliessen» werde.
Symbolischer Entscheid ohne Auswirkungen
Philip Grant, Direktor der Genfer NGO Trial International, ist der Ansicht, dass die Auflösung der Schweizer Zweigstelle angesichts der Nichteinhaltung ihrer Verpflichtungen «unvermeidlich» war.
Anfang Juni hatte Trial International zwei Beschwerden eingereicht und damit den Druck auf die Regierung erhöht. Sie verlangten, dass die GHF durchleuchtet werde, insbesondere um festzustellen, ob ihre Aktivitäten mit dem Schweizer Recht und dem humanitären Völkerrecht übereinstimmen.
Laut Grant «könnten nur Verfahren in den USA die Operationen der Stiftung in Gaza konkret beeinflussen». Bisher wurde dort noch kein solches Verfahren eingeleitet, aber in den USA sind rechtliche Schritte im Gange, um Druck auf die NGO auszuüben.
Stephen Cornish, der Generaldirektor von Médecins sans frontières (MSF) Schweiz, begrüsste die Entscheidung der Schweizer Behörden, die GHF aufzulösen, und fügte hinzu, dass es sich dabei um ein «wichtiges politisches Signal handelt, das mit den humanitären Prinzipien übereinstimmt, für die die Schweiz traditionell eintritt».
Für ihn sind die Verteilungsstellen der GHF «als humanitäre Hilfe getarnte Todesfallen», die Zivilisten vor die unmögliche Wahl stellten, dass sie entweder verhungern oder erschossen werden.
Ein umstrittenes neues System
Seit Ende Mai betreibt die von den USA und Israel unterstützte GHF ein neues System zur Verteilung humanitärer Hilfe in Gaza. Es ersetzt das bisherige System, das von UN-Organisationen, insbesondere dem UNRWA, und anderen NGOs betrieben wurde. Es umfasst vier Zentren für die Verteilung von Nahrungsmitteln, die sich in Militärgebieten befinden und von bewaffneten amerikanischen Vertragspartnern betrieben werden.

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Dieser Mechanismus wird von der humanitären Gemeinschaft, deren Hauptakteure sich weigern, mit der Stiftung zusammenzuarbeiten, stark kritisiert. Israel zufolge soll das System eine Umleitung der humanitären Hilfe durch bewaffnete Gruppen wie die Hamas verhindern.
Zur Erinnerung: Israel verhängte Anfang März eine Blockade über die palästinensische Enklave und untersagte die Einreise von Konvois mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen humanitären Gütern. Dadurch wurde die Bevölkerung von Gaza an den Rand des Hungertods gedrängt und das Gesundheitssystem drohte zusammenzubrechen. Seit der Einrichtung der Verteilungszentren der GHF wurde diese Blockade nur teilweise aufgehoben.
In den letzten Wochen wurden in der Nähe der Verteilungsstellen mehr als 500 Menschen getötet und fast 4000 weitere verletzt, die nach Nahrungsmitteln suchten, wie aus Zahlen der Vereinten Nationen hervorgeht. Die Stiftung berichtet jedoch, dass es weder an den Verteilungsstellen noch in deren Nähe zu gewalttätigen Zwischenfällen gekommen sei.
Internationale Kritik
Am Dienstag forderten mehr als 170 internationale NGOs die Auflösung des von der GHF kontrollierten Hilfssystems und dessen Ersetzung durch den früheren UN-Koordinierungsmechanismus.
Mitte Mai hatten rund 20 europäische Länder, darunter Frankreich und Deutschland, einen Brief unterzeichnet, in dem sie ebenfalls forderten, dass die Hilfe wieder von den Vereinten Nationen und NGOs organisiert werden sollte. Die Schweiz hatte den Brief nicht unterzeichnet und verwies auf einen laufenden Prozess gegen die Stiftung.

Nach seinem Nahost-Besuch am 10. und 11. Juni erklärte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis, die Stiftung stelle «ein Problem dar, weil sie die humanitären Grundsätze nicht respektiert», sie sei aber «dabei, diese zu lernen».
Austrittsserie
Laut einer am Mittwoch ausgestrahlten RTS-Recherche soll der Schweizer Vertreter der GHF von ausländischen Geschäftspartnern in die Irre geführt worden sein. Diese hätten ihn um Hilfe gebeten, ohne ihm alle Informationen über den tatsächlichen Plan der Stiftung zu geben. Der Genfer Anwalt hatte sich daraufhin im Mai zurückgezogen, was schliesslich zur Auflösung der Struktur führte.
Auch in den USA hatte die Befürchtung, dass die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit nicht eingehalten würden, zu mehreren Rücktritten an der Spitze der Stiftung geführt. Dazu zählt auch der Direktor Jake Wood, ein ehemaliger Soldat, der sich hintergangen fühlte. Auch die Beratungsfirma Boston Consulting Group brach ihr Mandat zur operativen Unterstützung der Stiftung ab.
Editiert von Virginie Mangin/livm, mithilfe von Deepl aus dem Französischen übertragen von Balz Rigendinger

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