
Uhrenfabrik Junghans macht nach Insolvenz wieder Gewinn
SCHRAMBERG (awp international) – Schwarze Zahlen, steigende Umsätze, sichere Arbeitsplätze: Kaum etwas deutet mehr darauf hin, dass der Schwarzwälder Uhrenhersteller Junghans vor zwölf Monaten am Abgrund stand. Vor genau einem Jahr hatten zwei Unternehmer aus dem Ort die insolvente Firma gekauft und damit der einst weltgrössten Uhrenfabrik in Schramberg (Kreis Rottweil) eine neue Zukunft gegeben. Es hätte auch anders kommen können. Nachdem Junghans von seiner Muttergesellschaft Egana Goldpfeil 2008 in die Zahlungsunfähigkeit getrieben worden war, hatten Markenjäger auf ein billiges Geschäft gehofft.
Von der Blütezeit zum Beginn des 20. Jahrhunderts, als bei Junghans bis zu 6000 Menschen mehrere Millionen Uhren im Jahr produzierten, ist das Unternehmen aber weit entfernt. Heute arbeiten noch 90 Mitarbeiter in der Schramberger Fabrik. Der Markt für Uhren ist schwierig. «Die Menschen haben die Uhrzeit heute immer in ihrem Handy dabei», erklärt Geschäftsführer Matthias Stotz. «Eigentlich braucht kein Mensch mehr mechanische Uhren.» Damit die Menschen sie trotzdem kaufen, setze Junghans auf die Faszination an der komplexen Uhren-Mechanik. «Dass man sehen kann, wie eine Uhr funktioniert, das macht den Kult aus», sagt der Junghans-Chef.
Am Kult um die 149 Jahre alte Traditionsmarke mit dem zuletzt blass gewordenen Image wollen Stotz und sein Kollege Werner Wicklein anknüpfen. Es gehe nach der Insolvenz deutlich bergauf. Im Rumpfgeschäftsjahr von Februar bis Dezember 2009 habe das Unternehmen in einem schwierigen Umfeld unterm Strich einen «sehr ordentlichen Gewinn» verbucht. Der Umsatz sei um sechs Prozent gestiegen, sagt Stotz. Genaue Zahlen nennt er nicht. Die Erlöse bewegten sich aber zwischen 15 und 20 Millionen Euro.
Viele Uhrenbauer haben in den vergangenen Jahren auf schrilles Design gesetzt. Doch inzwischen sehen Branchenkenner einen Trend zu Uhren, die elegant und schlicht einfach nur die Zeit anzeigen. Das hat Junghans in die Hände gespielt. Die seit Jahrzehnten kaum veränderte Linie «Max Bill by Junghans» ist einer der Bestseller. «Die blinkt nicht, die kann keine Musik machen – die reduziert sich auf ihre Eigenschaft als Uhr», sagt Stotz.
Aber es ist nicht nur die Produktpolitik, die Junghans wieder profitabel gemacht hat. Vor der Insolvenz hätten immense Pensionsansprüche und ungünstige Finanzierungen das Ergebnis belastet, erklärt Wicklein. Durch die Insolvenz sei das Unternehmen diesen Klotz am Bein losgeworden – den finanziellen Schaden trugen vor allem einige Zulieferer, die auf Rechnungen sitzen blieben.
Die neuen Eigentümer halten sich aus dem operativen Geschäft weitgehend raus: Der frühere CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jochem Steim und sein Sohn Hannes haben in ihrem Familienbetrieb Kern Liebers, einem Zulieferer für die Automobil-, Textil- und Konsumgüterindustrie mit weltweit 5000 Mitarbeitern, genug zu tun. Die Geschäfte bei Junghans liessen sie nach dem Kauf in den Händen von Stotz und Wicklein.
Aber die Steims sind angesehen in Schramberg. Auch die Gewerkschaft IG Metall findet lobende Worte für sie. Unter den neuen Eigentümern sei neues Vertrauen in der Belegschaft gewachsen, sagt Reiner Neumeister von der IG Metall Freudenstadt. Dazu habe wesentlich beigetragen, dass die Familie Steim den Flächentarifvertrag wieder bei Junghans eingeführt habe, aus dem Egana Goldpfeil einige Jahre zuvor ausgestiegen war.
Knapp 40.000 Uhren stellt Junghans heute pro Jahr her. 40 Prozent machen Funkuhren aus, 20 Prozent Quarzuhren und 40 Prozent die mechanischen Uhren. Gerade im besonders lukrativen Bereich der mechanischen Uhren will Junghans sein Angebot noch deutlich ausweiten. 300 bis 1750 Euro muss man für eine Junghans auf den Ladentisch legen, für eine exklusive Eberhard Junghans dürfen es auch mehr als 15.000 Euro sein. Vor allem im Ausland sehen die Geschäftsführer für diese Uhren noch Potenzial. Bislang mache der Export 20 Prozent vom Umsatz aus.
Wenn die Konsolidierung Ende 2010 abgeschlossen ist, will Junghans erstmals auch wieder Geschäftszahlen veröffentlichen. Bislang deute alles auf ein solides Wachstum auch in diesem Jahr hin, sagen die Geschäftsführer. Derzeit sucht das Schramberger Unternehmen Uhrmacher, um die Personaldecke wieder aufzustocken.
(Geschichte der Uhrenfabrik Junghans: http://dpaq.de/Junghans)/mhe/DP/tw
— Von Marc Herwig, dpa —