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Steuerstreit: Ferrero-Waldner will Kirche im Dorf lassen

Benita Ferrero-Waldner: "Die Schweiz hat eine ganz grosse Möglichkeit, am Binnenmarkt teilzunehmen". Keystone

Die EU-Aussenkommissarin hat am Montag in Brüssel für eine Versachlichung im Steuerstreit zwischen der Schweiz und der EU plädiert.

In der Sache blieb Benita Ferrero-Waldner jedoch hart und pochte auf “die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften”.

“Lassen wir die Kirche im Dorf”, sagte Ferrero-Waldner bei einem Treffen mit Schweizer Journalisten.

Der Steuerstreit, den sie nicht als einen Streit um Steuern, sondern als unterschiedliche Interpretation von Wettbewerbsvorschriften verstanden wissen wollte, sei nur ein Teil der “sehr umfassenden Beziehungen”.

Die Europäische Union verlange von der Schweiz, dass sie “Verantwortung zeigt”.

Von Drohungen könne keine Rede sein, fügte Ferrero-Waldner an, doch die Forderung sei nicht illegitim. Denn die Schweiz “hat eine ganz grosse Möglichkeit, am Binnenmarkt teilzunehmen”.

Wie schliesslich eine beidseitig akzeptierbare Lösung des Steuerstreits aussehen könnte, wollte sie nicht vorneweg nehmen. Am Ende werde man sicher “kreativ sein”.

Dabei signalisierte die EU-Kommissarin, dass sie Bern durchaus Zeit geben will: “Wir sind mit guten Partnern immer sehr geduldig.”

Mehrwert für beide Seiten

Zur juristischen Argumentation, dass durch die kantonalen Steuerprivilegien für gewisse Unternehmensformen das bilaterale Freihandelsabkommen verletzt werde, forderte sie von der Schweiz, “eine dynamischere Auslegung” anzuwenden.

Bern betont stets, dass beim Abschluss des Abkommens 1972 nie die Rede davon gewesen war, Steuerpraktiken als unerlaubte Subventionen anzusehen.

Die Schweiz habe auf dem bilateralen Weg “viel erreicht”, sagte die Österreicherin weiter. Sie zeigte sich offen für die Verhandlungen von neuen Dossiers, wenn es dabei einen echten Mehrwert für beide Seiten gebe.

Besuch in der Schweiz

Ferrero-Waldner wird am 3. April die Vertretung der EU-Kommission in Bern offiziell eröffnen. Dabei wird sie auch zu Gesprächen mit Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey und den Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments zusammenkommen.

Die Eröffnung einer Delegation der EU-Kommission in Bern hatte Ferrero-Waldner massgeblich vorangetrieben, wie sie betonte. Sie gab sich überzeugt, dass die Vertretung einen positiven Einfluss auf die Beziehungen haben wird.

swissinfo und Agenturen

Artikel 23.iii des Freihandelsabkommens Schweiz-EU von 1972 sagt, “dass jede Hilfestellung der öffentlichen Hand, welche die Konkurrenz unter Unternehmen oder der Produktion von Waren beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht, mit dem Geist des Abkommens unvereinbar ist”.

Das Abkommen von 1972 regelt ausschliesslich den Handel mit bestimmten Gütern (Industriegütern und Agrarprodukten).

Die Schweiz vertritt die Haltung, dass die Steuervergünstigungen in gewissen Kantonen für Auslandgeschäfte von Holdings, Verwaltungsgesellschaften und gemischen Gesellschaften nicht unter das Freihandelsabkommen mit der EU fallen.

Die EU-Kommission bezeichnet die Steuer-Privilegien, die einige Kantone Unternehmen gewähren, als unvereinbar mit dem Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU).

Unfair findet die europäische Exekutive die Steuerprivilegien, die einige Kantone Unternehmen gewähren, welche bei ihnen den Sitz ihrer Holdings eingerichtet haben, ihre Gewinne jedoch im Ausland realisieren.

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