Podcast «Ade merci, Schweiz»: Auswandern mit Kindern – Zwischen Aufbruch, Ängsten und Zusammenhalt
Auswandern mit Kindern stellt Familien vor besondere Herausforderungen. Wie reagieren Kinder auf einen abrupten Wechsel von Schule, Sprache und Umfeld? Was können Eltern tun, um diesen Übergang zu erleichtern? In der zweiten Folge des Podcasts «Ade merci, Schweiz» gehen wir diesen Fragen nach.
«Wenn dein Kind dich beschuldigt, sein Leben zerstört zu haben, ist das als Mutter nicht einfach zu ertragen.» Das sagt Rahel Brügger. Drei Jahre ist es her, dass sie mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern im Alter von acht, elf und vierzehn Jahren aus der Schweiz ausgewandert ist. Zuerst in die USA, dann – im Sommer 2024 – nach Dänemark.
Hören Sie sich die zweite Folge des neuen Podcasts «Ade merci, Schweiz» an – mit der Auslandschweizerin Rahel Brügger und der interkulturellen Mediatorin Claudia Schweizer als Gäste.
Ade merci, Schweiz
Der Entscheid, zunächst für ein Jahr in die USA zu ziehen, fiel sehr kurzfristig. «Im März/April machten wir uns Gedanken dazu, Ende Juli zogen wir aus», sagt Brügger. Viel Zeit, sich selbst und die Kinder auf die bevorstehende Veränderung vorzubereiten, blieb nicht. «Die Älteste hatte gar keine Freude – sie wollte nicht einmal innerhalb des Dorfes umziehen. Die beiden Jüngeren dagegen sahen das Ganze als Abenteuer.»
Dass Kinder nicht umziehen wollen, ist laut Claudia Schweizer eine gesunde und vollkommen normale Reaktion. «Man verlässt das Gewohnte für etwas Unbekanntes.» Wichtig dabei sei der Dialog: Was willst du nicht? Was stellst du dir vor? Was macht dir Angst? Die interkulturelle Mediatorin hat selbst Erfahrung im Auswandern mit Kindern. Sie lebte mit ihrer Familie vier Jahre lang in Mosambik, wo sie an der internationalen Schule gearbeitet hat. Als Eltern müsse man die Gefühle der Kinder aushalten. «Das ist eine riesige Herausforderung.»
Im Audio- und Video-Podcast «Ade merci, Schweiz» erhalten Sie authentische Einblicke in das Leben und die Erfahrungen von Auslandschweizer:innen. Gemeinsam mit Fachleuten geben wir Ihnen praktische Ratschläge rund ums Auswandern und Leben im Ausland, vom Auswandern mit Kindern bis hin zum Ankommen in einer neuen Sprache und Kultur.
Den Podcast «Ade merci, Schweiz» gibt es auch auf Französisch.
Aushalten statt beschönigen
Eine Herausforderung, die auch Rahel Brügger kennt. «Wenn dein Kind von der Schule nach Hause kommt und dir sagt, du bist schuld, dass du mein Leben zerstört hast, dann bot ich immer eine Umarmung an. Das ist es: zuhören, umarmen, da sein und nicht rechtfertigen», sagt Brügger.
Ähnlich klingt es von Seiten der Mediatorin: «Die Sicht des Kindes soll in dem Moment Platz haben dürfen, da muss nichts schöngeredet oder gerechtfertigt werden.» In Mosambik habe sie viele Eltern begleitet, die dort als Expats gelebt haben. Wenn das Positive zu stark hervorgehoben werde, im Sinne von «Freu dich, hier scheint immer die Sonne, hier hat es ein Meer, du kannst jeden Tag in den Pool», könne dies beim Kind das Gefühl auslösen, es dürfe gar nicht traurig sein und solle nur das Schöne sehen. «Es ist eben nicht entweder oder, es ist sowohl als auch», sagt Schweizer.
Den Emotionen Platz zu geben hat auch der Familie Brügger geholfen. «Beim zweiten Umzug liessen wir der Ältesten die Wahl, ob sie allein zurück in die Schweiz oder mit der Familie weiterziehen möchte – sie entschied sich für Letzteres.»
Nicht alles wie auf Social Media
Rückblickend betrachtet habe die Auswanderungserfahrung sie als Familie stark zusammengeschweisst, sagt Brügger. Doch wie obiges Beispiel verdeutlicht, verlief nicht alles immer rosig. Schuldgefühle kamen auf, sowie Selbstvorwürfe und Momente der Einsamkeit in dieser Herausforderung.
«Klar kannst du dich auf Social Media austauschen, aber dort klang alles so positiv und schön. Alle genossen den Traum ihres Lebens», sagt Brügger. «Ich habe diese Realität so nicht empfunden. Schon schön, aber auch anstrengend und schwierig.» Brügger wollte einen Ort des ehrlichen Austauschs und gründete mit ihrer Schwester ein ProjektExterner Link, das genau da ansetzt: ein Programm, das Eltern bei der Begleitung ihrer Kinder in dieser Phase unterstützt.
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Der Neustart im Klassenzimmer
Nicht nur Emotionen sind ein grosses Thema beim Auswandern mit Kindern, auch die Schulbildung und die unterschiedlichen Schulsysteme können Fragen aufwerfen. Was ist das Richtige für mein Kind? Lokale oder internationale Schule? Bei der Familie Brügger fiel die Wahl beide Male auf lokale Schulen.
«Wir haben die Kinder in die Entscheidung miteinbezogen, und sie wollten an lokalen Schulen ganz in die jeweilige Kultur eintauchen», sagt sie. Die Umstellung von der Schweizer Dorfschule zur amerikanischen High School war gross, und dann nochmals der Wechsel in die dänische Schule. «Doch die Kinder haben zugehört, beobachtet, und nach sieben bis acht Wochen konnten sie die Sprache.»
Gleichzeitig besuchten die drei Kinder im ersten Jahr eine Schweizer Fernschule für Französisch und Deutsch – für den Fall einer Rückkehr in die alte Heimat.
Auch für Claudia Schweizer spielte die Rückkehr in die Schweiz eine wichtige Rolle, als ihre Familie für vier Jahre nach Mosambik zog. «Wir mussten sicherstellen, dass der Anschluss an die Schweiz danach gewährleistet ist, weswegen wir uns für die internationale Schule entschieden haben.»
Den Podcast «Ade merci, Schweiz» gibt es auch als Video. Sehen Sie sich die aktuelle Folge hier an:
Welche Songs verbinden Sie mit der Schweiz? Diese Frage stellten wir unseren Gästen und kreierten mit all den genannten «Heimweh-SongsExterner Link» eine Playlist. Viel Vergnügen beim Reinhören!
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