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Heidi-Fans finanzieren Splatter-Film

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Mad Heidi, eine Splatterkomödie, in der die Schweizer Literaturikone Heidi einen blutigen Krieg gegen Käsefaschisten führt, wurde online veröffentlicht. / Swissploitation Films Gmbh

In der Splatter-Komödie Mad Heidi zieht die Schweizer Literatur-Ikone Heidi in einen blutigen Krieg gegen Käsefaschisten. Mit einem unkonventionellen Vertriebsmodell wollen die Produzenten die alteingesessene Filmindustrie aufrütteln.

Die Premiere von Mad Heidi am Zurich Film Festival im vergangenen September verlief vielversprechend. Die Filmfans reagierten begeistert auf die kitschigen Witze und die blutigen Szenen, in denen eine erwachsene Heidi ihre Feinde niedermäht. Nach der Vorführung wurden Darsteller:innen und Macher:innen auf der Bühne mit Applaus überschüttet.

Mad Heidi schaffte es nicht nur in die offizielle Filmauswahl von Zürich, der Film lief auch auf über 20 anderen internationalen Filmfestivals. Im August gewann er den Publikumspreis auf dem Brussels International Fantastic Film Festival (BIFFF)Externer Link, einem der drei weltweit wichtigsten Festivals für fantastischen Film. In Brüssel werden Filme aus verschiedenen Genres wie Science-Fiction, Fantasy, Horror, Action oder Thriller gezeigt.

Eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne

Mad Heidi spielt in einer dystopischen Schweiz, die unter die faschistische Herrschaft eines bösen Käsetyrannen geraten ist. Die erwachsene Heidi begibt sich auf eine Mission, um ihr Heimatland von dem Diktator zu befreien.

Das erste “Swissploitation”-Filmprojekt überhaupt begann im Jahre 2017. Die Branchenveteranen Tero Kaukomaa (Iron Sky), Valentin Greutert (Paradise War: The Story of Bruno Manser) sowie der Schweizer Regisseur Johannes Hartmann haben ein innovatives Geschäftsmodell für die Finanzierung und den Vertrieb des Films entwickelt, von dem sie erhoffen, dass es zum Vorbild für andere kleine Produktionen wird.

Als Exploitation-Filme werden in der Regel Low-Budget-Film oder B-Movies bezeichnet, die darauf abzielen, durch die “Ausbeutung” reisserischer, schockierender oder tabuisierter Themen oder Trends (z.B. Gewalt, Perversion, Drogen oder Sex) einen schnellen Gewinn zu erzielen.

Exploitation-Filme provozieren oft körperliche Reaktionen beim Publikum wie Lust (Sexploitation) oder Ekel. Ihnen wird nachgesagt, sie würden das Verlangen des Publikums nach einer Art Vergnügen mit Gewissensbissen (“guilty pleasures”) ausnützen.

Kein Thema ist in Exploitation-Filmen tabu, und so haben sich zahlreiche Subgenres herausgebildet, wie Ozploitation (Mad Max), Carsploitation (Tarantinos Death Proof als entsprechende Hommage) oder Sharksploitation (Jaws). In den Vereinigten Staaten erlebte Blaxploitation (Filme mit schwarzen Schauspielern für ein schwarzes Publikum in einem schwarzen Umfeld, wie z.B. Shaft) in den 1970er Jahren eine Blütezeit.

Heidi, die Schweizer Ikone, war das perfekte Vehikel, um ihren Traum zu verwirklichen. Als der erste Teaser-Film im September 2018 auf der offiziellen Webseite veröffentlicht wurde, sorgten sowohl die Handlung als auch das Produktionsmodell für Aufsehen.

Fans des Genres waren hingerissen von der Idee einer erwachsenen Heidi, die gegen eine Gruppe von Faschisten kämpft. Das vorgeschlagene Finanzierungsmodell ermöglichte ihnen, direkt in das Projekt zu investieren und sogar eine Rendite zu erzielen.

Das ursprüngliche Ziel des Teams hinter Mad Heidi war es, 2 Millionen Franken per Crowdfunding zu sammeln, um die Dreharbeiten und die Postproduktion zu finanzieren. Der Film sollte weltweit veröffentlicht werden, aber ausschliesslich auf der eigenen Website, um die grossen Verleihfirmen umgehen zu können und Piraterie zu vermeiden.

Das Crowdinvesting-Programm wurde mit Hilfe der Blockchain-Technologie umgesetzt und startete im September 2020. Bereits im April 2021 hatten die Produzenten ihr Finanzierungsziel erreicht.

Das Team hinter Mad Heidi wollte 2 Millionen Franken für Dreharbeiten und Postproduktion aufbringen. Dazu verkaufte es 4000 Aktien zu je 500 Franken.

Die Transaktionsaufzeichnungen werden auf einer Blockchain gespeichert, und die Gewinne werden nach der Veröffentlichung des Films automatisch an die Investoren zurückbezahlt.

“Alle Verträge sind papierlos, so dass es keinen komplizierten Papierkram braucht”, sagt Valentin Greutert, Produzent von Mad Heidi. Zudem gewährleistet das System die Transparenz der Gelder, da es von aussen schwer zu manipulieren ist.”

Insgesamt haben 538 Personen aus 19 Ländern 2 Millionen Franken in das Projekt investiert. “Die Investitionen kamen vor allem aus der Schweiz und Deutschland, aber auch aus Japan, wo die Heidi-Zeichentrickserie entstanden ist”, sagt Valentin Greutert, der Produzent von Mad Heidi.

Stolpersteine auf dem Weg zum Ziel

In der Folge verlief jedoch nicht alles reibungslos. Erstes Opfer war die Hauptdarstellerin. Jessy Moravec, die Heidi-Darstellerin im Teaserfilm, verliess die Produktion im Sommer 2021, bevor die Dreharbeiten überhaupt beginnen konnten. Moravec wollte sich mehr Zeit für ihre Karriere als Regisseurin und Produzentin nehmen.

valentin Greutert
Valentin Greutert. Valentin Greuert

Auch die blutige Handlung sorgte für Aufregung. Der Höhepunkt des Films ist eine Szene, in der Heidi, gekleidet in einer traditionellen Schweizer Tracht, ihre Feinde mit einer Hellebarde, einer mittelalterlichen zweihändigen Hieb- und Stichwaffe, brutal aufschlitzt.

Die Schweizerische TrachtenvereinigungExterner Link hielt die Korsage an Heidis Tracht jedoch für einen “Affront gegen die Schweizer Tradition”, so Greutert. “Die Trachtenvereinigung hat sogar eine E-Mail an alle Stoffgeschäfte in der Schweiz geschrieben und sie aufgefordert, kein Material für die Heidi-Trachten zu verkaufen”, sagt der Produzent gegenüber SWI swissinfo.ch.

Der Film wurde Ende 2021 in einem Studio in Bern und in einem römischen Amphitheater in Martigny im Südwallis innerhalb von 27 Tagen gedreht – eine ungewöhnlich kurze Zeit für einen Actionfilm. “Normalerweise bräuchten wir für einen solchen Film mindestens 40 Drehtage, aber das konnten wir uns aus Budgetgründen nicht leisten”, sagt Greutert. “Zum Glück waren wir mit einer grossartigen Crew gesegnet.”

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Die Dreharbeiten fanden letzten Herbst in der Schweiz statt. Da Heidi in Japan sehr beliebt ist, spielte eine halbjapanische/spanische Schauspielerin die Clara (Dritte von links). © Swissploitation Films / madheidi.com

Ähnliche Vorhaben sind gescheitert

Institutionelle Investoren, Filmkommissionen und öffentliche Förderorganisationen schrecken in der Regel vor Hardcore-Filmen wie Mad Heidi zurück. Die Produzenten waren sich dieser Einschränkungen bewusst und setzten auf eine fanbasierte Strategie, waren aber gefordert, die vielen potenziellen Fallstricke dieses Modells nicht aus den Augen zu verlieren.

Tero Kaukomaas Film Iron Sky aus dem Jahr 2012 dient oft als Beispiel für ein erfolgreiches Crowdfunding. Die Idee, Nazis aus dem Weltraum die Erde überfallen zu lassen, liess die Herzen vieler B-Movie-Fans höherschlagen. Der Film spielte in Kürze 1 Million Euro (990’000 CHF) ein.

Das Ergebnis war jedoch eine herbe Enttäuschung für die Investoren. Der Film war ein finanzieller Misserfolg und die mangelhafte Vertriebsstrategie führte zu massiver Piraterie. Eine Fortsetzung wurde aufgrund einer Urheberrechtsklage verschobenExterner Link, und die Blu-ray-Discs, die den Investor:innen als Belohnung angeboten wurden, wurden nie geliefert. Schliesslich meldete die Produktionsfirma im Jahr 2020 KonkursExterner Link an.

Ein Investor, der nicht namentlich genannt werden will, sagte gegenüber SWI swissinfo.ch: “Ich war mehr enttäuscht von der unaufrichtigen Haltung der Produzenten als von den geringen Renditen. Sie waren nicht bereit, den Anleger:innen zu sagen, was vor sich ging.”

Zu Beginn der Crowdfunding-Kampagne äusserten einige Filmfans auf Facebook und Twitter ihre Bedenken über die Teilnahme von Kaukomaa an Mad Heidi. Der finnische Filmproduzent zog sich vor eineinhalb Jahren aufgrund von Meinungsverschiedenheiten aus dem Projekt zurück. Laut Greutert ist Kaukomaa weder an der Entscheidungsfindung noch an der Finanzierung der Produktion beteiligt.

Gemeinsam mit den Fans

Trotz des Plans, Mad Heidi ausschliesslich im Internet zu veröffentlichen, nahmen auch die Kinobetreiber den Rummel um den Film wahr. Die Fans, angeheizt von einer intelligenten Werbekampagne in den sozialen Medien, wollten den Film auch im Kino sehen.

“Deshalb haben wir uns entschlossen, den Film nur zwei Wochen vor der Online-Veröffentlichung in den lokalen Kinos in Deutschland, der Schweiz, in Österreich und Spanien zu zeigen”, sagt Greutert. “Ausserdem haben wir einen Spezialisten engagiert, um Raubkopien so gut wie möglich zu verhindern.”

Die Investor:innen erhalten automatisch einen sogenannten “Shared Revenue” (Nettoerlös nach Abzug der Betriebskosten), sobald der Film online geht. Greutert will zum jetzigen Zeitpunkt auf Prognosen verzichten, mit wie viel Gewinn er rechnet, fügt aber hinzu: “Auf den Filmfestivals gab es ein sehr grosses Interesse. Ich bin seit 20 Jahren in der Filmproduktion tätig und kann aus meiner Erfahrung sagen, dass Mad Heidi ein Renner wird.”

Greutert betont das gute Verhältnis zwischen den Produzenten und den Investor:innen. “Sie haben dieses Erlebnis mit uns geliebt”, sagt er. Seit Beginn des Projekts hat das Produktionsteam eine bemerkenswerte Social-Media-Community aufgebaut und hält nicht nur engen Kontakt zu den Investoren, sondern auch zu einer breiten Fangemeinde. Die Fans halfen den Macher:innen sogar bei der Suche nach Drehorten und Kostümen.

“Für viele von ihnen ist der Blick hinter die Kulissen der Filmproduktion etwas, das sie normalerweise nicht erleben würden”, sagt Greutert. “Sie waren glücklich, ein Teil dieser besonderen Reise zu sein.”

Greutert ist zudem überzeugt, dass “wir in der heutigen Zeit alberne Filme brauchen. Der Klimawandel, der Krieg, die Covid-Pandemie: In diesen deprimierenden Zeiten kann Albernheit die Welt retten.”

Editiert von Mark Livingston/gw, Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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