Wie zwei Schweizer Komiker das Pariser Publikum zum Ausrasten bringen
Die beiden Westschweizer Komiker Alexandre Kominek und Yann Marguet sorgen in der französischen Metropole Paris für Furore. Während der Genfer mit seinem provokanten Stil das Publikum zu begeistern weiss, verzaubert der Waadtländer mit seinem philosophisch-clownesken Auftreten die Zuschauer:innen.
Die Schweizer Comedians Yann Marguet und Alexandre Kominek treten am selben Abend um dieselbe Zeit auf (21 Uhr), aber 150 Meter voneinander entfernt auf ihren jeweiligen Bühnen in Paris. Trotz der Nähe der Auftritte herrscht zwischen den beiden kein Wettbewerb, denn der Pariser Markt für Stand-up-Comedy ist gross. Beide sind auch tagsüber auf France Inter, dem ersten französischen Radiosender, tätig.
Obwohl Marguet und Kominek in einer Sache übereinstimmen – der Liebe zur Comedy –, sind sie sehr verschieden. Das sagt auch Marguet selbst, der sein Solostück auf der Scène Libre in Strassburg-Saint-Denis aufführt, einem Viertel mit vielen Theatern, darunter das berühmte Splendid und der Jamel Comedy Club. Hier ist es schwierig, aus der Masse an talentierten Comedians herauszustechen.
Doch das Lokal ist voll. Der Waadtländer sitzt in einem Sessel und hört einer Stimme aus dem Off zu, die einen Physikkurs über die Erschaffung der Welt abspult. Er empört sich, weil es nicht das ist, was er von Fabienne, der Pfarrerin von Sainte-Croix, gelernt hat. Er erzählt von seinem Dorf im Waadtländer Jura, wo er «existierte», vom «riesigen» Kanton Waadt, von der Schweiz und dann von «dieser Sache, gegen die sein Vater gestimmt hat».
Warum Kinder zeugen?
Marguet gesteht, dass er einige «Suissitudes», Geschichten, die bei Schweizer:innen für Lacher sorgen, weggelassen hat, da sie für das Pariser Publikum nicht verständlich wären. «Wenn ich in der Schweiz die Bühne betrete, freuen sich die Leute und lachen schnell. Hier kennen sie mich weniger, und ich brauche eine Aufwärmrunde.» Doch fünf Minuten reichen ihm in der Regel aus, um das Publikum zu gewinnen.
Dieses lacht herzhaft, wenn Marguet Gesprächsfetzen erzählt, die er auf der Strasse aufgeschnappt hat, und unglaubliche und urkomische Erklärungen erfindet. Die Pariser:innen zucken zusammen, als Marguet die turbulente Fortpflanzungsgeschichte des Leberwurms erzählt, die so komplex ist, dass ihre Entstehung an ein Wunder grenzt.
Warum sollte man sich überhaupt fortpflanzen und Kinder zeugen, die «so dumm und unerträglich sind»? Diese Frage verfolgt Marguet bis zum Ende seines Stücks «Exister, définition». «Ich möchte, dass das Publikum etwas mitnimmt, wenn es das Theater verlässt, eine winzige Resonanz», sagt er.
Kominek, der «dalleux»
Zwei Strassen weiter ist das Théâtre du Marais ausverkauft. Wer die Tür durchschreitet, sollte alle Erwartungen ablegen. Alexandre «Alex» Kominek hält sich nicht lange mit Aufwärmrunden auf und sagt gleich zu Beginn: «Ich bin ein dalleux», ein hungriger Typ mit unstillbarem Verlangen – nicht nach Milchreis, sondern nach Sex.»
Da Alex ein attraktiver junger Mann ist, würde man denken, dass er beim anderen Geschlecht gut ankommt. Doch die heutigen Frauen sind weniger «süchtig»: Sie lassen ihn brennen vor Verlangen, und seine sexuellen Missgeschicke, die er mit Hochgeschwindigkeit ausbreitet, bringen das Publikum zum Ausrasten. «Kommen Sie, um zu lachen und sich zu schämen», warnt sein Plakat. Und tatsächlich: Man ist nicht immer stolz auf sein Grinsen.
Kominek kennt Paris wie seine Westentasche. Dort hat er seine ersten Sketche im Paname Art Café und im Jamel Comedy Club getestet. «Ich habe Witze gerissen wie alle anderen auch», sagt er. «Dann habe ich eines Tages erzählt, was mir am Abend zuvor mit einer Frau passiert war – eine sehr trashige Geschichte. Die Leute lachten sich kaputt. Ich hatte ‚meinen Act gefunden‘, wie man so schön sagt.»
Trash als Vorwand
In seinem Stück «Bâtard sensible» geht es vor allem um seine Erfahrungen in der Schweiz. «Fast alle Geschichten, die ich erzähle, sind mir in Genf passiert.» Es geht um Sex und Drogen, aber auch um einen Slum in Kolumbien und einen geschwätzigen Leguan. Doch ist alles nur Trash und Geschwätz? «Nein, ich möchte mit meinen Sprüchen auch auf gesellschaftliche Probleme hinweisen, so wie es der US-Komiker Jim Jefferies tut.»
«Alexandre Kominek ist ein Künstler, den man im Auge behalten sollte», schrieb die französische Wochenzeitung Télérama und lobte die «oft urkomische Identitätssuche eines ‚dalleux‘, der sich als Alphamännchen träumt, sich am Ende aber als netter Verlierer entpuppt.»
Doch wie sinnvoll ist es überhaupt, als Komiker in einem Theater mit nur 100 Plätzen in Paris aufzutreten? Warum sollte man sich dem finanziellen Risiko der Stand-up-Szene in Paris aussetzen, wenn man doch beim Montreux Comedy Festival vor über tausend lachenden Zuschauer:innen auftreten könnte? Ist das der einzige Weg für Komiker:innen aus der Westschweiz?
«Im Jamel Comedy Club konnte ich viermal am Tag auftreten und neue Dinge ausprobieren, was in der Schweiz nicht möglich ist», sagt Kominek. Yann Marguet räumt ein, dass in Paris alles mit Verlust gemacht wird, aber das «Schaufenster» ermöglicht es, bekannt zu werden und Auftritte in anderen Teilen Frankreichs zu bekommen.
Die beiden Komiker folgen der Furche, die «Marie-Thérèse Porchet» vor 20 Jahren gezogen hat, als sie hunderte Male die legendären Bouffes Parisiens füllte. Mit seiner berühmten Figur «Marie-Thé» brachte Joseph Gorgoni das Pariser Publikum zum Lachen und betonte, dass der «Hintern» hier sehr gut funktioniert.
Scharfzüngig im Radio
Obwohl Marguet und Kominek auf der Bühne sehr unterschiedlich sind, teilen sie ihr Talent für scharfzüngige Kolumnen. In «La Bande originale» auf France Inter trifft Komineks Humor, der niemanden verschont, oft ins Schwarze, so dass der berühmte Moderator Nagui bei jedem seiner politisch unkorrekten Sprüche empört aufschreien muss – «Oh nein, wie schrecklich!». Ein Beispiel ist seine Aussage, dass «die Dicken von heute zu verklemmt sind, um Witze zu reissen» und «die Fetten die neuen Juden sind». Kominek verheimlicht weder sein Judentum noch seine eigene problembehaftete Beziehung zu seinem Gewicht.
Marguet erhielt im Sommer 2021 das Angebot, Beiträge für France Inter zu machen. Ein Jahr lang hörte er nichts von der Redaktion bis sie ihn anriefen und ihm sagten, dass er in vier Tagen beginnen würde. Er arbeitet nun für «Zoom zoom zen», die Sendung, die von dem Genfer Matthieu Noël moderiert wird. Jede Woche hat er drei Minuten, um ein vorgegebenes Thema zu behandeln und erreicht damit zwischen 400’000 und einer Million Zuhörer:innen.
Editiert von Pauline Turuban, aus dem Französischen übertragen von Christoph Kummer.
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