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Austro-Schweizer Gefängnis-Projekt aufs Eis gelegt

Justiz- und Polizeiminister Christoph Blocher (links) mit seinem österreichischen Amtskollegen Dieter Böhmdorfer in Wien. Keystone

Die Schweiz will vorläufig in Rumänien kein Gefängnis zusammen mit Österreich bauen. Für Bern steht Rumänien nicht im Vordergrund.

Beim Treffen von Bundesrat Blocher mit seinem österreichischen Amtskollegen Böhmdorfer in Wien kam auch Schengen zur Sprache.

Die Schweiz hat ab 1. Februar die Visumpflicht für Rumänen abgeschafft. Doch seien Straftäter aus diesem Land «nicht das Hauptproblem», sagte der Schweizer Justiz- und Polizeiminister in Wien anlässlich seines Besuchs bei seinem österreichischen Amtskollegen Dieter Böhmdorfer und Innenminister Ernst Strasser.

Welche anderen Länder für eine Abschiebung von Häftlingen in Frage kämen, wollte Bundesrat Christoph Blocher nicht sagen. «Wir müssten das mit dem Land besprechen.» Die Schweiz werde aber die Idee Österreichs, ein Gefängnis im Ausland zu bauen, prüfen, fügte er nach dem Gespräch mit Böhmdorfer hinzu.

Idee weiterführen

Der Vorschlag Böhmdorfers sei «eine Idee, die unbedingt weitergeführt werden muss», erklärte Blocher und fügte hinzu, dass die Schweiz einen grösseren Anteil an Ausländern in Haftanstalten habe als Österreich.

Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik sind von den 5000 Häftlingen in den Schweizer Gefängnissen 3500 Ausländer. 2003 verbüssten 28 Rumänen eine Strafe in der Schweiz gegenüber 25 im Vorjahr. In Österreich befinden sich zurzeit 144 Rumänen im Gefängnis.

Blocher hatte bereits bei der Einweihung der renovierten Strafanstalt in Cazis GR am 23. April gesagt, es sei sinnvoll, bei den vielen ausländischen Straffälligen in Schweizer Gefängnissen nach Alternativen zu suchen.

Frage des Geldes

Die österreichische Regierung hat vergangene Woche beschlossen, ein Gefängnis in Rumänien zu bauen. Eine Kooperation zwischen der Schweiz und Österreich bei diesem Projekt wurde nicht vereinbart, bestätigen beide Minister. «Wir haben auch nicht angedeutet, dass wir einen wirtschaftlichen und organisatorischen Partner suchen», sagte Böhmdorfer.

Österreich will unter anderem aus Kostengründen in Rumänien ein Gefängnis bauen. Ein Hafttag in Rumänien würde zehn Mal weniger kosten als in Österreich, wurde argumentiert. Zudem führte die österreichische Regierung die Überbelegung der Gefängnisse ins Feld.

Neue Regelung vereinfacht Abschiebung

Ausländer können gegen ihren Willen gezwungen werden, ihre Haftstrafe in ihren Heimatländern zu verbüssen. Dies ermöglicht ein Zusatzprotokoll zum europäischen Überstellungs-Übereinkommen, welches das Schweizer Parlament Ende 2003 genehmigt hat. Österreich muss das Protokoll noch ratifizieren.

Das Übereinkommen tritt voraussichtlich im September diesen Jahres in Kraft. Voraussetzung für eine Abschiebung ins Ausland ist, dass dort die Menschenrechte eingehalten werden.

Allerdings haben lediglich 22 der 32 Europaratsländer das Zusatzprotokoll ratifiziert, darunter mehrere osteuropäische Länder wie Rumänien, Serbien, Mazedonien oder Bulgarien.

Bilaterale und EU-Fragen

Im Mittelpunkt des Treffens mit dem österreichischen Innenminister Strasser standen Fragen der bilateralen Polizeizusammenarbeit, der Terrorismus-Bekämpfung, der EU-Osterweiterung sowie weitere Fragen im Kontext mit der EU. Die beiden Minister betonten die gute und bewährte Zusammenarbeit der beiden Länder.

Bundesrat Blocher sprach zudem die Frage der Schengen-Aussengrenzen an. Beide Minister stimmten überein, dass eine enge Zusammenarbeit nötig sei. Diese soll zwischen Österreich und der Schweiz weiter vertieft werden, vor allem im Bereich des Datenaustauschs.

Sowohl mit Böhmdorfer als auch mit Strasser besprach Blocher die Frage des Terrorismus. Er legte dar, dass sich die Sicherheitslage in der Schweiz seit den Bombenanschlägen in Madrid nicht grundsätzlich verändert habe. Die Schweiz nehme aber den Kampf gegen den Terrorismus, inklusive seiner Finanzierung, sehr ernst.

swissinfo und Agenturen

Von 5000 Häftlingen in Schweizer Gefängnissen sind 3500 Ausländer.

2003 verbüssten 28 Rumänen eine Strafe in der Schweiz (im Vorjahr: 25).

In Österreich befinden sich zurzeit 144 Rumänen im Gefängnis.

Österreich und Rumänien haben ein Übereinkommen unterzeichnet, das vorsieht, rumänische Straffällige in ihre Heimat zur repatriieren, damit sie den Rest des Strafvollzugs dort verbüssen.

Ein Hafttag in Rumänien kommt zehnmal billiger zu stehen als in Österreich. Der grösste Anteil an Verurteilungen bei Diebstahl betrifft in Österreich Osteuropäer, hauptsächlich Rumänen. Die Überbelegung österreichischer Gefängnisse wird immer akuter.

Das Schweizer Parlament hat Ende 2003 das Zusatzprotokoll zum europäischen Übereinstellungs-Übereinkommen genehmigt. Dieses soll noch vor den Sommerferien ratifiziert werden.

Dann können ausländische Verurteilte auch gegen ihren Willen repatriiert werden.

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