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Karl Stauffer-Bern – ein gestraucheltes Genie

Drei Selbstporträts von Karl Stauffer-Bern im Kunstmuseum Bern. Keystone

Am 2. September vor 150 Jahren wurde Karl Stauffer-Bern geboren. Als Porträtmaler war er der Liebling der besseren Gesellschaft. Doch als er eine Affäre mit der Frau eines Bundesratssohns begann, liess man ihn tief fallen.

Eine Ausstellung im Kunstmuseum Bern und ein Buch präsentieren Leben und Werk des Skandalkünstlers unter dem Titel: “Verfluchter Kerl!”

Manche nannten es den grössten Skandal, manche die grösste Tragödie des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Lydia Welti-Escher, millionenschwere Tochter des Industriemagnaten Alfred Escher und Schwiegertochter von Bundesrat Emil Welti, brannte mit dem Maler Karl Stauffer-Bern nach Rom durch.

Beide bezahlten die Amour Fou mit dem Leben. Denn ein Bundesratssohn lässt sich so etwas nicht bieten, schon gar nicht, wenn die Gattin das Geld hat. Und da keine Frau, die bei Verstand ist, einen Welti verlässt, wurde Lydia kurzerhand für irre erklärt und Stauffer-Bern der Notzucht mit einer Geisteskranken angeklagt.

Dass ein Gutachten Lydia geistige Gesundheit attestierte und Stauffer-Bern freigesprochen wurde, verschwieg die Schweizer Presse. Welti erhielt bei der Scheidung eine grosszügige Abfindung.

Gesellschaftlich verfemt und psychisch angeschlagen brachten sich Stauffer und seine von ihm entfremdete Geliebte im Abstand von wenigen Monaten 1891 um. Sie waren gerade einmal 33 Jahre alt geworden.

Pflicht und Kür

Ein “typischer” wilder Künstler war Stauffer-Bern, anders als es den Anschein macht, nicht, und am Hungertuch zu nagen hatte er auch nicht nötig. Seit 1880 war er vor allem in Berlin ein gefragter Porträtist.

Seine realistischen Gemälde entsprachen dem Geschmack der High Society und der Kunstkritik der Belle Epoque. Von den bis zu 10’000 Franken pro Porträt konnten avantgardistische Künstler wie Hodler nur träumen.

“Plastisch und wahr” lautete Stauffers Devise, und als Perfektionist nahm er sich viel Zeit für die Porträts. Nicht nur wenn er zapplige Kinder malen musste – “zum Davonlaufen!” – war ihm die Fotografie behilflich.

Als hätte er um seinen frühen Tod gewusst, arbeitete er wie besessen. Tagsüber war er “Professionsporträtist”, abends widmete er sich der Kür, vorzugsweise dem Akt.

Vom Störenfried zum Starporträtisten

Stauffers Talent war schon früh von seiner Mutter erkannt und gefördert worden. Der Vater war Pfarrer, zunächst in Trubschachen, wo Karl am 2. September 1857 geboren wurde, später in Neuenegg im Sensebezirk.

Wie viele begabte Kinder langweilte sich Stauffer in der Schule und spielte Störenfried. So kam er mit neun Jahren ins städtische Waisenhaus nach Bern, ein Internat für Pfarrers- und Bürgerkinder vom Land. Mit 15 Jahren schrieb er nach Hause, er habe schon genug “Helgen” gemalt, um eine Stube zu tapezieren.

Nach dem Rausschmiss aus dem Gymnasium wurde er nach München in die Lehre zu einem Dekorationsmaler geschickt. Noch im selben Jahr warf er den Bettel hin. Dank einem Stipendium konnte er 1876 nach München zurückkehren – jetzt aber an die Akademie der Künste.

Es folgte eine steile Porträtistenkarriere in Berlin, wo Stauffer nebenbei das Radieren zur Perfektion entwickelte. Bei Aufenthalten in der Schweiz entstanden berühmt gewordene Bilder unter anderem von Gottfried Keller und C.F. Meyer sowie Lydia Welti-Escher.

Einander in die Arme getrieben

1888 ging Stauffer mit der finanziellen Unterstützung des Ehepaars Welti-Escher nach Florenz, um die Bildhauerei zu erlernen.

1889 kam das Mäzenenpaar nach. Der Workaholic Welti musste schon bald wieder geschäftlich weg und vertraute Lydia Karls Obhut an.

Es kam, wie es kommen musste. Seitensprung, Verhaftung, Anklage, Ehrverlust. Am 24. Januar 1891 nahm Stauffer-Bern zuviel Schlafmittel. Ob absichtlich, ist ungeklärt.

swissinfo und Irene Widmer (sda)

Das Buch: Brigitta Vogler-Zimmerli und Matthias Frehner (Hrsg.): “Verfluchter Kerl!” Karl Stauffer-Bern: Maler, Radierer, Plastiker. NZZ Verlag 2007, 240 Seiten, 68 Fr.

Mit der ersten grossen Retrospektive zu Karl Stauffer-Bern seit 1957 will das Museum die künstlerischen Verdienste des durch einen Skandal bekannt gewordenen Malers aufzeigen.

Die Ausstellung läuft unter dem Namen “Verfluchter Kerl! Karl Stauffer-Bern: Maler, Radierer, Plastiker”. Der Titel stammt vom Schriftsteller Gottfried Keller. Stauffer-Bern hatte nach einem gemeinsamen Wirtshausbesuch mitten in Zürich eine lautstarke Rede gehalten, was Keller zu diesem Ausruf provozierte.

Stauffer-Bern wurde vor allem durch seine Porträts bekannt. Gottfried Keller und andere bekannte Persönlichkeiten seiner Zeit liessen sich von ihm abbilden. Sein eindringlicher Naturalismus habe damals den Geschmack einer wohlhabenden Gesellschaftsschicht getroffen, schreibt das Kunstmuseum Bern.

Die Ausstellung dauert bis zum 2. Dezember 2007. Öffentliche Führungen finden jeden Dienstagabend statt. Vorträge, Filme und Lesungen zu Leben und Werk runden die Ausstellung ab.

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