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“Es gibt ein Problem mit den Erwartungen”

Keystone / Peter Klaunzer

Die Schweizer Botschaft in Thailand gilt als Hotspot der konsularischen Herausforderungen. Johannes Matyassy, der Direktor der Konsularischen Direktion im Schweizer Aussendepartement, erklärt warum.

Herr Matyassy, Sie reisen Anfang Juni nach Thailand für konsularische Konsultationen, worum geht es?

Wir haben eine sehr grosse Auslandschweizergemeinschaft dort, die grösste in Asien, zudem sehr viele Schweizer:innen, die dorthin reisen. Das führt zu vielen konsularischen Fällen. Darum installierten wir schon vor einiger Zeit einen regelmässigen Dialog zu konsularischen Fragen, den wir letztes Jahr mit einer Absichtserklärung offizialisierten. Auf der Agenda sind unter anderem also die konsularischen Fragen der Auslandschweizergemeinschaft.

Ein Thema sind also auch die älteren Auslandschweizer:innen, die für Ihre Aufenthaltsbewilligung nun plötzlich eine Krankenversicherung brauchen.

Ja, das werden wir ansprechen. Wir werden nun schauen, wie die Thai darauf reagieren. Es hilft, dass wir dies im Rahmen einer formellen Sitzung machen können. Es bekommt so etwas mehr Gewicht.

Der Wunsch aus der dortigen Auslandschweizergemeinschaft ist ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und Thailand. Ist das ein Ziel?

“Dass die Schweiz den Leuten in Thailand eine Versicherung zahlt, das geht wirklich auch nicht.”

Wir haben das hier abgeklärt, es löst das Problem mit den Krankenversicherungen nicht. Unsere Gesetze sagen: Wer im Ausland lebt, kann keine Schweizer Grundversicherung mehr abschliessen. Man kann aber jederzeit eine private Versicherung abschliessen. Diese sind aber teuer. Nun ist natürlich möglich, dass auch die Thai diese Position vertreten. Und da könnte es schwierig werden, dagegen zu argumentieren – die Schweiz gilt als reiches Land.

Wegen der Pandemie ist es grundsätzlich verständlich, dass die Thais zu dieser Massnahme griffen, übrigens auch die Philippinen. Wir wollen ihnen nun aber aufzeigen, was sie für Konsequenzen hat und was es für Lösungsmöglichkeiten gibt. Wir haben also das Problem erkannt, nehmen entsprechende Gespräche auf. Aber man soll nicht erwarten, dass wir die Thematik morgen gelöst haben.

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Wenn Thailand auf seinem Standpunkt verharrt, besteht die Möglichkeit, dass ärmere, ältere Schweizer zur Rückreise in die Schweiz gezwungen werden. Sie würden hier dem Sozialsystem zur Last fallen. Wäre das für die Schweizer Steuerzahlerinnen nicht noch teurer?

Das ist so, aber dass die Schweiz den Leuten in Thailand eine Versicherung zahlt, das geht wirklich auch nicht. Die Leute gehen bewusst ins Ausland, in Länder, wo man mit einer Schweizer Rente sehr gut lebt. Und wenn es dann nicht klappt, soll der Staat doch wieder schauen? Das ist eine problematische Erwartungshaltung.

Die Schweizer Botschafterin in Thailand, Helene Budliger Artieda, fiel auf durch ihr grosses Engagement für die dortige Auslandschweizergemeinschaft. Nun geht sie bald als Staatssekretärin zurück in die Schweiz. Gibt es Kriterien für Ihre Nachfolge?

Mit ihr war tatsächlich die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort, sie ist eine sehr starke Persönlichkeit. Helene Budliger Artieda etablierte sehr gute Kontakte zum stellvertretenden Premierminister und zum Gesundheitsminister, was während der Pandemie entscheidend war. Dazu hat sie sich enorm engagiert. Wir lösten zusammen einige sehr heikle Konsularschutzfälle – etwa im Zusammenhang mit Gefängnisaufenthalten – bei denen mich ihre Schlagkraft beeindruckt hat. Bei der Auswahl der Nachfolge werden wir darauf achten, dass dieses Engagement – etwa mit den Townhalls für Auslandschweizer:innen – fortgeführt wird.

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Muss sich die Schweiz so sehr einsetzen, wenn jemand im Ausland mit der Justiz zu tun hat?

Es ist tatsächlich nicht immer einfach, das zu begründen. Wenn einem Schweizer im Ausland die Todesstrafe droht, dann versteht man es eher. Aber wenn es etwa um einen Pädophilen geht, können Fragen kommen. Doch es ist nicht an uns, die Schuldfrage zu beurteilen. Für uns gilt: Da ist ein Schweizer, er ist im Gefängnis, wir gewähren ihm konsularischen Schutz. Wir helfen.

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Hat die Schweiz eigentlich genug konsularisches Personal?

Es ist nicht überall gleich, aber an einigen Orten sind wir tatsächlich arg ins Rudern gekommen. Istanbul, Teheran und Islamabad spüren die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Sie wurden geflutet von Gesuchen für humanitäre Visa. Da mussten wir von Bern aus auch mit dem Staatssekretariat für Migration zusammen massiv unterstützen. Jetzt sind die Prozesse vereinfacht und geklärt.

Andererseits haben wir in China derzeit zu viel Personal, weil sich aufgrund der dortigen Covid-Situation nichts mehr bewegt. Über Online-Einsätze kann man das zwar bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Schaut man den Saldo über alle Konsulate an, dann ist es so: Wir sind knapp dran.

Was sind die Gründe?

Früher war die konsularische Mitarbeit eher noch eine Lebensstelle. Heute machen das viele im jüngeren Alter. Mit Familien werden die wechselnden Auslandaufenthalte dann zur Herausforderung. Partner oder Partnerinnen haben heute in der Regel auch einen Job.

Macht das EDA hier genug für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Wir machen sehr viel. Es gibt ein Family Office für Begleitpersonen, bei anstehenden Versetzungen wird Rücksicht genommen, wir ermöglichen getrennte Haushalte. Aber wenn es in einem Land nicht erlaubt ist, dass eine Begleitperson arbeiten kann, stösst das an Grenzen.

Auslandschweizer:innen beklagen sich in einschlägigen Foren immer wieder über die konsularischen Dienste der Schweiz. Wäre mehr Personal mehr Service?

Das ist nicht das Problem. Es gibt aber ein Erwartungsproblem. Es ist spannend zu sehen, dass sich Schweizerinnen und Schweizer, wenn sie im Ausland leben oder ins Ausland reisen, ganz anders aufführen als daheim. Im Ausland verlangen sie Dinge, bei denen ihnen in der Schweiz gar nicht in den Sinn käme, den Staat danach zu fragen. Aber die rechtlichen Grundlagen sind klar: Zuoberst steht die Eigenverantwortung. Das haben wir in der Schweiz in der DNA. Sie soll auch im Ausland gelten.

Dieses Interview entstand im Kontext zu unserer Analyse über die konsularischen Herausforderungen der Schweiz nach der Pandemie. Lesen Sie hier mehr dazu:

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