
ASO-Direktor Lukas Weber: «Es gibt offensichtlich Mängel am Regelwerk»

Neue Gesichter, jünger und weiblicher: Der Auslandschweizer-Rat tagte an den «SwissCommunity Days» am 22. und 23. August zum ersten Mal in seiner neuen Zusammensetzung. Lukas Weber, Direktor der Auslandschweizer-Organisation ASO, zieht eine positive Bilanz. Bei Struktur und Prozessen sieht er aber Handlungsbedarf.
Swissinfo: Die «SwissCommunity Days» waren die erste grosse Veranstaltung, die Sie seit Ihrem Amtsantritt vor fünf Monaten organisiert haben. Was ist Ihre Bilanz?
Lukas Weber: Ich habe ein gutes Team, das motiviert und angetrieben ist von der Mission der ASO. Allerdings haben die Direktwahlen auf unterschiedliche Art und Weise zu mehr Unruhen geführt. Zum Beispiel gibt es Delegierte, die vielleicht von ihrer Wahl überrascht wurden und sich fragen, ob sie das wirklich wollen. In Deutschland haben sich zwei Frischgewählte bereits wieder zurückgezogen.
Ich hoffe, dass wir mit den Direktwahlen einen neuen Zustand erreichen, in dem wir sowohl die Vorteile dieses Wahlsystems als auch wieder einen stabilen Zustand haben.
Und die Bilanz konkret von den «SwissCommunity Days»?
Die gute Stimmung und das Interesse der Delegierten waren inspirierend. Alles hat dank dem Team gut funktioniert, was nicht selbstverständlich ist. Zuvor befürchteten wir, dass zum Beispiel wegen der Komplexität im Bundeshaus Zeiten nicht eingehalten werden können. Dies war vor allem für die Workshops wichtig, die wir in einem Rotationssystem abgehalten haben.
Zudem war die Schlussrunde des ersten Tages interessant. Die Delegierten führten aus, was sie vorhaben und was sie für ihr Amt noch brauchen. Hier ist viel zusammengekommen, was ich mit dem Vorstand besprechen werde.
Inspirierend meinen Sie vor allem auf die Menschen bezogen?
Genau. Ich spürte, dass die Leute gerne hier sind, gerne Delegierte des Auslandschweizer-Rats sind. Sie freuen sich auf das, was kommt. Sie wollen lernen und sind dankbar für das, was ihnen an Programm geboten wird. Und das Bundeshaus als Austragungsort ist natürlich auch nicht ohne.
Die Atmosphäre im Nationalratsaal war feierlich, doch interne Kritik sorgte an den «SwissCommunity Days» für Spannungen:

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Hat das neue Format der «SwissCommunity Days» die anwesenden Delegierten überzeugt?
Da die Hälfte der Delegierten neu ist, haben sie keinen Vergleich. Dasselbe gilt für mich. Aber ich glaube, der Verlustschmerz der Bisherigen über das alte Format des Auslandschweizer-Kongresses ist etwas kleiner geworden.
Zudem hat das Programm die Teilnehmenden wohl so überzeugt, dass sie implizit auch das neue Format gut adoptiert haben. Mein erster Eindruck: Jene, die dem alten nachtrauern, sind weniger geworden und jene mehr, die das neue Format gut finden.
Der Name «SwissCommunity Days» sorgte unter den Delegierten für Diskussionen. War «Auslandschweizer-Kongress» passender für den Charakter der Veranstaltung?
Der Begriff «SwissCommunity Days» stimmt meiner Meinung nach. Ob er Englisch sein muss, kann diskutiert werden. Aber was der Begriff ausdrückt, stimmt. An einem Kongress lässt man sich eher bedienen, bei den «SwissCommunity Days» arbeiten wir zusammen. Die Teilnehmenden leisten einen Beitrag, es gibt Workshops, die Tage sind interaktiv.

Die Hälfte der Delegierten ist neu gewählt, man kann fast von einer Auffrischung des Auslandschweizer-Rats reden, was wohl auf die Einführung der Direktwahlen in vielen Ländern zurückzuführen ist. Wie hat sich das an den «SwissCommunity Days» gezeigt?
Das war bemerkbar, zum Beispiel scheinen den Ratsmitgliedern teils ihre Aufgaben noch nicht ganz klar gewesen zu sein. Einige müssen sich in der Rolle wohl noch finden. Das Erlebnis der «SwissCommunity Days» hilft gerade den neuen Delegierten, sich quasi das Gewand der Rolle anzuziehen, es dann auch auszufüllen und etwas für die Auslandgemeinschaft zu machen. Auf Französisch sagten wir, das Ziel sei «l’initiation», sozusagen der Übergang in eine neue Welt.

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Was war für Sie das Highlight der beiden Tage in Bern?
Das Knistern im Saal. Mein erster Input war bei den Französischsprechenden und ich habe gespürt, wie sie aufmerksam zugehört und auf das Gesagte reagiert haben.
Wo hat es geharzt?
Offensichtlich müssen wir unseren Wahlprozess noch einmal anschauen, da es erwartete Unruhen gegeben hat. Zudem hatten wir so viele Anträge wie noch nie. Nach Reglement können bis zehn Tage vor der ASR-Sitzung noch Anträge eingereicht werden, was uns an den Rand gebracht hat, diese rechtzeitig zu bearbeiten.
Ich bin etwas erstaunt, dass diese zehn Tage jetzt erst auffallen. Aber früher hat es einfach kaum Anträge gegeben, womit auch kein Problem bestand. Wir müssen uns nun überlegen, ob wir zum Beispiel die Frist verlängern.
Deswegen: Es gibt offensichtlich Mängel am Regelwerk, die in der nächsten Legislatur überarbeitet werden müssen. Lücken müssen gefüllt, aber Überreglementierung auch abgebaut werden.
Mit diesem Treffen beginnt die neue Legislaturperiode 2025-2029. Wird die neue Zusammensetzung des Auslandschweizer-Rats Ihrer Meinung nach einen Einfluss auf die Themen haben, die während der nächsten Legislaturperiode behandelt werden?
Ich lasse es auf mich zukommen, ich kann nicht einmal eine Prognose machen. Ich denke, wenn jemand neu im Rat ist, ist es schwierig, die Prioritäten für die nächsten vier Jahre zu benennen. Daher vermute ich, dass die Bisherigen hier dominieren werden.
Der neue Auslandschweizer-Rat ist durch umfassende Direktwahlen breiter abgestützt als je zuvor:

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Welche Schwerpunkte werden die nächsten vier Jahre wohl dominieren?
Ich würde gerne das Regelwerk, die Governance als einen Schwerpunkt sehen. Wie steuern wir die Organisation? Welche Organe, Aufgaben und Kompetenzen gibt es? Zudem stehen die Finanzen im Mittelpunkt, weil wir damit rechnen müssen, dass der Bund, der 83% unserer Mittel bestreitet, uns in Zukunft weniger Mittel zuspricht.
Also vor allem Organisatorisches und Finanzielles?
Das klingt zwar nach Wurst und Brot, aber man muss zuerst existieren, bevor man in die Ferne blickt und zum Beispiel neue politische Initiativen lanciert.
Was werden die Schwerpunkte sein, welche die Auslandschweizerrätinnen und -räte in die nächsten Tagungen tragen?
Mehr Mitsprache ist ein Thema; die Delegierten wollen mehr mitreden. Am Schluss muss man handlungsfähig bleiben und Diskussionen in Ergebnisse umsetzen.
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Editiert von Samuel Jaberg.

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