Nik Gugger: «Das Adoptionsverbot betraf meine Biografie, da musste ich reagieren»
EVP-Nationalrat Nik Gugger setzt sich im Parlament auch für die Interessen der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ein. In unserem Fragebogen "Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus" sagt er, was ihn dabei antreibt.
Niklaus-Samuel «Nik» Gugger, Jahrgang 1970, ist seit 2017 für den Kanton Zürich Mitglied des Nationalrats, wo er für die Evangelische Volkspartei politisiert. Er war von Anfang an Mitglied der Aussenpolitischen Kommission und gehört der parlamentarischen Delegation des Europarats an.
Gugger wurde in Indien als Kind einer Witwe geboren und von Schweizer Eltern in Indien adoptiert. In der Schweiz hat sich Gugger als Sozialunternehmer, Unternehmensberater und durch internationale Freihandels- und Beratungsmissionen einen Namen gemacht.
Swissinfo: Nik Gugger, wo steht die Schweiz aktuell in der Welt?
Nik Gugger: Die Welt brennt. Seit 1945 ging es immer nur aufwärts. Heute sind die Jungen froh, wenn sie einmal den Lebensstandard ihrer Eltern erreichen. Wir sehen die Veränderung auch an den vielen Autokraten in der Welt und an den Handelskriegen, die Trump anzettelt. Wir sehen, wie Russland die NATO testet.
In diesem Pulverfass steht die Schweiz mittendrin. Sie muss sich bewusst sein, dass sie nicht mehr die Insel der Glückseligen ist. Die massiven Veränderungen in der Welt fordern sie heraus wie nie zuvor. Es gibt aber auch hier Kräfte, die mit dem Feuer spielen und davon träumen, dass sich die Schweiz wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Singapur entwickeln könnte. Doch das funktioniert nicht.
Ich komme gerade aus einer politischen Abstimmung, die ein sehr klares Zeichen gesetzt hat. Der Nationalrat will, dass die Schweiz bei der Verteidigung enger mit Europa zusammenarbeitet. Das ist ein klares Bekenntnis.
Im Gegensatz zu Frankreich oder Italien, die ihren im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern Wahlkreise einräumen, haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer keine direkte Vertretung unter der Bundeskuppel.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Mehr als 60 Mitglieder von National- und Ständerat (von 246) sind in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe «Auslandschweizer» versammelt.
In jeder Sessionswoche lassen wir einen von ihnen in unserem neuen Format «Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus» zu Wort kommen.
Wie sind Sie mit der Auslandschweizergemeinschaft verbunden?
Ich bin stark international vernetzt. Bei den Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und Indien sowie mit Thailand war ich stark involviert. Gerade in Thailand haben wir sehr viele Auslandschweizerinnen und -schweizer, aber auch in Frankreich oder den USA. Sie sind überall und oft extrem gut vernetzt.
Warum engagieren Sie sich für die Wählerschaft der Auslandschweizer?
Mir ist es ein Anliegen, dass wir diese Leute in unsere Politik einbeziehen, denn sie bilden die Fünfte Schweiz. Es sind auch sehr wichtige Kontakte, die wir pflegen sollten. Sie können als Türöffner zu verschiedenen Regierungen fungieren.
Ich habe Auslandschweizer getroffen, die grosse Karrieren gemacht haben, etwa solche, die in den USA und anderen Ländern zu Millionären geworden sind.
Ich traf aber auch solche, die sagten: «Ich bin mit meiner Auswanderung gescheitert, aber ich will nicht zurück.» Und solche, die einfach nur zurück in die Schweiz wollten. Diese Leute weckten mein besonderes Mitgefühl. Wenn der Lebenstraum nicht so aufgeht, wie man es sich wünscht, berührt mich das.
Was ist das wichtigste Thema der Session für die Fünfte Schweiz?
Was uns in der «Parlamentarischen Gruppe Auslandschweizer» bisher noch nicht gelang, ist das Ermöglichen von fairen Bankkonditionen für Auslandschweizer. Das ist für viele wirklich sehr schwierig. Ich kenne das Beispiel meiner Eltern. Sie lebten zehn Jahre lang in Costa Rica und leiteten dort ein Hilfswerk.
Für Sie war es noch machbar, da sie den Zahlungsverkehr über die Familie in der Schweiz organisieren konnten. Ohne diese Hilfe wäre es aber kompliziert geworden. In diesem Bereich gibt es nun einen neuen Anlauf, der in den Ständerat kommt. Diese Motion verlangt vom Bundesrat, dass die Postfinance Auslandschweizern Konti zu ähnlichen Konditionen wie im Inland anbieten soll.
Was ist für Sie persönlich die Priorität dieser Session?
Ich hatte bereits zwei Höhepunkte. Einerseits haben die Räte meine Forderung für eine moderate Erhöhung der Tabaksteuern überwiesen. Seit 2018 nimmt der Tabakkonsum bei der Schweizer Jugend wieder exponentiell zu. Wir wissen aber, dass schon geringe Mehrkosten bei Tabakprodukten viele Jugendliche vom Rauchen abhalten.
Das grösste Highlight war jedoch, dass sich 151 Nationalratsmitglieder in meinem Sinn gegen ein geplantes Verbot von internationalen Adoptionen aussprachen. Das betrifft meine Lebensgeschichte, weshalb ich mich bei diesem Thema mit besonders viel Herzblut engagiert habe.
Sie wurden als Kind aus Indien adoptiert. Warum haben Sie reagiert, als der Bundesrat Anfang Jahr das Verbot internationaler Adoptionen präsentierte?
Ein generelles Verbot schiesst über das Ziel hinaus. Ich fand auch das Vorpreschen des Bundesrats einseitig. Alle Expertinnen und Experten wussten immer, dass es unter Adoptierten auch andere Stimmen gab, nicht nur solche, die den internationalen Adoptionen kritisch gegenüberstehen.
Im Parlament waren Kollege Stefan Müller-Altermatt als Adoptivvater und ich als Adoptierter besonders gefragt. Das Geschäft geht nun in den Ständerat, auch dort werde ich mit den Mitgliedern der Rechtskommission sprechen. Wenn wir es schaffen, ist das intendierte Verbot vom Tisch. Dann hätten wir sehr effiziente und zügige Parlamentsarbeit geleistet.
Was ist Ihnen in dieser Herbstsession sonst noch wichtig?
Das Parlament unternimmt derzeit verschiedene Anläufe, um die Heiratsstrafe zu beseitigen. Für mich ist klar, dass diese steuerliche Ungerechtigkeit abgeschafft werden muss. Ich werde deshalb für unsere «Fairness-Initiative» antreten, die ich für die beste Lösung halte. Dazu durfte ich als erster Einzelredner das Wort ergreifen. Das ist für mich sogar nach acht Jahren im Parlament noch eine Premiere.
Und wenn Sie selbst auswandern würden, in welches Land würde es Sie ziehen?
Ich habe in Indien und in Kolumbien gearbeitet. Das sind die beiden Länder, in denen ich mich besonders wohl fühle. In Indien kenne ich mich bestens aus, und in Kolumbien habe ich als 22-Jähriger unter schwierigen Umständen mit Strassenkindern gearbeitet. Das war in Bogota, zum Leben würde ich aber nach Cali gehen, eine wunderschöne tropische Stadt.
Editiert von Samuel Jaberg
Mehr
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch